Marsberg. Monica Berger Moisi wurde 1949 in New York geboren. In Marburg und Warburg geht sie auf spannenden Spurensuche nach ihren jüdischen Vorfahren.

Ihre Mutter hieß Harriet Berger, geborene Reinsberg. Sie kam gebürtig aus Warburg. Ihre Großtante Sophie Halle lebte und wohnte in der Hauptstraße in Marsberg bis 1942. Da wurde sie 72-jährig in das Ghetto Theresienstadt deportiert und zwei Monate später in das Vernichtungslager Treblinka. Sie gilt als verschollen. Ein Erinnerungsstein aus Bronze, eingelassen im Bürgersteig vor dem Haus, Hauptstraße 29, erinnert an sie.

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Auf den Spuren der Marsberger Juden

Nachzulesen ist das Schicksal von Sophie Halle im Erinnerungsbuch der Historikerin Gudrun Bank „Auf den Spuren der Marsberger Juden“. Auf diese Spuren begab sich jetzt die Großnichte von Sophie Halle und Tochter von Harriet Berger, Monica Berger Moisi gemeinsam mit ihrem Mann Francis. Das Ehepaar lebt seit vielen Jahrzehnten in der französischen Hauptstadt Paris. Dabei unterstützt hat sie Gabriele Döschner vom Stadtarchiv Marsberg. Per Mail hatte sich das Ehepaar an das Stadtarchiv Marsberg gewandt. Gabriele Döschner hat unzählige Akten gewälzt und ist fündig geworden.

Am Mittwochvormittag traf das Ehepaar in Marsberg ein, Bürgermeister Thomas Schröder hieß sie im Rathaus aufs „herzlichste willkommen“. „Es ist uns immer eine Freude und Ehre, wenn Nachfahren unserer jüdischen Mitbürger unsere Stadt besuchen“, sagte er. Zuletzt war Monica Berger Moisi 1992 mit ihrer Mutter Harriet in Marsberg.

51 Briefe der Großeltern

In einer ledernen Aktentasche hatte Monica Berger Moisi einen ganzen Stapel Briefe und ihre Übersetzungen dabei. Insgesamt 51 Briefe ihrer Großeltern Reinsberg aus Warburg. 130 Seiten. Die Großmutter hatte ihre Briefe noch in Sütterlinschrift geschrieben. Der Großvater hatte sie fein säuberlich auf der Schreibmaschine getippt. Das Stadtarchiv Bielefeld hatte Monica Berger Moisi einen Übersetzter vermittelt. Die Briefe hatten ihre Großeltern an die Verwandtschaft geschrieben, die weit verzweigt um Marsberg herum, Paderborn, Korbach oder Arolsen und Velmede lebten. Mit Familiennamen wie Halle, Felsberg, Rosenbaum, Stamm und Eichengrün.

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Ihre Großeltern Reinsberg aus Warburg wurden nach Warschau deportiert. Sie betrieben in Warburg ein Hutgeschäft, das in der Reichsprogromnacht aufs übelste demoliert worden war. Tochter Harriet hatte die Briefe bei sich zu Hause in New York aufbewahrt. Aber niemals davon gesprochen, erzählt ihre Tochter Monica Berger Moisi.

Alte Familienfotos

Sie spricht fast perfekt deutsch. Monica Berger Moisi lacht. Sie hatte als junge Frau Deutsch studiert. Aber dann die Sprache fast vergessen. So dachte sie jedenfalls, erzählt sie weiter. Als sie aber die Briefe vor einem Jahr gefunden hat und versuchte sie zu lesen. „Da kam auch die deutsche Sprache wieder zurück.“ Vor einem Jahr starb ihre Mutter Harriet Berger mit 99 Jahren.

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Harriet Berger ist nach dem Krieg oft nach Warburg gekommen und hat sich dort mit früheren Schulkameradinnen getroffen, erzählt ihre Tochter. Auch Gudrun Banke, die Autorin der beiden Marsberger Erinnerungsbücher hat sie bei ihren Besuchen in der deutschen Heimat getroffen und ihr wichtige Informationen geben und auch Familienfotos zur Veröffentlichung, wie aus der Korrespondenz hervorgeht.

Harriet Berger war im August 1939 zunächst nach London emigriert und ging später in die USA. 1949 kam ihre Tochter Monica in New York zur Welt. Nach dem Tod der Mutter hatte sie den Packen Briefe gefunden. „Ich konnte mit den Namen nichts anfangen“, sagt sie. Aber sie wollte unbedingt wissen, wer dahintersteckte.

Ganz viel konnte ihr Gabriele Döschner aus dem Stadtarchiv Marsberg weiterhelfen. Ganz viel ist in den beiden Marsberger Erinnerungsbüchern von Gudrun Banke nachzulesen. So auch, dass Sophie Halle, die Großtante von Harriet Berger, im Haus der Familie Levy in der Adolf-Hitler-Straße 31 (heute: Hauptstraße) wohnte. Beim Novemberprognom 1938 drangen SA-Leute auch in die Wohnung der 72-jährigen Sophie Halle ein und demolierten die Einrichtung.

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Als Harriet Reinsberg am Tag drauf aus Warburg nach ihrer Großtante schauen wollte, fand sie die fast blinde Frau hilflos in der Küche auf einer Kiste, ringsherum lagen Scherben, Geschirr und Glas waren zerschlagen. Harriet Reinsberg nahm die Tante mit nach Warburg.

Am Mittwochnachmittag besuchte das Ehepaar Berger Moisi mit Gabriele Döschner die jüdischen Friedhöfe in Marsberg und Essentho, gingen zu den Häusern mit den eingelassenen Stolpersteinen, dann führte ihre Reise zum Judenfriedhof in Madfeld und nach Velmede. Tags zuvor waren sie noch auf Spurensuche in Warburg und Paderborn, bevor sie wieder die Heimreise nach Paris antraten. Um viele Eindrücke und Informationen reicher.