Siedlinghausen. Regelmäßig fährt Sebastian Schmidt als Fluthelfer an die Ahr. Der Siedlinghauser Gastwirt ist erschüttert über das Ausmaß der Katastrophe.

Normalerweise sorgt Sebastian Schmidt in seinem Bistro „Grüner Apfel“ dafür, dass es seinen Gästen gut geht: Er backt Pizza, kocht leckere Pasta oder bruzzelt Schnitzel und Pommes. Doch zurzeit widmet sich der Siedlinghauser Gastwirt einer zusätzlichen Aufgabe: Jede Woche reist er als freiwilliger Fluthelfer für zweieinhalb Tag an die Ahr.

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Verheerende Zerstörung

Als er vor vier Wochen nach der verheerenden Flut ins Ahrtal fährt, ahnt der 44-Jährige noch nicht, wie schlimm die Situation vor Ort tatsächlich ist. „Man kann kaum in Worte fassen, wie es dort aussieht. Und auch die Bilder, die man im Fernsehen sieht, zeigen nicht das Ausmaß der Zerstörung. Es sieht aus wie nach einem Krieg“, erzählt Sebastian Schmidt. Wenn er das sagt, weiß er, wovon er spricht, denn 1999 war er im Rahmen eines Bundeswehreinsatzes in Sarajevo.

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Durch die Flut sind unzählige Weinflaschen total verschlammt worden. Helfer reinigen sie.
Durch die Flut sind unzählige Weinflaschen total verschlammt worden. Helfer reinigen sie. © Unbekannt | Sebastian Schmidt

Wenn Sebastian Schmidt von der Situation im Winzerdorf Mayschoss im Landkreis Ahrweiler (Rheinland Pfalz) spricht, merkt man dem Sauerländer an, wie schockierend und verzweifelt die Lage der Menschen dort ist. „Ich hatte es mir schlimm vorgestellt, aber das hatte ich nicht erwartet“, berichtet der Siedlinghauser. Den Anstoß, vor Ort zu helfen, bekam er über einen Facebook-Aufruf von Karsten Hesse, der mit anderen Helfern aus dem Sauerland an der Ahr gewesen war und weitere Mitstreiter suchte. Spontan entschloss Sebastian Schmidt sich, für ein paar Tage in die Katastrophen-Region zu fahren und selbst mit anzupacken.

Flaschen sind im Schlamm versunken

Und so kam er zur Winzergenossenschaft Mayschoss/Altenahr, deren Gebäude von der Flut auf drei Ebenen komplett überflutet wurden. Geschätzt mehr als zwei Millionen Flaschen Wein versanken dort unter Schlamm-Massen, Inventar, elektrische Leitungen und die Wasserversorgung wurden zerstört, erzählt Sebastian Schmidt. Der 44-jährige gelernte Maschinenschlosser packte sofort mit an und macht seitdem das, was gerade am dringendsten nötig ist: Schlamm beseitigen, Flaschen spülen, aufräumen, Reparaturarbeiten…

Shuttle-Service für Helfer

Wer helfen möchte, kann sich auf der Internetseite: www.ahrtal.de/flut-hilfe informieren. Dort finden sich Möglichkeiten zur Geldspende, aber auch zum tatkräftigen Arbeitseinsatz. Dort heißt es, dass der beste Weg, genau dort mit anzupacken, wo die Hilfe am dringendstens benötigt wird, über das Helfer-Shuttle ist: helfer-shuttle.de. Wer mit Sebastian Schmidt Kontakt aufnehmen möchte, kann sich per E-Mail an ihn wenden: basti@bistro-pizza.de.

Reinigungsarbeiten

In all‘ dem Chaos arbeiten die Helfer daran, den Wein, der in der Winzergenossenschaft gelagert wurde, zu retten. „Erstaunlicherweise sind kaum Flaschen kaputt gegangen. Wir holen sie aus dem Schlamm und reinigen sie. Das, was noch verwendbar ist, wird als Flutwein verkauft“, erzählt Sebastian Schmidt. Es sei wichtig, dass die Aufräumarbeiten vorangehen, denn bald beginnt die Weinernte. Die Winzergenossenschaft Mayenschoss sei übrigens die älteste in Deutschland und wurde 1868 gegründet. „Die Jahreszahl steht auf den Flaschen drauf, die wir reinigen. Deshalb weiß ich das“, so der Fluthelfer.

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Die Gebäude der Winzergenossenschaft Mayschoss sind auf drei Ebenen überflutet worden. Hier ist Sebastian Schmidt als Fluthelfer im Einsatz.
Die Gebäude der Winzergenossenschaft Mayschoss sind auf drei Ebenen überflutet worden. Hier ist Sebastian Schmidt als Fluthelfer im Einsatz. © Sebastian Schmidt | Sebsatian Schmidt

Eigentlich wollte er nur einmalig zum Arbeitseinsatz an die Ahr fahren. Doch unter dem Eindruck der Katastrophen-Situation kam es anders: „Als ich gesehen habe, wie schlimm die Lage ist, habe ich beschlossen, weiter zu machen.“ Und seitdem setzt er sich, wenn montags abends der „Grüne Apfel“ geschlossen ist, in sein Auto und fährt ins Ahrtal. Dort hat er einen Camping-Platz gefunden, auf dem er übernachten kann. Deshalb gibt es dienstags zurzeit nur Pizza im „Grünen Apfel“. Mittwochs hat sein Bistro Ruhetag, donnerstags öffnet er um 17.30 Uhr. Bis dahin ist er wieder zurück. Auch, wenn zu Hause einiges liegen bleibt, so hat er doch die Erfahrung gemacht: „Wenn man mit eigenen Augen sieht, was dort los ist, relativiert sich einiges.“

Schicksale, die berühren

Vor der Flut-Katastrophe kannte Sebastian Schmidt das Ahrtal nur vom Hörensagen. Inzwischen hat er dort viele Menschen kennen gelernt. Viele von ihnen haben alles verloren: Ihr Haus, ihre Existenzgrundlage oder sogar Menschen, die ihnen nahestanden. Sebastian Schmidt: „Das sind Schicksale, die einem berühren.“ Deshalb hat sich der Siedlinghauser entschlossen, wie auch andere Menschen, Vereine, Firmen und Gruppen aus dem ganzen Sauerland, aktiv zu werden und den Flutopfern zu helfen. Und sie alle haben wahrscheinlich eine ähnliche Erfahrung gemacht wie Sebastian Schmidt: „Die Menschen dort sind total dankbar für die Hilfe, die sie bekommen.“ +++Weitere Berichte aus dem Altkreis Brilon finden Sie hier +++