Brilon. Eine Sucht kann jeden treffen. Beraterin Liliane Schafiyha-Canisius erklärt, welche Warnsignale man ernst nehmen sollte und wann Hilfe nötig ist.
In eine Sucht abzurutschen, kann jedem Menschen jederzeit passieren. Und dennoch ist die Erkenntnis, wenn man dann Hilfe braucht, oft mit viel Scham verbunden. Niederschwellig und unkompliziert bietet daher die Caritas in Brilon Hilfe an. Seit neun Jahren ist dort Liliane Schafiyha-Canisius tätig. Wichtig in der kostenlosen Beratung ist dabei vor allem: Der Hilfesuchende gibt zu jeder Zeit selbst das Tempo vor.
Sucht gilt als Krankheit – und jede hat ihre eigene Geschichte
Sucht ist ein unwiderstehliches Verlangen nach einem Mittel. Das ganze Leben kann danach ausgerichtet werden. Nach 19 Uhr noch etwas unternehmen? Schwierig, denn da lässt der Alkoholpegel vielleicht schon kein Autofahren mehr zu. Seit 1968 gilt Sucht auch tatsächlich als Krankheit. Zuvor galt die Meinung, dass jeder doch einfach aufhören könnte mit der Einnahme von Alkohol, Drogen und Co. „Jede Sucht hat eine Geschichte. Viele Leute sagen, dass sie schon immer viel getrunken haben und dann abhängig wurden. Aber der Auslöser liegt davor“, sagt die Sozialpädagogin.
Lesen Sie auch:Corona: HSK mit einer der höchsten Inzidenzen in Deutschland
Lesen Sie auch:Machen Jugendliche in Marsberg soviel Lärm wie ein Flugzeug?
Sucht kann sogar genetisch bedingt sein und ein Stück weit vererbt werden. In manchen Familien wird es sozial erlernt, wenn ein Elternteil in einer stressigen Phase zur Flasche greift, schauen Kinder sich dieses Verhalten ab. „Es gibt konkrete Hintergründe wie eine schwierige Kindheit, wo der Nachwuchs emotional vernachlässigt wurde. Gewalttätigkeit. Missbrauch. Überfordernde Lebensverhältnisse wie ein Todesfall, Jobverlust oder eine gescheiterte Ehe können Auslöser für eine Sucht sein“, erklärt die Expertin.
Mit dem Konsum steigt die Toleranzgrenze
Mit dem Konsum steigt die Toleranzgrenze. Kein gutes Zeichen, wie Schafiyha-Canisius sagt, denn eine hohe Toleranz wiegt die Leute in Sicherheit. Auch ein Kontrollverlust ist eine mögliche Begleiterscheinung einer Sucht. Wenn aus den vorgenommenen drei Bier am Abend plötzlich doch wieder zehn geworden sind, weil keine konkrete Steuerung des Konsumverhaltens möglich sind.
Man unterscheidet zwischen geistiger und körperlicher Abhängigkeit. Die geistige Abhängigkeit besteht darin, dass man sich selbst belohnt. Durch die Ausschüttung von Adrenalin, Dopamin und mehr treten Glücksgefühle auf. Es enthemmt, man fühlt sich gut und das Gehirn hat eine Erinnerung an diesen Stoff. Fehlt dieser Stoff durch den Konsum, treten Entzugserscheinungen auf. Zittern, Schweißausbrüche, Schlafstörungen, Depressionen und mehr können die Folge sein. „Es dauert circa ein Jahr bis sich das normalisiert. Viele Betroffene denken, dass sie einfach aufhören und dann ist alles in Ordnung. Aber der Wille ist wichtig und eine begleitende Therapie. Die ersten drei Monate sind die schwierigsten.“ Dann nimmt der Suchtdruck ab.
Viele sind durch ihre Lebensweise und ihr Umfeld vor Sucht geschützt
„Gefährdet ist jeder. Viele sind durch ihre Lebensweise und ihr Umfeld geschützter. Sie haben ein gutes Selbstbewusstsein, eine liebevolle Familie, viele Interessen und können mit positiven wie negativen Gefühlen umgehen und diese kommunizieren“, erklärt die Expertin. Fehlt das, steigt die Gefährdung an einer Sucht zu erkranken. Entsprechend zielen Therapien darauf ab, zu kommunizieren und Interessen aufzubauen, damit Alternativen zur Sucht aufgezeigt werden können.
Wer Hilfe braucht, kann unverbindlich einen Beratungstermin vereinbaren. Auch Vermittlungen sind möglich für ambulante oder stationäre Behandlungen beispielsweise. Viele würden laut Schafiyha-Canisius die Termine nicht wahrnehmen, was sie schade findet. Im Bereich des Möglichen sind auch Dauerbetreuungen. „Manche schaffen die Angebote aus stationärer oder ambulanter Betreuung nicht, bleiben abhängig und sind dann über Jahrzehnte hier in den Beratungen.“
Suchtberatung der Caritas Brilon ist für den ganzen Hochsauerlandkreis zuständig
Meist kommen die Interessierten von sich aus, aber manche auch auf Anraten der Partner oder auch des Arbeitgebers. Die Gespräche dauern bis zu 50 Minuten und stehen auch den Angehörigen zur Verfügung, denn auch sie haben Fragen, sind emotional belastet. Die Expertin sagt, dass Angehörige dazu neigen, sich selbst in solchen Phasen zu vernachlässigen, dabei haben sie ebenfalls Bedürfnisse.
Die Suchtberatung der Caritas Brilon ist für den ganzen Hochsauerlandkreis zuständig, abgesehen von Arnsberg und Sundern. Dort finden Hilfesuchende Ansprechpartner bei Abhängigkeiten von Alkohol, Medikamenten, illegalen Drogen, Glücksspiel und künftig auch Medien. Die Teamgröße ist überschaubar. Zwei Vollzeitkräfte stehen zur Verfügung.