Hochsauerlandkreis. Im HSK steigt die Corona-Inzidenz unter Kindern über 5000. Kinderärzte-Sprecher Dr. Michael Achenbach weiß, worauf Eltern nun achten müssen.
Von 1696,8 auf über 5000 – innerhalb von fünf Tagen. Die Inzidenz unter den 5- bis 14-Jährigen im Hochsauerlandkreis steigt rasend schnell. Auch unter den 0- bis 4-Jährigen ist sie seit dem 27. Januar von 774,7 auf jetzt 2048,7 gestiegen. Mehr als jede andere Altersgruppe infizieren sich gerade die ungeschützten Schul- und Kita-Kinder. Kinder- und Jugendarzt Michael Achenbach aus Plettenberg ist Pressesprecher des Berufsverbandes der Kinder-und Jugendärzte (BVKJ) und ist auch zuständig für den Hochsauerlandkreis. Er erklärt, wieso sich Kinder gerade so schnell anstecken und warum Eltern trotz der hohen Inzidenzen nicht in Panik geraten sollten.
Wer steckt sich jetzt gerade im HSK mit Corona an?
Für den Kinderarzt Dr. Michael Achenbach ist die entscheidende Frage nicht, wo sich die Menschen anstecken, sondern wer sich derzeit überhaupt am häufigsten ansteckt. „Die Omikron-Variante ist deutlich ansteckender als der Ur-Typ des Virus. Kinder waren in der Vergangenheit nicht so stark betroffen“, sagt er. Er erinnert sich an einen Fall in der Region rund um Plettenberg. Eine Erzieherin kam aus dem Urlaub in Ischgl zurück, Anfang der Pandemie. Ischgl war damals zu einem Hotspot geworden, von dem aus das Virus durch Urlauber in die verschiedensten Länder weitergetragen wurde. „In der Kita steckte die erkrankte Erzieherin aber kein Kind an, nur Erwachsene. Der Wildtyp und Alpha haben Kinder nicht so sehr betroffen und sogar ausgelassen“, erklärt Achenbach. Die Omikron-Variante trifft nun auf eine große Gruppe, die keinerlei Schutz vor einer Corona-Erkrankung haben, weder durch eine Impfung noch durch eine vorangegangene Erkrankung.
Kinderarzt aus Plettenberg sieht Schule als Ansteckungsort
„Eine Inzidenz von 5000 bedeutet, dass 5 Prozent dieser Bevölkerungsgruppe erkrankt sind, das ist eine große Menge“, kommt Achenbach auf die Inzidenz im HSK zu sprechen. „Fünf Prozent bedeutet, dass mehr als jedes 20. Kind erkrankt ist. Man kann mit Wahrscheinlichkeit sagen, wohl ein Kind pro Schulklasse.“ Er zieht daher den Schulterschluss doch zur Schule als Ansteckungsort: „Es ist wahrscheinlich, wo sich viele treffen wie auf dem Schulweg oder in der Klasse, das in größeren Gruppen mindestens ein Mensch positiv ist. Also ja, Ansteckungen finden in der Schule statt.“
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Noch im November hatte Schulministerin Yvonne Gebauer gesagt: „Die Schulen in Nordrhein-Westfalen sind keine Pandemietreiber, sondern leisten durch die strenge Testpflicht einen wichtigen Beitrag, um Infektionsketten in unserer Gesellschaft zu unterbrechen.“ Jetzt stecken sich in Schulen und Kitas also mehr Kinder an denn je, die Teststrategie in den Schulen geht wegen der Überlastung der Labore nicht mehr auf. Eltern fragen sich nun: Wie kann ich mein Kind schützen? Michael Achenbach reagiert auf diese Frage mit einer Gegenfrage. „Wie weit muss ich mein Kind schützen?“ Er führt aus: „Wir sind in der Annahme, dass wir unsere Kinder vor einer Infektion schützen müssen. Wir sehen nun aber, dass die Verläufe ganz mild sind. Oft beobachten wir noch weniger als normale Erkältungssymptome und wenn wir nicht in einer Habachtstellung wären, würden wir die Symptome bei den Kindern manchmal sogar übersehen.“ Seiner Meinung nach gehe es immer noch primär darum, die Risikogruppen vor den Infizierten zu schützen – gerade, weil Omikron so ansteckend sei.
„In der Grippewelle sterben mehr Kinder als in einer Corona-Welle“
„In der Grippewelle sterben mehr Kinder als in einer Corona-Welle“, sagt er. Ob mit oder an der Grippe, das gebe die Statistik allerdings nicht an. „Wir sind eine Gesellschaft im Panikmodus. Wir sollten aber nicht aus Panik heraus handeln sondern nüchtern und sachlich entscheiden. Schulschließungen sind das letzte Mittel, denn die Politik hat gelernt, dass Kinder durch Omikron nicht so stark gefährdet sind.“ Indes, in manchen Bundesländern wie Berlin wird derzeit die Entscheidung, sein Kind zur Schule zu schicken, freigestellt. Die Regel soll Familien helfen, die sich zum Beispiel große Sorgen um eine Ansteckung machen. Das kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn sehr alte oder kranke Menschen mit der Familie leben. Auch in Marsberg setzt die Sekundarschule die Präsenzpflicht aus: „Neben Corona fehlen aber auch viele Schüler derzeit wegen Magen-Darm-Infekten und weil Eltern ihre Kinder aus Vorsicht zuhause lassen, weil sie erkältet sind. Stellenweise waren in einer Klasse nur zehn statt 28 Schüler anwesend“, hieß es seitens der Schulleitung.
Long Covid betrifft nur wenige Kinder, sagt Michael Achenbach
Kinderarzt Michael Achenbach betont aber, dass Kinder nicht die hauptgefährdete Gruppe sei. Auch die Angst vor Langzeitfolgen nach einer Corona-Erkrankung sei meist unbegründet. Nur wenige Hundert Kinder hätten an dem PIMS-Syndrom, ein schweres entzündliches Krankheitsbild, das in seltenen Fällen bei Kindern und Jugendlichen in der Regel drei bis vier Wochen nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 beobachtet wurde, gelitten. „Die allermeisten haben das komplett folgenlos überstanden.“ Auch Long-Covid würde nur bei sehr wenigen Kindern beobachtet. Wissenschaftler definieren Long-Covid laut Data4Life, einer Initiative der Hasso Plattner Foundation, aktuell als mindestens vier Wochen anhaltende Beschwerden nach einer SARS-CoV-2-Infektion. Bei Kindern sind das meistens Unwohlsein, Müdigkeit und Erschöpfung. Auch Husten oder Hals- und Brustschmerzen werden gemeldet sowie psychische Anpassungsschwierigkeiten. Die Langzeitfolgen sind allerdings unspezifisch. Die Symptome treten auch bei anderen Erkrankungen auf und damit ebenso bei Kindern, die sich noch nie mit dem Coronavirus infiziert haben.
HSK-Eltern im Panikmodus: Wie vorsichtig sollte man noch sein?
Gesellschaft im Panikmodus, Eltern im Panikmodus: Wie vorsichtig sollten Eltern jetzt sein? „Das kommt auf die persönliche Risikobereitschaft an“, betont Michael Achenbach. Er will keine Empfehlung an die Eltern geben, befürwortet aber eine gewisse Vorsicht. Allerdings: „In Panik dürfen Eltern nicht geraten.“ Zu oft ist es vorgekommen, dass Eltern mit ihrem frisch positiv getesteten Kind an der Rezeption in der Praxis stehen. „Es ist ganz wichtig, bei einem positiven Test nicht in Panik zu verfallen, sondern erst einmal anzurufen oder sich sonst bemerkbar machen. So kann man unnötige Ansteckungen vermeiden.“ Der Kinderarzt betont: „Corona bei Kindern ist kein Notfall. Es ist eine Atemwegsinfektion.“ Allein das RS-Virus sei sehr viel gefährlicher für Kinder als Corona. „Das wichtigste ist, das Befinden des Kindes einzuschätzen und keiner kann das so gut wie die Eltern. Sollten die Eltern merken, dass es dem eigenen Kind schlecht geht, dann wird es Zeit für einen Arztbesuch.“