Medebach. Sophia Kaufhold hat für ihre Masterarbeit in Architektur ein Wohnprojekt geplant, das es in Medebach so noch nie gab.

In Großstädten ist Wohnraum schon lange ein Reizthema – Stichwort knapper Raum und hohe Preise. Auf dem Land, scheint es, lebt es sich entspannter. Aber auch hier gibt es Wohnprobleme: Senioren, die allein in Häusern leben, die für Großfamilien gebaut wurden. Familien, die auseinanderbrechen und deren Eigenheim für Alleinerziehende oder Singles weder bezahlbar noch nötig ist.

Mit neuen, flexibleren Wohnräumen hat sich deshalb Sophia Kaufhold in ihrer Architektur-Masterarbeit beschäftigt. Das Ziel: Ein Gemeinschafts-Wohnprojekt in der kleinen Stadt planen, die derlei nur vom Hörensagen kennt und in der der Traum von Eigenheim immer noch sehr präsent ist.

Sophia Kaufhold
Sophia Kaufhold © Unbekannt | Privat

Im Oktober 2020 hatte die WP die junge Frau und ihr Projekt bereits vorgestellt; damals war gerade eine Umfrage angelaufen, mit der Kaufhold die Wohnwünsche der Medebacher erforschte. 352 Medebacher haben sich beteiligt, „je etwa zur Hälfte unter und über 40 Jahre. Das Mindestalter war 16 Jahre“, sagt Kaufhold. Aus eigenen Ideen und dem, was an Wünschen mitgeteilt wurde, hat sie ihr Projekt ausgearbeitet.

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Vier Gebäudeteile stehe nun auf dem Papier, davon zwei, die als Ensemble zusammengehören. In ihnen befinden sich neben Wohnungen auch Gemeinschaftseinrichtungen – dazu später mehr. Wer in den insgesamt 22 Wohneinheiten leben könnte? Aus der Fülle der Umfrage-Antworten hat Kaufhold drei Nutzerprofile abgeleitet und Wohnungen konzipiert, die zu diesen Profilen passen.

Für jeden Bedarf die passende Wohnung

Typ 1: „Die erste eigene Wohnung“. Diese junge, experimentierfreudige Zielgruppe möchte eigenständig und ungestört leben, Freunde treffen und auch mal Party machen. Typ 2: „(junge) Familie“. Kindgerecht und funktional sollen die Wohnungen für diese Zielgruppe sein, aber auch flexibel – Stichworte wie neues Baby, Scheidung und Patchworkfamilie spielen hinein. Typ 3 hat Kaufhold unter dem Schlagwort „Kinder aus dem Haus“ zusammengefasst: Hier spielen ein komfortables Umfeld, Einbindung in das Quartiersleben und eine Option zur Barrierefreiheit eine wichtige Rolle.

Sehr verschiedene Ansprüche, die alle unter einen Hut bzw. in einen Entwurf gebracht werden mussten. Die angehende Architektin hat das einfallsreich gelöst – so siedelt sie die jungen Leute nicht im Herzstück ihrer vier Gebäude an, sondern gibt ihnen an den Außenflächen Platz für Eigenständigkeit, gern in einem hippen Zuschnitt: Viele dieser Wohnungen sind als Maisonettes geplant.

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Für wachsende Familien hingegen besteht in einigen Fällen die Option, im Knick der L-förmigen Mehrfamilienhäuser eine kleine separate Wohneinheit zusätzlich zu nutzen. Die älteren Zielgruppe würde überwiegend in dem zentralen Ensemble aus zwei Häusern wohnen, in dem es Aufzüge gibt und in denen auch viele Gemeinschaftseinrichtungen untergebracht sind.

Gemeinschaftlicher Luxus

Alle drei Wohnungstypen verbindet ihre vergleichsweise Schlichtheit. Von Küche bis Bad ist alles drin, aber „Luxus habe ich ausgelagert“, sagt die Planerin. Damit meint sie die vielen gemeinschaftlich nutzbaren Flächen in den Häusern und drumherum. Dabei geht es nicht um die aus Mehrfamilienhäusern bekannten Gemeinschafts-Keller oder -Waschküchen.

Sondern um einen Spa-Bereich mit Sauna und Whirlpool, Fitnessbereich, Bar, Werkstatt, große Gemeinschaftsküchen mit angeschlossenen Lounges und Arbeitsplätzen in Café-Atmosphäre. Und weil es für die Kinder einen eigenen Spielbereich im Haus gibt, fallen auch die relativ kleinen Kinderzimmer nicht ins Gewicht. Draußen gibt es gemeinschaftlich nutzbare Hochbeete, öffentliche und halb private Sitzgelegenheiten, einen Teich…

Anregungen für die Stadt

Das Private hat aber auch seinen Platz. „Die Wohnungen sind so geplant, dass ihre Eingänge nach innen zu den Gemeinschaftsflächen weisen, die Privaträume eher nach außen.“ Wer Gemeinschaft sucht, soll Gemeinschaft finden – und wer für sich sein will, Rückzugsmöglichkeiten. Der Titel des Projekts heißt übrigens „Wohnquartier Gemeinsam“, wobei im zweiten Wort der Teil „einsam“ durchgestrichen ist. Von einer solchen, für Medebach ganz neuen Wohnform könnten, ist Sophia Kaufhold überzeugt, viele Menschen profitieren. Neben einem Gegenmittel gegen Einsamkeit könnte es auch die Integration Geflüchteter fördern.

Regionale Baustoffe

Bei der Planung war Kaufhold auch wichtig, möglichst regionale Baustoffe zu verwenden und den Gebäuden eine für das Sauerland typische Gestaltung zu geben. Holz und Schiefer sind daher wichtige Materialien. Das Gemeinschaftsgebäude ist in Massivholz-Bauweise entworfen. Die beiden L-förmigen Mehrfamilienhäuser sind in Holzständerbauweise mit gepresstem Stroh als Dämmung konzipiert.

Spannende Frage: Bleibt das Projekt ein Entwurf oder könnte es eines Tages Wirklichkeit werden? Das hängt von vielen Faktoren ab. Bürgermeister Thomas Grosche und Wirtschaftsförderer Michael Aufmhof jedenfalls haben viele Anregungen erhalten: „Die Masterarbeit zeigt, dass auch für Medebach neue Wohnformen Zukunftspotenzial mit sich bringen. Wir freuen uns, dass wir Sophia Kaufhold bei ihrer Arbeit mit Informationen unterstützen durften und Sie uns nun die Ergebnisse zur Verfügung stellt. Dadurch werden auch unsere laufenden Planungen zu einem neuen Wohnprojekt bestätigt. Sicherlich werden sich nicht alle Ideen aus der Masterarbeit umsetzen lassen, aber die Grundsatzidee, neue Wohnformen mit multifunktionalen Bereichen in Medebach zu etablieren, wird sicherlich aufgegriffen.“