Hochsauerland. Es waren 130.000 Besucher und 242 Ensembles aus 34 Nationen. Das weltgrößte Brassfestival „Sauerland-Herbst“ wird 25 und hat noch einiges vor.

Es waren mehr als 130.000 Besucher/innen in den 25 Jahren. Sie verteilen sich auf 436 Konzerte, bei denen 242 Ensembles aus 34 Nationen Musik machten. Und was für Musik! Eines der weltgrößten Blechbläserfestivals wird in diesem Jahr 25 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch Sauerland-Herbst!

Dicke-Backen-Klänge zum Mitklatschen, vollmundige Posaunen-Sätze und nahezu tollwütiges Schlagwerk-Getöse – so kernig, dass Fachwerkbalken betagter Schützen- und Fabrikhallen fast zum Fall für den Statiker wurden. Es gab aber auch manches zarte Flügelhorn-Geflüster oder Trompeten und Tuben, deren Spieler die Zuhörer in andere Sphären entführten. Solisten, Duos, Orchester, Lachen, Weinen, Beifall, tief bewegt sein. Es gab so ziemlich alles. Mal spielten die Blechvirtuosen im Sterne-Autohaus neben dem auf Hochglanz polierten Nobel-Hobel, mal in Sägespan-geschwängerter Fabrikluft, mal galt es in der Pause beim Konzert-Menü den Sauerbraten-Knödel an der Werkbank einer Bus-Garage auf dem Teller zu balancieren, mal saß man an weißem Damast.

Er spricht, singt und tanzt mit seinem Instrument: der Tubist Øystein Baadsvik war 2012 beim Sauerland-Herbst.
Er spricht, singt und tanzt mit seinem Instrument: der Tubist Øystein Baadsvik war 2012 beim Sauerland-Herbst. © WP | Thomas Winterberg

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„Töpfe, Köpfe, Räume“ - diesen Arbeitsslogan hatte der damalige Benediktinerabt Stephan Schröer in den Raum geworfen und dabei heimische Gastronomie, namhafte Musiker und ungewohnte Veranstaltungsorte vor Augen gehabt. Georg Scheuerlein, Fachdienstleiter Kultur/Musikschule, erarbeitete damals mit seinem Team ein Vorkonzept samt Finanzierungs- und Marketingplan und gab dem Kind einen Namen: „Sauerland-Herbst”. Das Land, der Kreis, die Sparkasse, Sauerlandinitiativ, RWE, auch die WP als Medienpartner und weitere Aus-der-Taufe-Heber waren sofort dabei. Eine Marke war geboren, die mittlerweile Blechblasmusiker in aller Welt kennen, schätzen und immer wieder aufhorchen lässt.

Prof. Thomas Clamor ist der Künstlerische Leiter des Festivals.
Prof. Thomas Clamor ist der Künstlerische Leiter des Festivals. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Konzerte an ungewöhnlichen Orten, ein Menü in der Pause (mittlerweile eher nebensächlich) und erstklassige Formationen – damit wäre aber nur die erste, flüchtige Außenwahrnehmung des Sauerland-Herbstes umrissen. „Uns geht es um mehr - um Netzwerkbildung, um Kooperationen, um Synergien und um die ständige Fortentwicklung einer Idee“, sagt Prof. Thomas Clamor, der nach dem Tod von Georg Scheuerlein im Jahr 2018 die künstlerische Leitung des Festivals übernommen hat. So stehen inzwischen Blechbläserformationen der deutschen Musikhochschulen und Bundespreisträger des Wettbewerbs „Jugend musiziert“ zusammen mit gefeierten Stars auf der Bühne. Und manchen Star hat das Festival selbst gemacht – wie zum Beispiel die Formation „Mnozil Brass“, für die der Sauerland-Herbst das Sprungbrett nach ganz oben war.

„Sauerland-Herbst“ ist ein Beispiel für nachhaltige Kulturpolitik

Der Deutsche Brass Band Verband lässt seinen größten internationalen Wettbewerb unter dem Sauerland-Dach stattfinden und nicht zu vergessen sind die zahlreichen Workshops im Musikbildungszentrum Südwestfalen in Bad Fredeburg, die sich an Blechblasinstrumentalisten wenden. Und wenn dann Dozenten und Schüler/innen die Ergebnisse ihrer Arbeit noch in einem Konzert vorstellen dürfen, dann erleben ambitionierte Amateure einen Hauch von Star-Sein auf heimischer Bühne. Das motiviert, das schüttet Glückshormone aus, das sorgt für Mundpropaganda, das bewegt den einen oder anderen, doch vielleicht ein Instrument zu erlernen.

„Kein Konzept, keine Idee ist in Stein gemeißelt. Wir wollen und werden nicht elitär sein. Ich wünsche mir, dass unsere Veranstaltungen für jeden Geldbeutel bezahlbar bleiben. Und ich würde gern mit noch mehr Ensembles in die Schulen gehen.“

 Prof. Thomas Clamor
Künstlerischer Leiter

Der „Sauerland-Herbst“ ist ein Beispiel für nachhaltige Kulturpolitik. Es geht um Leuchttürme, die nicht nur kurz aufblitzen, sondern auf Dauer strahlen. Daher reist auch Ina Brandes, NRW-Ministerin für Kultur und Wissenschaft, zum Auftaktkonzert nach Brilon, um zu sehen, dass die Finanzmittel aus Regionaler Kulturförderung gut angelegt sind.  Sie kommt ins Autohaus Mercedes Witteler, wo am 8. Oktober 2000 zum Preis von 39 D-Mark (inklusive Essen) mit „Pro Brass“ alles begann. Ganz bewusst lässt Intendant Thomas Clamor in diesem Jahr an gleicher Stelle das JugendJazzOrchester NRW die Jubiläumsspielzeit eröffnen. Es tritt zusammen mit Thomas Gansch auf. „Das ist ein Paradiesvogel, ein unglaublich kreativer Mensch, der nur so vor Erfindungsreichtum sprüht“, sagt Clamor über einen Spitzen-Musiker, nach dessen Wünschen eigene Instrumente wie das „Gansch-Horn“ gebaut werden und der selbst Mitglied jener „Mnozill Brass“-Formation ist. Bewusst schickt Clamor den ausgebufften alten Hasen Gansch mit jungen, ambitionierten Musikern/innen ins Feld – als Symbol für die DNA und den Grundgedanken des Festivals.

„Marathon-Konzert“ am 19. Oktober in der Briloner Schützenhalle

In Fachkreisen ist der Sauerland-Herbst ein Begriff; unter den Sauerländern hat er sein festes Publikum. Dennoch verhehlt Thomas Clamor nicht, dass er sich noch mehr Außenwahrnehmung wünscht. Dass das Festival in einem Atemzug mit dem Schleswig-Holstein-Musikfestival genannt wird. Es dürfte auch gern eine Art „Wacken der Brassmusik“ werden – in Sauerländer Zurückhaltung. „Kein Konzept, keine Idee ist in Stein gemeißelt. Wir wollen und werden nicht elitär sein. Ich wünsche mir, dass unsere Veranstaltungen für jeden Geldbeutel bezahlbar bleiben. Und ich würde gern mit noch mehr Ensembles in die Schulen gehen.“ Ein Familien- und vier Schulkonzerte gibt es diesmal. Und nichts ist für ein Schulkind spannender, als Musik anschaulich und hautnah erklärt zu bekommen.

Protagonisten vor Ort abholen und einbinden ist so ein weiteres Credo in der Sauerland-Herbst-Messe:  Das passiert zum Beispiel beim „Marathon-Konzert“ am 19. Oktober in der Briloner Schützenhalle. Der Musikverein Beckum, der MV Cäcilia Berghausen, der MV „Eintracht“ Olsberg und das Blasorchester Brilon mit einem Programm von Udo Jürgens über Mozart bis um Tanz der Vampire. Und am Ende wird Prof. Thomas Clamor alle vier Orchester zu einem großen Klangkörper vereinen – ein erneuter Fall für die Statiker der Schützenhallen-Balken…