Brilon/Berlin. In Brilon diskutieren die Grünen mit Fachleuten über die Zukunft des Waldes. Ziel: Ein praxistaugliches und ökologisch nachhaltiges Waldgesetz.
Seit einem halben Jahrhundert ist das Waldgesetz in Deutschland unverändert geblieben. Doch das soll sich bald ändern. Schon vor einiger Zeit hatte Landwirtschaftsminister Cem Özdemir angekündigt, die Regelungen grundlegend überarbeiten zu wollen. Inzwischen hat sich der Prozess deutlich beschleunigt: Erste Gesetzesentwürfe sind nun in die Ressortabstimmung gegangen, wie ein Sprecher des Umweltministeriums bestätigte.
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Dabei zeigt sich: Die Grünen haben offenbar aus früheren politischen Debakeln gelernt. Um eine Wiederholung des Chaos rund um das Heizungsgesetz zu vermeiden, setzen sie dieses Mal verstärkt auf die Expertise der Fachleute vor Ort – also derjenigen, die täglich im Wald arbeiten.
Parlamentarischer Staatssekretär besucht Brilon
Wo könnte man besser über den Wald der Zukunft sprechen als in Brilon, der Stadt mit dem größten Waldbesitz in Deutschland? Genau hier, am Kyrilltor, empfing der Grüne Ortsverband den Bundestagsabgeordneten Dr. Jan-Niclas Gesenhues zur Diskussion. Seit Juli 2022 ist Gesenhues der umweltpolitische Sprecher seiner Fraktion im Bundestag und leitet die Arbeitsgruppe für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Im Februar 2024 wurde er zudem zum Parlamentarischen Staatssekretär im Ministerium von Steffi Lemke (Grüne) ernannt.
Im Vorfeld der Diskussionsveranstaltung betonte Gesenhues im Gespräch mit der Westfalenpost, wie wichtig das Fachwissen vor Ort sei: „Wir brauchen ein neues Waldgesetz, das ist klar. Aber wir wollen auch, dass das so praxistauglich wie möglich wird“, bekräftigt der Staatssekretär gegenüber der Westfalenpost. So müsse ein Ausgleich zwischen der ökologischen und ökonomischen Nutzung gefunden werden. Holz als Brennstoff solle seiner Ansicht nach möglichst vermieden werden, allerdings unterstütze er die stoffliche Nutzung: „Wenn ich das Holz zum Beispiel in einem Fensterrahmen verbaut habe, dann ist das CO2 erst mal darin gebunden“, so Gesenhues, der Holz als „tollen Werkstoff“ bezeichnet.
Gesenhues: „Gesetz muss praxistauglich sein“
Neben den Mitgliedern der Grünen, darunter auch die erst kürzlich designierte Bundestagskandidatin Sandra Stein, waren der Einladung auch das Forstamt der Stadt Brilon mit seinem Leiter Udo Häger gefolgt, sowie Axel Schulte, der Leiter der Biologischen Station.
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In Brilon dreht sich seit geraumer Zeit vieles um den „Wald der Zukunft“. Nach den verheerenden Schäden durch den Borkenkäfer und den Orkan Kyrill, der jeden zweiten Baum betraf, stand die Stadt vor der Frage, wie sie mit ihrem Waldbesitz weitermachen soll. Die Botschaft war klar: Die fetten Jahre sind vorbei. Während Brilon einst kräftige Einnahmen aus dem Holzverkauf verbuchen konnte, ist der Wald heute ein Zuschussgeschäft. Um das zu ändern, setzt man auf Aufforstung mit klimaresilienten Baumarten, die langfristig wieder Gewinne bringen sollen. Die Westfalenpost hat ausführlich über die Bemühungen des Forstamts berichtet, daher hier nur kurz: Statt Kiefer und Buche, die Forstamtsleiter Udo Häger als Risikobaumarten bezeichnet, sollen künftig auch fremde Baumarten wie Douglasie, Küstentanne und Roteiche gepflanzt werden.
Ist die Douglasie keine Bereicherung?
Doch nicht alle teilen diese Sicht. Axel Schulte, Leiter der Biologischen Station, äußert klare Bedenken. Die Douglasie, so Schulte, sei in einem Fauna-Flora-Habitat-Gebiet fehl am Platz: „Ich sehe die Douglasie da nicht als Bereicherung.“ Auch die Buche dürfe nicht vorschnell abgeschrieben werden, mahnt er. Udo Häger vom Forstamt sieht das differenzierter: „Wir sprechen seit 2002 über den Klimawandel. Die Buche ist eine Sackgasse, aber das heißt nicht, dass wir sie ganz aufgeben. Nächstes Jahr pflanzen wir auch Buchen.“
Hinter dieser Diskussion stecken grundlegend unterschiedliche Erwartungen an den Wald: Die einen sehen ökonomische Interessen, andere priorisieren den Umweltschutz, wieder andere schätzen den Wald als Ort der Erholung. Diese Spannungen spiegeln sich auch im Entwurf des neuen Bundeswaldgesetzes wider. Ursprünglich als große Reform angekündigt, wurde daraus letztlich nur eine punktuelle Änderung bestehender Regelungen. Laut Ministerium wurden „Anmerkungen der anderen Ressorts aus der ersten Ressortabstimmung berücksichtigt“. Das Ergebnis: Der Wald wird weiterhin als Ökosystem betrachtet, aber auch als Ort der Erholung und Wirtschaftsgut.
Naturschutzverbände kritisieren das Gesetz
Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Naturschutzverbände wie der Deutsche Naturschutzring (DNR) reagierten enttäuscht. „Die überfällige Novelle des Bundeswaldgesetzes kommt endlich einen Schritt voran, aber der Entwurf ist enttäuschend und inhaltlich stark verwässert“, so DNR-Geschäftsführer Florian Schöne zur dpa. Auch BUND und Nabu zeigen sich wenig begeistert und lehnen den Vorschlag in seiner jetzigen Form ab.
Nach dem Borkenkäfer könnte der Forst bald vor einer neuen Bedrohung stehen. Armin Schubert, Stadtverbandsvorsitzender der Grünen, warnte vor einem Schädling aus Asien, der vermutlich eingeschleppt wurde. Im Forstamt kennt man das Problem: „Der Asiatische Laufenbock kam wohl über importierte Pflanzen oder Paletten hierher. Wenn er sich ausbreitet, droht der heimische Baumbestand ernsthaft gefährdet zu werden.“ Besonders Laubbäume wie Ahorn, Pappel und Birke seien anfällig, da die Larven tief ins Holz vordringen und die Bäume zum Absterben bringen.
Einen kleinen Anfang zur Wideraufforstung machte auch Jan-Niclas Gesenhues bei seinem Besuch in Brilon und pflanzte eine neue Marone im Briloner Bürgerwald.