Brilon. Um in Brilon den Wald neu aufzubauen, muss der Wildbestand verringert werden. Das fordert Bürgermeister Dr. Bartsch. Es gibt weitere Konflikte.
„Waldbau für die Zukunft wird nur gelingen, wenn wir angepasste Wildbestände haben. Das haben wir zur Zeit in weiten Teilen nicht.“ Für den Bürgermeister vonBrilon, Dr. Christof Bartsch, ist es nicht nur das aus der Wirtschaftstheorie bekannte „Magische Viereck“, mit dem den Interessen von Wald und Waldnutzern gerecht zu werden sei, sondern gleich ein „Magisches 12-Eck“.
Ziel: die Multifunktionalität des Waldes zu erhalten. Sollen sie doch auch weiterhin CO speichern, den Boden schützen, Wasser liefern, Einkommen sichern, erneuerbare Energien liefern sowie der Erholung und Freizeit dienen. Dass dabei „widerstreitende Interessen“ aufeinander prallen, sei ihm „völlig klar“, so der Bürgermeister im Forst- und Umweltausschuss, aber: „Ich bin sicher, dass wir einen Kompromiss finden.“ Wichtig sei ihm, einen öffentlichen Dialogprozess zu führen und dabei Konflikte aktiv anzugehen.
Neben der Jagd ist das Thema Mountainbike Diskussions-Dauerbrenner
Dazu hat die Stadt des Waldes schon vor zwei Jahren einen Runden Tisch eingerichtet. Dabei tauschen sich Experten aus den verschiedenen Interessenbereichen mit Vertretern aller vom Thema Wald tangierten Gruppen, Bürgern und der kommunalen Politik aus. Dr. Bartsch: „Wichtig ist, dass alle mitmachen.“ Angesichts der jetzt zu treffenden Entscheidungen, die sich sich auf 80 bis 100 Jahre auswirken, komme es auf ein halbes Jahr nicht an.
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Neben der Jagd ist das Thema Mountainbike ein emotionaler Diskussions-Dauerbrenner. Aktuell steht eine Grundsatzentscheidung zur Erweiterung des Trailgrounds am Bilstein an. Das soll nach Brilon-Wald hin erweitert und mittelfristig an den hessischen „Grenztrail“ - ein 20-Millionen-Euro-Projekt - angeschlossen werden.
Stadtforst erstellt Leitbild
Bis Ende Juni will der Stadtforst ein Waldbaukonzept ausarbeiten. Dazu erstellen die Revierleiter derzeit ein Leitbild, das zum einen die individuellen Charakteristika ihrer Reviere umfasst und auch die aktuellen Vorgaben von Land, Bund sowie EU aufgreift. Angesichts der massiven Schäden, die in den vergangenen vier Jahren Borkenkäfer und Trockenheit in den Beständen angerichtet haben, müsse bei der Wahl der Baumarten und deren Anpflanzung auf Klimaresistenz und Klimaresilienz Wert gelegt werden. Dazu gehöre schon jetzt, so Dr. Bartsch „alte Buchenbestände aus der Nutzung herauszunehmen“.
Kalamitätsfolgen
Durch den Borkenkäfer ist in dem 7750 Hektar großen Stadtwald seit 2018 eine Schadensfläche von rund 2300 Hektar entstanden.Bis Ende 2021 hat der Stadtforstbetrieb mit rund 772.500 Festmetern Schadholz gerechnet.Das entspricht der Menge, die sonst in 23 Jahren geschlagen wird.Etwa 75 Prozent des Fichtenvorrats sind verloren gegangen.Die Stadt rechnet mit Wiederbewaldungskosten in Höhe von 10 bis 15 Millionen Euro.
Wie Revierleiter Franz-Josef Schenuit, zuständig für das Forstrevier Scharfenberg-Altenbüren, sagte, sei geplant, den Fichtenanteil im Stadtwald von bisher 70 auf etwa 30 Prozent zu reduzieren. Stattdessen sollen verstärkt heimische Arten wie Lärche, Buche und Eiche angepflanzt werden. Dabei kann man richtig Pech habe, wie im Ausschuss zur Sprache kam. So seien 90 Prozent der im vergangenen Frühjahr in seinem Revier frisch gepflanzten Eichen nicht angegangen. Die gelieferte Qualität sei „richtig schlecht“ gewesen: man habe die Setzlinge gar nicht richtig anbinden können. In diesem Frühjahr wird der Lieferant Nachbesserungen vornehmen.
32 Baumarten für Anpflanzung ausgesucht
Für dieses Jahr hat der Stadtforst 336.005 Setzlinge aus 32 Baumarten für die Anpflanzung geordert - 2018 waren es lediglich 12. Für 113.888 Setzlinge sind Einzelschutzmaßnahmen wie Wuchshüllen vorgesehen, außerdem sollen die neuen Kulturen mit insgesamt 26,7 Kilometern Wildschutzzäunen abgesichert werden.
Halbieren soll sich in diesem Jahr der Käferholzeinschlag. Im vergangenen Jahr waren 282.000 Festmeter angefallen, etwa die achtfache Menge eines früher üblichen Jahreseinschlags. Für dieses Jahr rechnet der Stadtforst noch mit rund 130.000 Festmetern Schadholz.
Viele Waldwege völlig zerfahren
Der Abtransport dieser gewaltigen Holzmengen hat auf den Waldwegen Spuren hinterlassen. Manche Lkw-Fahrer würden dabei „ohne Sinn und Verstand“ vorgehen, sagte im Ausschuss Lukas Wittmann (CDU) aus Scharfenberg.
Der Stadtforst habe das zwar im Blick und sperre bei Bedarf auch schon mal Strecken, wie Revierleiter Franz-Josef Schenuit sagte. Aber manchmal kommen zehn Lkw im Konvoi, die suchen sich dann über Navi einen anderen Weg. Dabei achten sie nicht auf das Wetter und sie packen ihre Lkw „bis oben hin voll“. Während auf Forstwirtschaft eingestellte Fuhrunternehmen wenigstens Fahrzeuge mit Zwillingsreifen benutzen, bei denen sich der Druck verteilt, pflügen viele andere mit einfacher Bereifung über die Waldwege.
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Was hinzu kommt: Oft betrifft das Fahrer aus Osteuropa und mit denen, so Schenuit, „kann man nicht reden“. Wie Stephan Becker vom Stadtforstbetrieb sagte, stehe man mit einigen Holzkunden in wegen der Schadensregulierung in Verhandlungen: „Das klappt auch meistens. Aber es gibt auch schwarze Schafe, derer wir nicht habhaft werden können.“
Die Stadt will für die Aufbereitung der Waldwege eine ähnliche Prioritätenliste erstellen wie für die Wirtschaftswege. Die Wege sollen instandgesetzt werden, aber noch nicht sofort, denn: „Sonst fährt in drei Wochen der nächste Lkw alles wieder ineinander.“
Dem schloss sich Lukas Wittmann an: „Die fahren auf Deubel komm raus.“