Hochsauerlandkreis. Die Kreisvorsitzenden von CDU, SPD, Grünen, FDP und AfD im HSK erklären, welche Lehren sie aus den Wahlen in Thüringen und Sachsen ziehen.

Für die Ampel war der Ausgang der Wahlen in Thüringen und Sachsen eine Katastrophe. Nur gut jeder Zehnte stimmte für SPD, Grüne und FDP. Die FDP versinkt in den beiden ostdeutschen Bundesländern in die Bedeutungslosigkeit. Die HSK-Kreisvorsitzenden der Parteien SPD, Grüne, AfD, CDU und FDP bewerten den Wahlausgang und ziehen Schlüsse für ihre Arbeit vor Ort.

Dirk Wiese

Dirk Wiese (SPD): „Die Streitigkeiten innerhalb der Koalition müssen jetzt endgültig beendet werden. Das sind die Menschen leid.“
Dirk Wiese (SPD): „Die Streitigkeiten innerhalb der Koalition müssen jetzt endgültig beendet werden. Das sind die Menschen leid.“ © dpa | Jörg Carstensen

„Wir können natürlich nicht zufrieden sein mit dem Wahlausgang“, sagt Dirk Wiese, Kreisvorsitzender der SPD und Fraktionsvize im Deutschen Bundestag. Der Landtagswahlkampf sei von bundespolitischen Themen überlagert worden. Die Unzufriedenheit mit der Ampelregierung habe ganz entscheidend zum Wahlausgang beigetragen. „Die Streitigkeiten innerhalb der Koalition müssen jetzt endgültig beendet werden. Das sind die Menschen leid.“ Die Auseinandersetzung um den Haushalt sei genau das Gegenteil von dem gewesen, was die Menschen von der Ampelregierung erwarten. Seine Partei sei nun in der Pflicht, die Themen anzugehen, die die Menschen auch im Sauerland bewegen. Wiese nennt die Migrationspolitik, die Energiepreise für die Wirtschaft und die Gesundheitsversorgung auf dem Land als Kernpunkte für die kommenden Monate. Mit Blick auf die Bundestagswahl und die NRW-Kommunalwahl sei noch ausreichend Zeit, um den Hebel umzulegen. Die Regierungsbildung in den beiden ostdeutschen Parlamenten sei kompliziert. „Die AfD ist sowohl in Thüringen als auch in Sachsen - anders als in anderen Bundesländern - gesichert rechtsextrem.“ Eine Regierungsbeteiligung der AfD sei aus seiner Sicht ausgeschlossen. In Sachsen glaubt Wiese, dass eine CDU-geführte Landesregierung unter Beteiligung des BSW entweder mit der SPD oder den Grünen zustande kommt. „In Thüringen wird das weitaus schwerer. Ich rechne damit, dass Bodo Ramelow als Ministerpräsident noch lange Zeit geschäftsführend im Amt bleibt.“

„Die AfD ist sowohl in Thüringen als auch in Sachsen - anders als in anderen Bundesländern - gesichert rechtsextrem.“

Dirk Wiese
Kreisvorsitzender der HSK-SPD

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Sandra Stein

Sandra Stein Grüne HSK
Sandra Stein, Sprecherin der Grünen: „Es gibt es eine große Unzufriedenheit mit der Bundesregierung. Die Ampel wurde bei den Wahlen abgestraft.“ © Eric Claßen | Eric Claßen

Sandra Stein ist Sprecherin der Grünen im HSK. Das Abschneiden ihrer Partei in Thüringen und Sachsen sei „total bitter“. Es seien weniger die landespolitische Faktoren wahlentscheidend gewesen, glaubt sie. „Es gibt es eine große Unzufriedenheit mit der Bundesregierung. Die Ampel wurde bei den Wahlen abgestraft.“ Der Blick auf die NRW-Kommunalwahl und die Bundestagswahl, die im Herbst 2025 kurz nacheinander stattfinden, bereite ihr das Sorgen. „Die Menschen treiben viele Themen um. Sie haben den Eindruck, dass die Bundesregierung mehr streitet, als die Probleme anzugehen. Das schürt Unsicherheit und Frust.“ Ein entscheidender Faktor sei für sie die Schuldenbremse. „Wir wollen sie ja nicht abschaffen. Aber eine Reform, um Raum für Investitionen zu schaffen, ist notwendig“, sagt sie. Aus Sicht von Sandra Stein habe gerade die FDP die Quittung bei den Wahlen bekommen. „Ganz klar: Wir haben auch verloren. Aber die FDP sollte sich hinterfragen, weshalb sie derart marginalisiert wurde.“ Die Sprecherin der HSK-Grünen rät, jetzt auf die CDU zuzugehen und als Ampelregierung gemeinsam mit der Oppositionsführung eine Lösung in der Fiskalpolitik zu suchen. Die Grünen hätten sich den Jahren der Regierungsbeteiligung viele „schmerzhafte Kompromisse“ eingehen müssen - u.a. in der Asylpolitik. „Das wird aus meiner Sicht in den Debatten nicht ausreichend gesehen.“ In den vergangenen Monaten habe es Verschärfungen gegeben. „Es gibt aber das Gefühl bei den Menschen, dass Stellschrauben nicht funktionieren.“ Es liege aber nicht immer an der deutschen Politik, wenn Abschiebungen nicht stattfinden. „Die Bereitschaft einiger Herkunftsländer, die Menschen aufzunehmen, fehlt auch. Da ist die Diplomatie gefragt. Ich sage aber auch ganz klar: Wir müssen unsere Behörden in dieser Angelegenheit stärken.“ Insgesamt sei in der Bevölkerung das Gefühl entstanden, dass es zu viele soziale Ungerechtigkeiten gibt. „Die Regierung muss sich diesem Thema zuwenden. Das geht über die Asylpolitik hinaus. Viele Menschen haben das Gefühl, ‚Wir bleiben zurück‘.“ Wenn die Bundesregierung es nicht schaffe, in den kommenden Monaten Einigkeit zu demonstrieren und den Menschen Sicherheit zurückzugeben, drohe in einem Jahr auch für die Grünen eine Wahlschlappe. Hält die Ampelkoalition überhaupt bis dahin? Sandra Stein ist sicher: „Ja!“

Otto Strauß

Otto Strauß (AfD): „Wir haben gejubelt.“
Otto Strauß (AfD): „Wir haben gejubelt.“ © FUNKE Foto Services | André Hirtz

„Wir haben gejubelt“, sagt Otto Strauß, der Sprecher der AfD im Hochsauerlandkreis. Die Partei erreichte in beiden Bundesländern mehr als 30 Prozent, in Thüringen wurde sie stärkste Kraft. „Damit haben wir das Recht, dort den Ministerpräsidenten zu stellen“, fordert Strauß. „Dieses Ergebnis sollte man nicht ignorieren.“ Die AfD sieht er in den neuen Bundesländern inzwischen als neue Volkspartei. Einmal mehr kritisierte Strauß die Brandmauer der CDU, also den Beschluss der Christdemokraten, nicht mit der Alternative für Deutschland zusammenzuarbeiten. „Es geht doch um Politik für die Bürgerinnen und Bürger und sie haben so gewählt.“ Die Brandmauer sei „dumm“ und gehöre nicht in eine Demokratie. Strauß erinnert daran, dass die Wahl zum Ministerpräsidenten in geheimer Abstimmung ablaufen werde. „Da werden wir ja sehen, ob nicht doch der ein oder andere CDUler mit uns zusammenarbeiten will.“

Die WP Brilon auf Sociasl Media

Matthias Kerkhoff

Matthias Kerkhoff (CDU): „Die Menschen wollen eine andere Politik.“
Matthias Kerkhoff (CDU): „Die Menschen wollen eine andere Politik.“ © WP Meschede | Jürgen Kortmann

Genau solche Kooperationen lehnt CDU-Kreisvorsitzender Matthias Kerkhoff strikt ab. Er spricht mit Blick auf die AfD von einer „offen rechtsextremen Partei“. Das Wahlergebnis werde nun die ein oder andere „Denksportaufgabe“ bereithalten, kündigt er an. „Das ist keine leichte Situation.“ Vor allem in Thüringen könnte die CDU auf die Unterstützung der Linkspartei angewiesen sei, zu der ebenfalls eine Brandmauer steht. Einerseits erklärt Kerkhoff dazu, dass die Beschlüsse des Parteitags, weder mit AfD noch mit Linkspartei zusammenzugehen, gültig seien. Andererseits sieht er bei der Linkspartei in Thüringen einen moderaten Kurs. Gleichwohl würde er der CDU nicht dazu raten, dort um jeden Preis zu regieren. Dass AfD und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) so viele Stimmen erhalten haben, erklärt sich Kerkhoff mit der Politik der Ampel-Regierung. Sie habe für eine große Unzufriedenheit in der Bevölkerung gesorgt. Die Regierung müsse sich fragen: Wie kommt das eigentlich? Die Antwort des CDU-Kreischefs: „Die Menschen wollen eine andere Politik.“

Carlo Cronenberg

Carlo Cronenberg (FDP): „Wenn die politischen Ränder erstarken, gerät der Liberalismus unter Druck, dies ist historisch belegt und wird durch die Wahlergebnisse bestätigt.“
Carlo Cronenberg (FDP): „Wenn die politischen Ränder erstarken, gerät der Liberalismus unter Druck, dies ist historisch belegt und wird durch die Wahlergebnisse bestätigt.“ © Privat | Privat

Enttäuschung bei den heimischen Liberalen: „Traditionell hat es die FDP in Ostdeutschland schwer. Dennoch ist das sehr schlechte Wahlergebnis gleich in zwei Bundesländern eine Enttäuschung mit Ansage. Wenn die politischen Ränder erstarken, gerät der Liberalismus unter Druck, dies ist historisch belegt und wird durch die Wahlergebnisse bestätigt“, so der FDP-Kreisvorsitzende Carlo Cronenberg. Er betont: Insbesondere auf Drängen der FDP sei zuletzt ein robustes Sicherheitspaket geschnürt werden worden. „Dieses ist der Beleg für erfolgreiche Regierungsarbeit, mit der wir die Probleme in unserem Land angehen. Bis zur Bundestagswahl hat die Umsetzung der Wirtschaftswende oberste Priorität, auch hierfür hat die FDP konkrete Vorschläge auf den Tisch gelegt.“