Arnsberg. Tanzfläche crashen oder Eckentänzer? Das verrät Jonathan Mink vom Arnsberger Club „Herr Nilsson“ im Interview. Er blickt auf Corona-Zeit zurück.

Jonathan Mink würde selbst nie die Tanzfläche seines Clubs „Herr Nilsson“ in Arnsberg crashen. „Ich bin damals DJ geworden, damit ich in der Ecke tanzen kann“, sagt der 38-Jährige im Interview. Getanzt wurde im „Herr Nilsson“ in den vergangenen fast zwei Jahren jedoch selten.

Am 13. März 2020 machte das Ordnungsamt Arnsberg den Club aufgrund der unklaren Lage in der Corona-Pandemie dicht. Zwischenzeitlich konnte Jonathan Mink für seine Gäste öffnen, ehe er Anfang Dezember wieder schließen musste. Im Gespräch blickt er auf die Zeit zurück, erklärt, wie der Club sich trotz Krise weiterentwickeln hat und warum junge Menschen sich auch mal rausschleichen sollten.

Gibt es einen Moment, an dem Dir das Ausmaß der Corona-Pandemie bewusst wurde? Was waren Deine Gedanken?

Jonathan Mink: Als mich das Ordnungsamt Mitte März 2020 angerufen hat und meinte, dass wir schließen müssen, habe ich das nicht ernst genommen. Das war für uns unvorstellbar und ich habe mich sogar richtig mit ihnen angelegt. Schließlich habe ich mich ihnen gebeugt, weil sie mir angedroht haben, dass ich ansonsten meine Konzession verliere. Dann sind zwei, drei, vier Wochen vergangen und immer mehr Geschäfte und Läden mussten schließen. An dem Punkt habe ich gemerkt, dass es dann doch etwas Größeres ist, aber das komplette Ausmaß haben wir bis jetzt nicht realisiert. In den vergangenen Monaten hatten wir dann auch wieder geöffnet, sahen ein Licht am Ende des Tunnels und müssen jetzt den Club wieder schließen. Wir hoffen, dass es irgendwann vorbei ist.

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Wie hat Euer Publikum reagiert?

Die haben uns immer weiter begleitet. Durch unsere Kleidungskollektion, durch das Sommermärchen an den Ruhrterrassen oder durch das Autokino in Neheim ist unser Publikum sogar gewachsen. Nicht nur die Corona-Zahlen sind gestiegen, sondern auch unsere Like-Zahlen bei Facebook und Instagram. Ein Club hat eine definierte Zielgruppe zwischen 18 und 25 Jahren. Wir bieten mittlerweile auch Hochzeiten an und sind für das nächste Jahr mit 30 Veranstaltungen schon komplett ausgebucht. Wir haben in der Corona-Zeit einen Podcast entwickelt, um den Menschen mal einen Blick hinter die Kulissen zu zeigen. Was Türsteher schon alles erlebt haben, ist unfassbar. Neuerdings haben wir unsere eigene Schnapsmarke „Drunken Monkeys“ entwickelt. Wir finden immer wieder neue Ideen, um kreativ am Markt zu sein und damit uns die Menschen nicht vergessen.

So bewertet Jonathan Mink von „Herr Nilsson“ die Corona-Maßnahmen

Wie bewertest Du nach fast zwei Jahren die Corona-Maßnahmen der Politik?

Wenn wir durch eine Schließung des Clubs verhindern können, dass Corona sich noch weiter ausbreitet, dann haben wir unsere Pflicht erfüllt. Für uns ist es moralisch nicht vertretbar, dass wir die Menschen zum Feiern aufrufen, aber zeitgleich wissen, dass die Zahl der freien Intensivbetten weiter zurückgeht. Deswegen haben wir das immer sehr realistisch gesehen, auch wenn die Hoffnung zuletzt stirbt. Und natürlich war es in unserer kurzen Öffnungsphase im Herbst schön zu sehen, dass die Menschen wieder in der Schlange vor der Tür standen.

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Was hätte man anders machen können?

Im Nachhinein hätte man von Anfang an klarere Regeln bundesweit festlegen sollen, statt immer wieder zwischen 3G, 2G oder 2Gplus zu wechseln. Man hätte auch vor jedem Club eine Corona-Teststation aufstellen können. Frisch getestet – sicherer kannst du nicht feiern. Man hätte den Menschen nicht komplett die Lebensfreude nehmen sollen.

Steckbrief: Jonathan Mink

Jonathan Mink ist, wie er selbst sagt, im Tiefsten Schwabenland geboren. Mit seiner Familie ist er aber bereits in seiner frühen Kindheit nach Arnsberg umgezogen. Der heute 38-jährige ist also im Sauerland aufgewachsen.Er hat eine Ausbildung in Marketing und Design absolviert und mehrere Jahre für verschiedene Agenturen gearbeitet.Seit seinem 18. Lebensjahr hat Jonathan Mink unter dem Künstlernamen JTHAN als DJ aufgelegt. Er war vor allem im sogenannten Sektor, dem Ruhrgebiet unterwegs, ehe er 2016 eine eigene Eventagentur „High 5 Events“ gegründet hat.2018 eröffnete er in Arnsberg den Club „Herr Nilsson“, den er heute noch betreibt.

Du hast die vielfältigen Aktionen angesprochen, die Ihr in den vergangenen fast zwei Jahren organisiert habt. Was muss ein Eventmanager denn heute alles können?

Wir haben uns überlegt, wie wir die Menschen trotz Schließung an den Laden binden können. Für uns war es auch neu, dass wir auf einmal sehr viel Zeit hatten. Ich bin der Meinung, dass 80 Prozent des Jobs Marketing und Werbung ist. Ich habe das in der Ausbildung gelernt und schon für eine andere Marke Erfahrungen im Bereich Onlineshop gesammelt. Man muss beachten: Wenn niemand von dir weiß, dann kommt auch keiner. Es gilt aber auch: Wenn dein Marketing die Menschen anspricht, dann kommen die Leute, aber dann müssen auch deine Ideen und die Qualität überzeugen. Die Leute sagen, dass mein Kopf mit Ideen übersprudelt. Das ist unsere Stärke: Wir versuchen auf negative Entwicklungen positiv zu reagieren. Als wir den Club schließen mussten, war das Sommermärchen an den Ruhrterrassen das Beste, was wir in der Zeit machen konnten. Neue Leute wurden auf unser Angebot aufmerksam und waren dankbar, dass wir ihnen etwas Normalität geben konnten.

Nachtleben in Arnsberg? Das fehlt dem Betreiber des „Herr Nilsson“

Ihr seid mit einem hauseigenen DJ bei einem Livestream des Radiosenders 1Live aufgetreten. Muss ich künftig noch mit anderen schwitzenden Menschen im Club feiern? Welche Rolle spielt die Digitalisierung in der Branche?

Bei einem Livestream kannst du die Musik hören, aber in einem Club ist natürlich das Feeling komplett anders. Ich finde es immer noch wichtig, dass die Menschen rausgehen, sich nicht in einer App kennenlernen und Spaß haben. Feiern zu gehen ist Lebensfreude.

Was ist Arnsberg ohne ein Nachtleben?

Wir haben gemerkt, dass schon sehr viel fehlt. Ich war 17 Jahre selbst DJ und habe in den Clubs der Region gespielt. Die sind damals schon mit der Zeit nacheinander ausgestorben und die Leute wussten nicht, wo sie hinsollten. Es gab keine Anlaufstelle für die Jugendlichen. Vielleicht trinken sie im Club auch mal zu viel, aber das gehört zum Erwachsen werden dazu. Wir waren selbst mal jung und haben uns für eine Party rausgeschlichen und das verpassen die jungen Menschen alles gerade.