Aus der Großstadt in die Kleinstadt zum Einkaufen? Unser Reporter hat sich in der Innenstadt von Brilon umgeschaut und ein Urteil gefällt.
Brilon. Senfgelb soll es sein, das neue T-Shirt. Bereits seit Jahren suche ich ein solches Oberteil, was passendes habe ich noch nirgends finden können. Auch nicht in Essen, wo ich eigentlich wohne. Hier in Brilon mache ich mich erneut auf die Suche. Ob ich da was finde in der Kleinstadt? Ein Einkaufserlebnis beginnt.
Besonders gerne gehe ich nicht shoppen. Oft sind mir die Läden zu voll, die Musik in den Geschäften zu laut und die Wege zu weit. In Brilon aber mache ich bei meiner Tour durch den Ortskern aber eine ganz andere Erfahrung. „Wir nehmen uns hier Zeit für die Kunden, denn das ist unser großer Pluspunkt im Vergleich zum Online-Handel“, erklärt mir Hartmut Kempmann. Er betreibt das Schuhgeschäft „Mehr als Schlappen“ in dem es, wenig überraschend, mehr als Schlappen gibt. Zum Beispiel Barfußschuhe. Barfußwas? „Das sind Schuhe, bei denen mal das Gefühl hat, barfuß zu gehen“, sagt Verkäuferin Sabine Hentschel. Wie ungewöhnlich.
Das kann der Online-Handel nicht
Das muss ich sehen. Während Sabine Hentschel die Schuhe in meiner Größe heraussucht, schaue ich mich im Geschäft um. Schick dekoriert, mit Liebe zum Detail. Wenig später steht Hentschel mit den Schuhen vor mir. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal Schuhe anprobiert habe. Corona und der Online-Handel sind daran schuld. Nach einigen Metern weiß ich was Hentschel mit Barfußschuh meint. Interessant, was es nicht alles gibt. „Die bekommen sie hier im Umkreis auch nur bei uns“, sagt die Verkäuferin. Das glaube ich ihr aufs Wort.
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Weiter geht es aber in meinen ollen Sportschuhen, der Preis für die Schuhe ist schon intensiv – aber im Hinterkopf behalte ich das schon mit diesem Barfußschuh. „Wenn Sie ihn doch haben wollen, rufen Sie an. Wir bringen ihnen den Schuh dann kostenfrei nach Hause“, sagt Hartmut Kempmann. Was ein Service.
Viel Zeit für die Beratung
Gegenüber mache ich mich auf die Suche nach meinem senfgelbem T-Shirt bei Christian Leisse. Dort sehe ich das, was auch Menschen in meinem Alter tragen. Es dauert ein wenig, bis eine Verkäuferin zu mir kommt. „Entschuldigen Sie, wir sind heute etwas unterbesetzt“, sagt sie. Ein Ehepaar ist ebenfalls im Geschäft und wird gerade beraten, die Verkäuferin nimmt sich Zeit. Da ich mir das gleiche ja auch für mich wünsche, wenn ich Fragen habe oder Beratung wünsche, bleibe ich geduldig. Allein wie sie sich um die Kunden kümmert zeigt mir, wie wichtig ihr der gute Service ist. Wie hilfsbereit.
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„Eine Produktbeschreibung im Internet kann das nicht“, sagt Nino Kallnik. Er arbeitet im Outdoor-Sportgeschäft Bergauf in der Bahnhofsstraße und hat ebenfalls allerhand zu tun. Touristen, die vom regnerischen Wetter überrascht werden, sind auf der Suche nach einer Regenjacke zum Wandern. Eine weitere Kundin probiert Wanderschuhe an. Kallnik zeigt ihr die versteckten Kniffe des Schuhs, der besonders für Wanderer geeignet ist. Ich schaue mich indes weiter um. Eine seltsame Gerätschaft steht mitten im Geschäft, eine Art Thron.
Eine Sohle nur für meinen Fuß
Unter diesem Thron sind Schaumkissen, die sich der Form meines Fußes anpassen, „Damit kann ich dann die perfekte Einlegesohle für den Wanderschuh herstellen“, sagt Kallnik. Wie praktisch. „Wir machen den Tacken mehr für den Kunden“, hatte Hartmut Kempmann zu Beginn meiner Einkaufs-Erlebnis-Tour durch Brilon gesagt. Nun verstehe ich so langsam, was er damit meint.
Ein bisschen mehr darf es auch beim Mittag sein – als Ruhrgebietler immer gerne deftig. „Eine Currywurst-Pommes-Mayo“, sage ich zu der Dame hinter der Plexiglas-Scheibe im Huberta-Grill. „CPM, alles klar. Möchten sie hier essen?“, fragt sie mich. Darf ich leider nicht, denn ich bin weder geimpft noch getestet noch genesen. „Schade, dann aber zum Mitnehmen?“ Wie herzlich.
Urlaubs-Flair beim Pommes essen
Da ich diese Herzlichkeit leider nicht an Ort und Stelle genießen darf, esse ich auf dem Marktplatz in Brilon. Vor dem ältesten noch als Rathaus genutzten Rathaus der Stadt Brilon setze ich mich auf eine Bank, schaue mir die Menschen an und genieße das Flair dieser Stadt. Kopfsteinpflaster, ein mit Geranien geschmückter Brunnen, Fachwerkhäuser und deutlich mehr Menschen unterwegs als im Vorfeld erwartet: Brilon ist wirklich das, was mir eine Kollegin im Vorfeld vorhergesagt hat. „Du arbeitest da, wo andere Urlaub machen“, sagte sie. Hier zu sitzen hat wirklich ein bisschen was von Urlaub.
Ein senfgelbes T-Shirt habe ich aber immer noch nicht gefunden. Letzter Versuch bei „Mann und Mode“. Tatsächlich hängt dort ein T-Shirt, das mir sehr zusagt. Leider nur in Größe M. Das hätte vor der Pandemie gepasst, jetzt aber nicht. Schnell nimmt sich die Verkäuferin mir an, ruft in einer anderen Filiale an – doch leider ist auch da meine Größe vergriffen.
Auch ohne senfgelbes T-Shirt ziehe ich ein überraschend positives Fazit von der Briloner Innenstadt. Ich bekomme hier alles was ich benötige, falls was nicht da ist, kümmern sich die Händler drum, es schnell zu organisieren. Brilon hat was zu bieten. Nur leider kein senfgelbes Shirt in meiner Größe.