Hochsauerlandkreis. Gewalt gegen Frauen nimmt zu. Kriminalhauptkommissarin Julia Henneböle spricht Klartext über Ermittlungen, Täter und Hilfe für Frauen.
Es ist traurige Realität, dass die Fälle von Gewalt gegen Frauen nicht weniger werden. Der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen soll auf die Problematik aufmerksam machen. Was konkret schon zum Schutz von Frauen im Hochsauerlandkreis geschieht, erklärt Kriminalhauptkommissarin Julia Henneböle im Interview.
Wie häufig kommt es in unserer Region zu Fällen von Gewalt gegen Frauen? Haben Sie in den letzten Jahren eine Veränderung in der Anzahl der Fälle festgestellt?
Eine konkrete Aussage hierzu kann nicht getroffen werden, da in Fällen insbesondere von häuslicher Gewalt keine gesonderte Trennung in Geschlechter erfolgt. Teils sind auch Kinder oder Jugendliche im HSK von häuslicher Gewalt betroffen.
Welche Formen von Gewalt gegen Frauen treten am häufigsten auf (z.B. häusliche Gewalt, sexuelle Gewalt, Stalking)?
Taten durch Fremdtäter geschehen seltener. Gewalt gegen Frauen findet am häufigsten innerhalb von Beziehungsstrukturen statt. Dabei ist schwer, die Straftatbestände zu differenzieren. Häusliche Gewalt hat viele Gesichter und vereint verschiedene Straftatbestände. Bedrohung, Körperverletzung, sexuelle Gewalt, Freiheitseinziehung—um nur einige zu nennen. Hierzu werden aber nur Beziehungen gezählt, die auch tatsächlich zusammen wohnen oder wohnten. Gewalt findet aber auch in getrennt lebenden Partnerschaften statt und vor oder nach einer Beziehung.
Gibt es bestimmte Zeiten oder Anlässe, bei denen vermehrt Gewalt gegen Frauen gemeldet wird (z.B. während der Feiertage)?
Uns sind keine Zeiten und Anlässe bekannt, an denen Frauen mehr gefährdet sind, da es sich wie bekannt zumeist um nahestehende Personen handelt, die Gewalt ausüben.
Welche präventiven Maßnahmen ergreift die Polizei, um Gewalt gegen Frauen zu verhindern? Gibt es spezielle Aufklärungskampagnen oder Programme, die sich an gefährdete Frauen richten?
Das Kommissariat Vorbeugung im HSK bietet Fachvorträge zum Thema Gewalt gegen Frauen an. Mit den lokalen Beratungsstellen besteht zudem eine enge Zusammenarbeit. Letztes Jahr wurde am 25. November 2023 in der Mescheder Innenstadt an einer Aktion der Frauenberatungsstelle HSK teilgenommen. Dieses Jahr soll die polizeiliche Beratungsstelle in Meschede in der Aktionswoche mit einem orange erleuchteten Fenster auf die Präventionswoche aufmerksam machen. An dem Tag selber wird in diesem Jahr in Zusammenarbeit mit der VHS Arnsberg-Sundern ein Vortrag zu dem Thema angeboten. Darüber hinaus gibt es verschiedene Arbeitskreise zum Thema Häusliche Gewalt im HSK, an denen das Kommissariat Vorbeugung beteiligt ist. Die Polizeiwachen im HSK sind zudem mit Plakaten und Flyern des Hilfetelefons Gewalt gegen Frauen und lokalen Beratungsstellen ausgestattet.
Was raten Sie Frauen, die sich in einer potenziell gefährlichen Situation befinden? Welche Schritte sollten sie unternehmen?
Das richtet sich immer nach dem individuellen Einzelfall. Von Verhaltenstipps angefangen bis über verschiedene Anträge, die z.B. nach dem Gewaltschutzgesetzt gestellt werden können und zu einem Annäherungsverbot durch das Gericht führen können oder der Vermittlung in ein Frauenhaus. Leben Opfer und Täter in einer häuslichen Gemeinschaft, wird der Täter beim Einsatz durch die Polizei für 10 Tage der gemeinsamen Wohnung verwiesen. Diese Maßnahme ist wichtig, um Zeit und Raum für wichtige Zukunftsentscheidungen zu bieten. Der polizeiliche Opferschutz kann dabei eine vermittelnde Rolle spielen. Eine Rechts- oder Lebensberatung gehört hierbei jedoch nicht zu unseren Aufgaben. Da verweisen wir gezielt, oft auch namentlich, auf die uns bekannten Netzwerkpartner, die hierbei weiterhelfen. Sei es der Weiße Ring oder Beratungsstellen mit unterschiedlichem Schwerpunkt.
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Gibt es spezielle Anlaufstellen oder Kontaktpersonen innerhalb der Polizei, die sich auf Fälle von Gewalt gegen Frauen spezialisiert haben und wie finden die Frauen diese?
In den Kommissariaten gibt es spezialisierte Sachbearbeiter für den Bereich Häusliche Gewalt. Mit diesen kann man sich über die Polizeivermittlung verbinden lassen. Zusätzlich gibt es einen Beauftragten für Opferschutz bei der Polizei, auch dieser ist auf den Bereich Häusliche Gewalt spezialisiert. Ebenso spezialisierte Kriminalbeamten befinden sich im Bereich sexualisierter Gewalt, sei es in den Ermittlungskommissariaten oder im Kommissariat Vorbeugung.
Wie geht die Polizei vor, wenn eine Frau Gewalt meldet? Was passiert in den ersten Stunden nach einer Anzeige?
Es gibt nicht den einen Sachverhalt „Gewalt gegen Frauen“ und somit gibt es auch kein gleiches Ablaufschema polizeilichen Handelns. Generell kann aber gesagt werden, das die Sicherheit des Opfers - die Trennung zum Täter - an erster Stelle steht. Es folgen Maßnahmen zur Spurensicherung, Vernehmungen und die Hinzuziehung von anderen Institutionen, wie etwa dem Jugendamt oder dem Sozialpsychiatrischem Dienst. Frauen die körperliche oder sexuelle Gewalt erleben, werden zudem durch den Opferschutzbeauftragten kontaktiert, der Hilfemaßnahmen vermittelt.
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Arbeitet die Polizei mit Frauenhäusern oder Beratungsstellen zusammen? Wie sieht diese Zusammenarbeit aus?
Auf jeden Fall ist der Kontakt zu den Beratungsstellen und Frauenhäusern ein wichtiger Bestandteil des polizeilichen Opferschutzes und der Präventionsarbeit.
Welche Rolle spielen Ärzte und Krankenhäuser bei der Meldung von Gewaltfällen? Wie wird hier die Zusammenarbeit gestaltet?
In den Krankenhäusern in Arnsberg-Hüsten und Brilon gibt es die Möglichkeit der anonymisierten Spurensicherung nach einem Sexualdelikt. Eine direkte Zusammenarbeit mit Ärzten und Krankenhäusern gibt es jedoch nicht. Ein Arzt kann sich nicht über seine Schweigepflicht hinwegsetzen und gegen den Willen einer Frau den Kontakt zur Polizei suchen.
Was sind die größten Herausforderungen bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen?
Hier mit einem Ranking zu arbeiten ist schwer. Aufgrund der Beziehungsstruktur, der familiären Bindung, der Frage ob Kinder involviert sind und nicht zuletzt aufgrund der wirtschaftlichen Fragen erstatten viele Frauen keine Strafanzeige oder kehren später doch wieder in die Beziehungsstruktur zurück. Zudem ist der körperlichen Gewalt häufig bereits psychische Gewalt voraus gegangen, die sich strafrechtlich nur schwer einordnen oder verfolgen lässt.
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