Olsberg/Hochsauerlandkreis. Die Baupreise explodieren, Material wird knapp. Sauerländer Experten sagen, auf was sich Bauherren im Hochsauerlandkreis einstellen sollten.
Die Auswirkungen des Krieges gegen die Ukraine treffen mit voller Wucht die Baustellen im Hochsauerlandkreis und bundesweit: Die Baubranche schließt inzwischen Baustopps für eine Vielzahl von Projekten nicht mehr aus. Materialengpässe und Preissteigerungen beschäftigen die Branche, Kurzarbeit drohe, heißt es in einem Brandbrief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Sigrid Schmidt, von Schmidt & Schmidt GmbH aus Olsberg, erzählt im Gespräch mit der Westfalenpost von einer ungewissen Entwicklung in der Baubranche. Ingomar Schennen, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft im Hochsauerlandkreis, bleibt indessen optimistisch.
Tagespreise für manche Baustoffe bringen Kunden im HSK Unsicherheit
Sigrid Schmidt ist eine der Geschäftsführerinnen von Schmidt & Schmidt GmbH, einem Bauunternehmen, das die Komplettbetreuung beim Hausbau anbietet – von der Beratung über die Architektur bis hin zur Bauleitung und der Ausführung des Baus, bis zur schlüsselfertigen Herstellung des Hauses. Die aktuelle Situation sei aber nach zwei Jahren Pandemie keine einfache. „Für manche Baustoffe bekommen wir derzeit nur Tagespreise, Dämmstoffe haben eine Preissicherheit von nur noch einer Woche“, sagt Sigrid Schmidt. Die Materialpreise klettern in immer neue Höhen. „Das ist problematisch, weil wir Material für Immobilien im Vorlauf bestellen und für das betreffende Haus aber noch nicht mal die Ausschachtung begonnen wurde.“ Die Firma arbeite immer mit einem gewissen Vorlauf, Aufträge würden weit vor Baubeginn erteilt. „Die Kunden unterschreiben dann einen Preis, an dem wir nichts mehr ändern können, egal wie teuer das Material in vielleicht einem Jahr geworden ist. Vertragsklauseln, um solch immense Preissteigerungen abzufangen waren bisher nicht notwendig und werden von Kunden auch kritisch gesehen.“ Ingomar Schennen, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft im Hochsauerlandkreis, betont, dass die Unsicherheit bei den Preisen für beide Seiten unschön sei. „Die Unternehmen können nur auf das Verständnis der Kunden hoffen. Hat ein Kunde beispielsweise einen Bausparvertrag und möchte ein neues Geländer am Balkon installieren lassen, hat er damit ein fixes Budget und eine Kalkulation. Ist der Preis aber nur ein Tagespreis und kann nicht gehalten werden, muss der Kunde neu kalkulieren. Natürlich kann es dann passieren, dass er die Erneuerung seines Geländers hinten anstellt und wartet, bis sich die Preise stabilisieren“, erklärt er. Bedeutet für den Handwerker allerdings eine unsichere Auftragslage.
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Inflation in Deutschland hoch – bleiben Kunden im HSK beim Bauvorhaben?
Das Olsberger Unternehmen vereinbart daher vorab ein gewisses Preisvolumen, das eine Teuerung der Materialien mit einplant. Überschreitet der Preis aber auch dieses Volumen, wird es schwierig, einen auskömmlichen Preis zu erzielen. „Selbstverständlich werden alle unterschriebenen Verträge zu den vereinbarten Konditionen abgewickelt. Unklar ist allerdings, ob Bauherren aufgrund der eigenen Situation von dem Vertrag zurücktreten und Aufträge wegbrechen. Das Risiko für einige Kunden ist dann einfach zu groß. Früher lag das an persönlichen Problemen, die Bauherren stritten sich. Jetzt wird das Leben durch die Inflation zu teuer, manche können sich ein Bauvorhaben nicht mehr leisten“, erklärt Sigrid Schmidt. Das sieht auch Ingomar Schennen so. „Die Lebenshaltungskosten, nicht nur die Energiekosten sondern auch schlicht der Einkauf im Supermarkt, werden teurer. Da sind einige Kunden berechtigterweise in der Überlegung, welche Ressourcen sie noch für Sanierungen oder Bauvorhaben einplanen können.“ Ingomar Schennen sieht aber einige Sicherheiten für die Handwerker- und Baubranche. „Die Politik gibt energetische Gebäudesanierungen vor. Dort, und bei den Installationen von neuen Heizungen ist die Auftragslage enorm.“ Er glaubt, dass die aktuelle Entwicklung nur einige Gewerke treffen werde. „Ist das Dach marode, muss das gemacht werden. Plant ein Kunde allerdings schlicht die Renovierung der Terrasse, wird das vielleicht erstmal hintan gestellt.“ Schennen erwartet eher eine Verschiebung der Auftragslage, vielleicht ins nächste Jahr, statt Absagen.
Baustoffe werden gebunkert - das Material wird teurer
Die Corona-Pandemie habe schon einige Posten in der Baubranche teurer werden lassen, „aber als gesunde Firma steckte man das weg. Jetzt die Krise in der Ukraine und das drohende Energie-Embargo. Das wird spannend“, sagt Schmidt. Bei steigenden Energiekosten wird es zu weiteren Preissteigerungen der Baumaterialien kommen. Die Frage ist, wie lange beispielsweise die Herstellung von Ziegeln und Beton überhaupt noch zu akzeptablen Preisen möglich ist. Nicht nur die steigenden Energiekosten sorgen für eine Verteuerung der Materialien, auch die Sorge einer weiteren Verknappung treibt die Preise. Aus Angst würden viele beginnen, Baustoffe zu bunkern, wie Schmidt vermutet.
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„Wir kaufen derzeit auch vermehrt bestimmte Produkte, aus purer Sorge, dass es sie bald nur noch zu überhöhten Preisen oder gar nicht mehr verfügbar sind.“ Auf andere Materialien will die Firma nicht zurückgreifen. „Ich kann nicht Jahrzehnte lang bestimmte Steine nutzen, von denen wir überzeugt sind, dass es die Besten sind, und dann plötzlich meine Meinung ändern.“ Dann heißt es: Kauft der Kunde es zu diesem Preis, oder nicht? Das Problem: Die steigenden Preise kollidieren mit der Zinssituation. Niedrigzinsen und 110-Prozent-Finanzierungen locken die Kunden, jetzt das Traumhaus zu bauen. Eine schwierige Situation.
Die Corona-Isolation sorgt für Baustopps und ein Puzzeln beim Arbeitstagbeginn
Hinzu kommt die bestehende Corona – Isolationspflicht. Marius Schmidt, einer der Geschäftsführer der gleichnamigen Firma, ist für die Organisation und Disposition des Baugeschäftes zuständig. „Fällt ein Mitarbeiter des Baugeschäftes aus, der positiv getestet wird, kann es sein, dass er 10 Tage und länger fehlt.“ Viele Arbeiten erfordern drei Facharbeiter, beispielsweise Kranumbau oder Decken betonieren. Fehlt ein Facharbeiter, kann die gesamte Kolonne nicht arbeiten. Trotz genug Arbeit ist die gesamte Lieferkette der Baustelle in Gefahr. Notgedrungen müssen Kollegen aus anderen Kolonnen einspringen. „Weder für die Kollegen an den Baustellen, noch für mich ist es einfach, wenn wir jeden Tag puzzeln müssen, um überhaupt handlungsfähig bleiben zu können.“
Produkte aus der Ukraine sind nicht mehr zu bekommen
„Es ist ein vielschichtiges Problem“, sagt Ingomar Schennen mit Blick auf die Materialknappheit und die teuren Preise. Nicht nur ein Embargo sei problematisch. So werden Produkte aus der Ukraine bezogen, die nicht liefern kann. „Kommt das Material nicht, dann kann der Handwerker nicht arbeiten, dann muss er in Kurzarbeit gehen. Das liegt nicht am mangelnden Auftrieb der Branche, sondern an dem teuren und knappen Material.“ Schennen bleibt allerdings optimistisch. Ruhe bewahren sei jetzt wichtig. Dennoch: „Es ist der berühmte Blick in die Glaskugel und wir hängen sehr von politischen Entscheidungen ab.“
Kurzarbeit für die Baubranche? Dagegen wollen die Olsberger kämpfen
Über 40 Jahre arbeitet Sigrid Schmidt im Baugewerbe. Immer war die Arbeit mal knapp, mal im Überschuss. Eine Zeit wie jetzt – Materialknappheit, erhöhte Preise, lange Lieferzeiten und ein großes Maß an Unsicherheit – kennt sie in der Kombination noch nicht. Kommt ein Energie-Embargo, fragt sie sich, wie lange die Baubranche noch durchhalten kann. „Dann stellt sich die Frage, woher die Baustoffe kommen. Selbstverständlich setzt die Firma daran, dass die Kollegen nicht in die Kurzarbeit müssen. Ob aber Kunden die Angebote bei den hohen und unsicheren Preisen dann noch annehmen, ist vollkommen unklar.“