Brilon/Olsberg. Entlassungen in Wellen bei Oventrop in Brilon und Olsberg. Gewerkschaft und Betriebsrat sind entsetzt. Die Geschäftsführung rechtfertigt sich.
Bei Oventrop werden im Hochsauerlandkreis mehr Menschen entlassen, als bisher bekannt. Nun sollen 205 Menschen ihren Job in Brilon und Olsberg verlieren. Bislang war von rund 175 Stellen die Rede. An beiden Standorten arbeiteten zuletzt rund 1000 Menschen. Die Entlassungen finden in mehreren Wellen statt. Betriebsrat und Gewerkschaft sind entsetzt. „Wir erkennen keinen roten Faden“, sagt Helmut Kreutzmann. 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Olsberg. Die Belegschaft sei verunsichert. „Die Stimmung liegt zwischen Angst und Resignation oder auch Apathie“, stimmt Oventrop-Betriebsratschef Wolfgang Geilen zu.
Massenentlassungen bei Oventrop: Erste Pläne vor zehn Monaten
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Die Firma Oventrop plant seit rund zehn Monaten einen massiven Stellenabbau, der vor allem die Produktionsstandorte Brilon und Olsberg betreffen wird. Der Grund: Eine Umstellung in der Produktion. Im Sauerland wird die Produktion am Standort Brilon konzentriert. Dort sollen künftig zwei der drei geplanten Segmente ihr zu Hause finden. Zusätzlich sollen die Vollautomaten-Dreherei und die Kunststofffertigung als sogenannte Kompetenzzentren von Brilon aus Vorprodukte in die einzelnen Segmente liefern. Das dritte Segment wird im polnischen Szydtowiec aufgebaut, wo Oventrop seit 2021 ein Werk betreibt
„Es ist mir schleierhaft, von wem sich die Geschäftsführung beraten lässt. So etwas an Planlosigkeit habe ich noch nicht erlebt.“
„Auf der Mitarbeiterversammlung am 19. Juni in Brilon haben wir darüber informiert, dass insgesamt 205 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen. Dies bezieht sich auf die strukturellen Anpassungen in der Produktion und Verwaltung, die wir bereits auf einer Mitarbeiterversammlung im Februar 2024 und für die Produktion bereits im September 2023 angekündigt hatten. Somit befinden wir uns in der Umsetzungsphase zu den bereits angekündigten strukturellen Maßnahmen aus Herbst und Winter und in keiner neuen Maßnahme“, sagt Oventrop-Marketingchef Christian Rohrlack. In den vergangenen Monaten hätten Oventrop und der Betriebsrat in sechs Terminen versucht, hierzu eine Einigung zu erreichen. Dies gelang nicht; daher sei - wie es gesetzlich vorgeschrieben ist - gemeinsam eine Einigungsstelle eingesetzt. „In den bisherigen drei Terminen der Einigungsstelle zwischen Oventrop und dem Betriebsrat haben wir versucht, eine Lösung zum Interessenausgleich und Sozialplan zu erreichen. Es konnte keine Einigung zu einem Interessenausgleich gefunden werden; daher wurden diese Gespräche beendet. Die Verhandlungen zum Sozialplan werden in der Einigungsstelle fortgesetzt“, so Rohrlack weiter.
Massenentlassung bei Oventrop: Angst, dass die Pläne weitergehen
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Gewerkschaftschef Kreutzmann kritisiert indes die Gesprächskultur mit der Oventrop-Geschäftsführung in den Verhandlungsrunden mit scharfen Worten. „Es ist mir schleierhaft, von wem sich die Geschäftsführung beraten lässt. So etwas an Planlosigkeit habe ich noch nicht erlebt.“ Die Geschäftsführung habe bislang keine Beschäftigungsgarantien abgegeben, was sinnvoll sei, um Personal an den Standorten im Sauerland zu halten. Unter der Belegschaft steige die Unsicherheit und die Befürchtung, dass womöglich doch eine komplette Verlagerung der Produktion ins Ausland möglich sei. Ein Szenario, das auch Kreutzmann beschäftigt: „Mich hat noch niemand überzeugt, dass die Geschäftsführung am Ende die Produktion nicht komplett verlagern wird.“ Es hätten bereits Mitarbeiter durch eigene Kündigung das Unternehmen verlassen.
Dass die Entlassungen wellenartig stattfinden, sorge darüber hinaus für eine erhebliche Unruhe in der Belegschaft. Kreutzmann nennt ein Beispiel: Im Juni sei 34 Mitarbeitern mitgeteilt worden, dass sie ihren Job verlieren. Oventrop habe es aber versäumt, dies beim Arbeitsamt anzuzeigen, was der Gesetzgeber aber vorsieht. Daher musste, so Kreutzmann, einigen Mitarbeitern mitgeteilt werden, dass sie doch noch nicht in diesem Monat ihre Papiere bekommen. „Das ist doch mehr als chaotisch“, schimpft Kreutzmann. Und weiter: „So etwas habe ich in all den Jahren nicht erlebt.“ Auch Betriebsratschef Geilen kritisiert das Vorgehen. „Wir bekommen in den Gesprächen keine klaren Fakten vorgelegt. Wir sehen nicht, wohin der Weg führen soll. Das ist frustrierend.“
„Wir bedauern es sehr, dass wir diese Entscheidungen treffen müssen und wir wissen, wie schmerzlich sie für alle Betroffenen sind. Sie sind jedoch erforderlich für die Zukunftssicherung des Unternehmens. “
Rohrlack weist unterdessen auf die aus Unternehmenssicht Notwendigkeit des Stellenabbaus hin. „Oventrop stellt sich neu auf, um auch in Zukunft wirtschaftlich gesund und wettbewerbsfähig zu sein. Hierfür hat das Unternehmen eine langfristige Strategie entwickelt, mit der zum einen die aktuelle konjunkturelle Krise überwunden werden kann und gleichzeitig langfristig Arbeitsplätze in Deutschland und an den anderen Standorten der Oventrop-Gruppe gesichert werden. Oventrop setzt dabei auf Internationalisierung, eine Fokussierung auf die Kernkompetenzen des Unternehmens und den Aufbau einer modernen und effizienten Produktion an den Standorten in Brilon und Szydłowiec. Die geplanten und nun umzusetzenden Maßnahmen werden von allen Gesellschaftern getragen. Diese Veränderungen sind leider auch mit einem Stellenabbau an den Standorten Brilon und Olsberg verbunden. So schmerzlich diese Entscheidungen sind; sie sind leider erforderlich, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und damit auch Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern.“ Generell sei dem Unternehmen wichtig, dass schnell Klarheit für die Betroffenen bestehe. „Dazu wurden auch Angebote für Auflösungsverträge seitens Oventrop unterbreitet. Wir bedauern es sehr, dass wir diese Entscheidungen treffen müssen und wir wissen, wie schmerzlich sie für alle Betroffenen sind. Sie sind jedoch erforderlich für die Zukunftssicherung des Unternehmens.“
Massenentlassungen bei Oventrop: Unternehmen will im Sauerland investieren
Und diese Zukunft, sichert Rohrlack zu, sei fest mit dem Standort Sauerland verbunden. „Wir haben auf der Mitarbeiterversammlung gesagt, dass wir an den Standort glauben und im Sauerland auch weiter investieren werden. Die seit rund zehn Monaten anhaltenden Debatte um die Produktionsverlagerung und den Stellenabbau haben für das Unternehmen spürbare Konsequenzen, was z.B. den Ausbildungsmarkt angeht. „Wir bemerken eine sehr starke Zurückhaltung“, sagt Rohrlack. Der Ruf der Firma Oventrop sei beschädigt. „Ich bedauere das sehr, denn wir sind weiterhin eine gute Adresse für Ausbildung, Studium und eine langfristige berufliche Perspektive.“