Hochsauerlandkreis. Die Apothekenzahlen haben ein Rekordtief erreicht - und sinken weiter. Auch im Hochsauerland bewertet Apotheker Jürgen Schäfer die Lage kritisch.

„Ein trauriger Trend setzt sich unverändert fort. Erstmals hat Westfalen-Lippe die Schwelle von 1.700 Apotheken unterschritten“, schreibt die Apothekerkammer Westfalen-Lippe in einer Pressemitteilung vom vergangenen April. Und tatsächlich sprechen die Zahlen auf erschreckende Weise für sich: Im Hochsauerlandkreis hat sich die Zahl der Apotheken innerhalb der vergangenen 15 Jahre um mehr als ein Viertel verringert. Jürgen Schäfer, Apotheker aus Winterberg und Sprecher der Apothekerkammer für den Altkreis Brilon, ist alarmiert:

Drastische Zahlen: Apotheken sterben im HSK aus

„Anfangs wurde das Thema Apothekensterben nicht ernst genommen. Heute sieht das anders aus“, erklärt der Eigentümer der Franziskus Apotheke in Winterberg. Vor allem dünn besiedelte, ländliche Gebiete würden von dieser Entwicklung hart getroffen, die kleineren Apothekenbetriebe bekämen es zuerst zu spüren: „Die Versorgung fällt nach und nach in sich zusammen.“

Gab es im Jahr 2014 im Hochsauerlandkreis noch 76 Apotheken, sind es zum Jahresbeginn 2024 nur noch 59, wie die Apothekerkammer Westfalen-Lippe mitteilt. Bis Ende Juni schlossen in diesem jahr bereits drei weitere Apotheken, übrig sind jetzt nur noch 56. Und die Zahlen sinken weiter: „Bis zum Jahresende wird in Medebach noch eine weitere Apotheke schließen“, erklärt Jürgen Schäfer.

Apotheker-Honorare seit 20 Jahren nicht angepasst

Für das Rekordtief an Apotheken gibt es mehrere Gründe, wie Jürgen Schäfer erläutert. Einer der wichtigsten sei das Geld: „Seit 20 Jahren hat es keine Erhöhung der Honorare mehr gegeben.“ Mit Blick auf die Inflationsrate, die um bis zu 60 Prozent gestiegenen Personalkosten und eine Mietkostensteigerung von mindestens 50 Prozent sei keine Grundlage mehr für einen wirtschaftlichen Betrieb von Apotheken gegeben. Deshalb sei eine neue Betriebsgründung für Apotheker unattraktiv. Damit die verbliebenen Apotheken sich halten können und bessere Rahmenbedingungen für Neugründungen gegeben werden, „muss unbedingt mehr Geld in das System fließen“, so Jürgen Schäfer.

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Eine weitere Ursache für das Apothekensterben insbesondere auf dem Land sei das fehlende Personal. „Viele Kollegen werden abgeworben, vor allem die jüngeren“, erklärt der Pharmazeut aus Winterberg. Dass Fachkräfte zunehmend in die Industrie oder auf den Pharmamarkt abwandern, liege auch an den Arbeitsbedingungen: Dadurch, dass immer mehr Apotheken schließen, steige die Arbeitsbelastung in den verbliebenen Apotheken für die Mitarbeiter auf ein unzumutbares Maß. Und dem gegenüber stünden, wieder einmal, die niedrigen Löhne: „Sie bekommen zu wenig Geld für zu viel Arbeit. Das Personal kann so nicht gehalten werden.“ Und auch die Digitalisierung trage ihren Teil zu der Belastung bei: Das E-Rezept sorge bei den Mitarbeitern in erster Linie für Mehraufwand, da das System nicht immer verlässlich funktioniere.

Jürgen Schäfer, Inhaber der Franziskus Apotheke Winterberg, ist alarmiert: Immer mehr Apotheken müssen ihren Betrieb schließen.
Jürgen Schäfer, Inhaber der Franziskus Apotheke Winterberg, ist alarmiert: Immer mehr Apotheken müssen ihren Betrieb schließen. © Franziskus Apotheke Winterberg | Franziskus Apotheke Winterberg

Und schließlich sei auch die Apothekenbranche genauso wie andere Branchen von dem demografischen Wandel betroffen: „Es gibt eine Überalterung unter den verbleibenden Apothekern“, so Jürgen Schäfer. Zu wenige junge Fachkräfte würden nachrücken, die älteren Kollegen kämen aufgrund der hohen Kundenbetreuungsrate und den Herausforderungen, vor die sie die Digitalisierung stelle, schnell an ihre Grenzen. Es gebe insgesamt zu wenig Anreize für Nachwuchskräfte, diesen Beruf zu ergreifen. „Es mangelt an Wertschätzung seitens der Politik. Das schlägt große Wellen.“

Situation der Apotheken ist alarmierend

„Die Entwicklung ist sehr alarmierend“, wie Jürgen Schäfer betont. Die geplante Apotheken-Reform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach, nach welcher die Kundenbetreuung in den Apotheken in einer „light-Version“ zukünftig nur noch von pharmazeutisch-technischen Angestellten übernommen und ein Apotheker bei Bedarf online dazugeschaltet werden solle, sei nach Meinung Jürgen Schäfersvollkommen unrealistisch. „Das wird nicht funktionieren.“

Immer weniger Apotheken, immer größere Entfernungen und weitere Fahrtwege für die Kunden: Jürgen Schäfer sieht die pharmazeutische Versorgung der Menschen im Hochsauerlandkreis akut gefährdet. Dabei habe der Staat die Verpflichtung, die Versorgung mit Arzneimitteln für die Bevölkerung überall in Deutschland in ausreichendem Maße sicherzustellen. Der Sparkurs, den die Regierung bei den Apotheken fahre, falle letztendlich auf die Menschen und ihre Gesundheit zurück: „So werden kranke Menschen herangezüchtet,“ befürchtet Jürgen Schäfer. Und betont die Wichtigkeit, dass wieder und wieder an die Regierung appelliert werden müsse: „Es kann so nicht weitergehen!“

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