Brilon. Eine Lehrerin aus Brilon schildert ihre Erfahrungen aus einem Jahr mit Distanz-und Präsenzunterricht – und was das mit ihr gemacht hat.
Die großen Ferien sind schon wieder fast vorbei. Die dringend notwendige Zeit sich zu erholen, ist für Katharina Störmer damit auch so gut wie rum. Die 28-Jährige ist Lehrerin an der Realschule und hat ein besonderes Schuljahr hinter sich. Das wohl außergewöhnlichste Jahr ihrer noch sehr jungen Laufbahn als Lehrerin. Die Pandemie hat vieles verändert – aber was davon ist wirklich nachhaltig?
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Nichts ist so gewesen, wie sich das Katharina Störmer im Vorfeld gedacht hatte. Seit zwei Jahren ist sie fertig mit der Uni, ihr Studium mitsamt anschließendem Referendariat hat sie erfolgreich abgeschlossen. Und dann? Ein Kaltstart. Auf einmal keine Kinder mehr im Klassenzimmer. Eine diffuse Situation. „Am Anfang war alles unplanbar“, sagt sie heute rückblickend. Es ist Anfang März 2020, als sich für die gesamte Gesellschaft alles ändert – und unplanbar wird. Corona ist in Deutschland angekommen. Auch an der Marienschule in Brilon.
Der erste Gedanke gilt den Schulbüchern
Es ist Freitag, der 13. März, 13 Uhr. Wie passend. Störmer wird klar, dass sie ihre Schüler nun erst einmal nicht mehr im Klassenraum sehen wird. Ihr erster Gedanke damals steht exemplarisch für die Voraussetzungen, mit denen Lehrer an deutschen Schulen in den Distanzunterricht starten: „Ich habe gedacht: Mist, jetzt hätten die Schüler die Bücher mitnehmen sollen. Es war eben nichts planbar. Wir haben ja alle gedacht, dass sich das schon wieder schnell legt“, sagt Störmer.
Doch die Pandemie kehrt zurück, im großen Stil sogar. An Präsenz ist erst einmal nicht zu denken. Nach den Osterferien 2020 wurden Videokonferenzen eingeführt. Wobei das bei einigen Schülern schlichtweg nicht möglich war. „Die Internetverbindung gerade bei den Kindern, die auf den Dörfern wohnen, war zu schlecht. Da blieb die Kamera auch mal aus“, berichtet Störmer. Der Einfluss fehlt manchmal. Vertrauen ist gut, doch in der Schule gehört auch ein gewisses Maß an Kontrolle dazu. „Wenn sie nicht zurückschreiben wollten, haben sie einfach nicht geschrieben“, sagt Störmer. Viele Schüler ziehen mit, andere hingegen bleiben auf der Strecke. Zwei bis drei Kinder pro Klasse schätzt Störmer.
Erstaunliche Lücken am PC
Wie viele Schüler wirklich immense Defizite aufweisen, wird das neue Schuljahr zeigen, glaubt Störmer. „Wir werden definitiv etwas aufarbeiten müssen“, sagt sie. Keine Illusionen. Corona hat Zeit gekostet - und wird das auch in Zukunft tun. Nichtsdestotrotz gibt es aber auch Fortschritte zu vermelden.
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Im Sommer 2021 sind die Schüler den Umgang mit den digitalen Medien im Unterricht inzwischen gewohnt. „Das Schulbuch gibt es aber immer noch“, sagt Störmer. Trotzdem hat sich einiges vom klassischen Schulbuch hin zum modernen Tablet oder PC gewandt. Wobei der Kenntnisstand der Kinder zu Beginn der Pandemie doch größere Lücken offenbarte, als im Vorfeld vermutet.
Neue Kompetenzen erworben
Chatten auf dem Smartphone? Kein Problem. Einen Brief in Word schreiben schon. „Viele konnten noch nicht einmal so ein Word-Dokument einrichten oder gar eine PDF erstellen“, erinnert sich Störmer. Inzwischen beherrschen das die meisten - allein dieser Kompetenzgewinn sei ein großer Fortschritt. „Das sind ja auch Dinge, die später im Berufsleben wichtig sind“, sagt die Lehrerin.
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An ihrem Engagement kann es nicht gelegen haben. Der Arbeitstag hat sich in der Pandemie deutlich verändert, auch ohne die für sie einstündige Anreise. Morgens aufstehen, Laptop an, Unterricht geben. Anschließend Nachbereitung der Aufgaben, die sie von den Kindern bereits zurückbekommen hat. In der Zwischenzeit werden Mails mit Fragen aus dem internen Chat beantwortet. Ein Tag dauert von acht bis acht. Mindestens.
Mehr als notwendig - aus Überzeugung
Kein Wunder also, dass sich Katharina Störmer schwer an dem Vorurteil stört, dass Lehrer in der Pandemie ja ein leichtes Leben hatten. „Vielleicht liegt das auch an mir, aber ich hatte ja eh nichts anderes zu tun. Also habe ich gearbeitet“, sagt sie. Sie vernachlässigt sich selbst ein wenig, was ihr selbst aber anfangs gar nicht so groß auffiel. Irgendwann kamen aber Stimmen im Kollegium auf, die ihr sagten: Mach mal weniger.
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Macht sie aber nicht. „Ich bin jung, ich kann noch arbeiten und wollte für die Kinder da sein“, sagt sie. Am Ende diesen Schuljahres ist die Freude auf ein paar freie Wochen aber dennoch groß. So ein Schuljahr, da ist sich Katharina Störmer sicher, braucht sie erst einmal nicht mehr. Die Vorteile und Erkenntnisse, die aus dieser außergewöhnlichen Situation entstanden sind, dürften aber bleiben.