Olsberg/Bonn. Streikende Arbeiter, hitzige Verhandlungen: Die Süßwarenindustrie erlebt unruhige Zeiten. In Olsberg steht die Snackproduktion am Dienstag still.

Erdnüsse, Lakritze, Kaubonbons und Kekse oder Printen – in Deutschlands Süßwarenindustrie sind rund 60.000 Menschen in mehr als 200 Betrieben fleißig damit beschäftigt, Verbraucherinnen und Verbrauchern das Leben zu versüßen oder den Appetit auf Salziges zu befriedigen. In sechs von neun Regionen der Republik finden gerade Tarifverhandlungen in der Branche statt. In NRW kracht es gerade.

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In einigen Unternehmen streikt die Belegschaft, die Erdnussbänder stehen still. Der Grund: Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) fordert 9,9 Prozent mehr Lohn und Gehalt, mindestens jedoch ein Plus von 360 Euro pro Monat für jede Beschäftigte und jeden Beschäftigten. Das Angebot der Arbeitgeber ist von der Gewerkschaftsforderung weit entfernt. Es bewegt sich in etwa in Höhe der Inflationsrate vom Sommer, also bei rund 2,3 Prozent.

Etwa 50 Personen sind zu dem Streik nach Olsberg gekommen. 
Etwa 50 Personen sind zu dem Streik nach Olsberg gekommen.  © WP | Franz Köster

Das stieß der Gewerkschaft NGG und den Belegschaften in den Fabriken so sauer auf, dass es bereits nach der ersten Verhandlungsrunde in den vergangenen Wochen mehrfach zu Warnstreiks kam. Vor zwei Wochen etwa in Aachen, wo die Hersteller Lindt und Lambertz zu Hause sind, am Montag bei Storck in Ostwestfalen und am Dienstag unter anderem bei Intersnack im Werk in Olsberg im Hochsauerland, wo salzige Erdnüsse produziert werden.

Arbeitgeber: „Ungewöhnlich und befremdlich“

„Aus unserer Sicht sind diese Warnstreiks sehr ungewöhnlich und befremdlich“, sagt die Sprecherin des Bundesverbands der Süßwarenindustrie (BDSI), der seinen Sitz in Bonn hat. Die wirtschaftliche Situation der Branche sei „nicht gut“, betont die Sprecherin des BDSI. Dabei stieg der Umsatz der Inlandsproduktion im vergangenen Jahr um 13,3 Prozent auf mehr als 16 Milliarden Euro, lediglich das Exportgeschäft entwickelte sich leicht negativ. Tatsächlich stiegen in den vergangenen Jahren die Kosten für Rohstoffe wie Kakao, Kakaobutter oder Zucker enorm. Die Arbeitgeber erwarteten in den Tarifverhandlungen „Realitätssinn und Augenmaß“, sagt Mario Mundorf, Geschäftsführer des BDSI.

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In Olsberg ist es am Streiktag brütend heiß. 37 Grad zeigt das Thermometer im Auto. Vor den Toren der Firma Intersnack in Olsberg an der Industriestraße sind ein paar Pavillons mit dem Logo der Gewerkschaft NGG aufgebaut, um die Streikenden vor der heißen Mittagssonne zu schützen. Olaf Müller, Betriebsratsvorsitzender in Olsberg, kann die Hitze nichts anhaben. Im Gegenteil: Der Vorsitzende steht hinter dem großen Grill und verteilt Grillwürstchen an die etwa 50 Teilnehmer, während gerade der IG-Metallvorsitzende Helmut Kreutzmann ein Grußwort an die Anwesenden richtet. „Ich bin die Hitze gewohnt, die Röstanlagen werden ja auch ziemlich heiß in der Halle“, so Müller. Aber auch die heiße Phase des Arbeitskampfes ist für den Ostdeutschen bekanntes Terrain: „Ich bin jetzt seit 26 Jahren im Betriebsrat hier in Olsberg und insgesamt seit 31 Jahren im Betrieb“, so Müller, der in den 90er Jahren aus Dresden nach Olsberg umsiedelte.

Olaf Müller ist Vorsitzender des Betriebsrates und seit 31 Jahren bei der Firma Intersnack beschäftigt. Seit 26 Jahren sitzt er im Betriebsrat. 
Olaf Müller ist Vorsitzender des Betriebsrates und seit 31 Jahren bei der Firma Intersnack beschäftigt. Seit 26 Jahren sitzt er im Betriebsrat.  © WP | Franz Köster

Rekordgewinner innerhalb der Branche

Den Arbeitgebern wirft er vor, die Mitarbeiter trotz Rekordgewinnen kleinhalten zu wollen: „Wir haben es in den letzten Jahren mit massiven Kostensteigerungen zu tun gehabt. Lebensmittel und Energie – alles wird teurer. Gleichzeitig macht sich mancher Hersteller noch zusätzlich die Taschen voll, indem er die Verpackungen verkleinert. Und das spüren unsere Angestellten in ihrer Brieftasche. Und das, während die Arbeitgeber Rekordumsätze einfahren“.

Schon im letzten Jahr wurde daher gestreikt. „Durchaus erfolgreich“, wie Müller findet. Für Alexandra Djuric war es daher schon der zweite Streik, an dem die junge Frau teilnahm: „Mir ist es wichtig, dass wir als Mitarbeiter gemeinsam an einem Strang ziehen“, so die 31-Jährige zu ihrer Motivation, an diesem Streik teilzunehmen. Auch der vorangegangene Erfolg im letzten Jahr hat zu dieser Entscheidung beigetragen: „Und da hat es ja geklappt“, so Djuric, die als Ersatzmitglied im Betriebsrat vertreten ist.

Maßgeblich verantwortlich für einen möglichen Verhandlungserfolg ist Mohamed Boudih, der Landesbezirksvorsitzende der NGG in NRW und Verhandlungsführer gegenüber dem Arbeitgeberverband BDSI, der an diesem Tag nach Olsberg angereist war.

Mohamed Boudih ist Landesbezirksvorsitzender der NGG in NRW und Verhandlungsführer bei der aktuellen Tarifauseinandersetzung. 
Mohamed Boudih ist Landesbezirksvorsitzender der NGG in NRW und Verhandlungsführer bei der aktuellen Tarifauseinandersetzung.  © WP | Franz Köster

Arbeitgeber haben kein Angebot abgegeben

Ihn und viele Mitarbeiter hat vor allem eine Tatsache wütend gemacht: „Wir hatten den ersten Verhandlungstermin und wir haben von den Arbeitgebern nicht mal ein Angebot bekommen“, so der Landesvorsitzende. Insgesamt nehmen laut Auskunft von Boudih knapp 40 Personen an den Verhandlungen teil. Auch er findet, dass die Mitarbeiter an den gestiegenen Umsätzen teilhaben sollten: „Die Umsätze sind drastisch gestiegen und die Aussichten sind aus unserer Sicht gut. Die Branche floriert und am Ende macht uns der Arbeitgeber nicht mal ein Angebot“, ärgert er sich immer noch über die Haltung der Arbeitgeber. Das sei auch der Grund für den frühen Warnstreik: „In manchen Berufsgruppen sind wir aktuell viel zu nah am Mindestlohn. Wir brauchen einen Tarifabschluss, der sich spürbar in den Brieftaschen der Mitarbeiter bemerkbar macht. Wir brauchen einen Kaufkraftsprung“, so Boudih.

Auch, so sieht es der Betriebsratsvorsitzende Olaf Müller, um weiterhin neue Mitarbeiter anwerben zu können: „Aktuell sind wir permanent auf der Suche nach neuen Mitarbeitern“, weiß Müller.

Die Westfalenpost Brilon auf Social Media

Was den Arbeitskampf angeht, ist er dezent optimistisch: „Ich gehe davon aus, dass die Arbeitgeber sich mit einem Angebot an uns wenden, welches nah an unseren Forderungen liegt“, so seine Prognose. Die Firma Intersnack wollte sich auf Anfrage der Westfalenpost nicht zu dem Streik äußern und verwies auf den Arbeitgeberverband BDSI.

Intersnack Mitarbeiterin Alexandra Djuric findet:
Intersnack Mitarbeiterin Alexandra Djuric findet: "Es ist wichtig, dass alle an einem Strang ziehen." © WP | Franz Köster

Die nächsten Verhandlungen sind für den 4. September angekündigt. Für den Fall, dass es an diesem Tag kein verhandlungsbereites Angebot geben sollte, hat die NGG schon harte Konsequenzen angekündigt: „Wenn die Arbeitgeber wollen, dass es wehtut, dann wird es weh tun. Und zwar so richtig – noch in diesem Jahr“, so Isabell Mura, die stellvertretende Landesbezirksvorsitzende der NGG.