Hochsauerlandkreis/Hallenberg. Keine Aufführung, keine Rollen an Musicalbühnen: für Regisseur, Sänger und Schauspieler „Flo“ Hinxlage aus dem HSK ist Corona existenzbedrohend.


Künstler und Corona: Das ist ein trauriges Kapitel Kulturgeschichte. Konzertveranstalter Gisbert Kemmerling hat an dieser Stelle bereits über die Probleme und Sorgen durch die Lockdowns der Branche berichtet. Auch Kabarettistin
Karin Berkenkopf, alias Frieda Braun, sowie der Leiter des Briloner Kulturbüros, Thomas Mester,
kamen zu Wort. Heute geht der Blick unmittelbar in Richtung Bühne.

„Für viele ist das der Todesstoß“


Eigentlich war diese Saison klar geplant. Florian Hinxlage würde in Hallenberg an der Freilichtbühne Regie führen und die „Passion“ inszenieren. Für ihn ein Herzensanliegen, in das er jede Menge Energie, Fleiß und Passion gesteckt hatte. Dann kam der große Lockdown im Frühjahr. Bangen, Hoffen, Improvisieren, Warten – vergebens. Die Bühne sagte die komplette Spielzeit ab.

Aber wer „Flo“ kennt, weiß, dass er von Natur aus gern in vielen Pötten rührt und sich so leicht nicht unterkriegen lässt. Neben seinem Regie-Engagement hat der Bühnenprofi selbst bundesweit in Musicals an anderen Theatern mitgespielt. Seine Konzerte „Flo & friends“ haben in der Szene Kultstatus. Aber auch damit war‘s Essig. Die geplante Gala in Hallenberg wurde ebenfalls abgesagt.

„Lockdown light“ trifft ihn „heavy“


Hinxlage zog das Musical-Projekt in seiner Heimat Dinklage mit großem persönlichen Engagement an mehreren Abenden durch. Auch wenn zuschauermäßig noch Luft nach oben gewesen wäre, hat er gezeigt, dass Großveranstaltungen in Zeiten von Corona möglich sind. Und jetzt?

„Das klar erteilte Berufsverbot ist für uns und die gesamte Theater- und Kulturbranche ein kräftiger Schlag ins Gesicht. Ich gehe noch weiter: Für private, nicht staatlich subventionierte Theater und Kultureinrichtungen ist es sogar der Todesstoß.“ Monatelang seien Konzepte und Hygienepläne erstellt worden, damit das Publikum sicher und beruhigt habe Veranstaltungen besuchen können. Man habe dafür tausende von Euros investiert und an dem Tag, als alles perfekt funktioniert habe, sei dem gesamten System ein Riegel vorgeschoben worden. „Unfassbar! Und dabei haben wir, nachweisbar und überall nachzulesen, die mit Abstand geringsten Infektionszahlen in Theatern, Kulturstätten, Kinos, bei Konzerten, Show, Kabarett und Comedy.“

Hinxlage: Wo bleibt die Fairness gegenüber einer ganzen Branche?


Hinxlage ist eine Frohnatur. Aber dieser „Lockdown light“ ist für ihn besonders „heavy“. Er vermisst Fairness gegenüber einem ganzen Berufszweig und stellt die Frage in den Raum: „Das soll verhältnismäßig sein, dass ausgerechnet hier der Lockdown vollzogen wird? Verzeihung, aber für über siebzig Prozent aller Deutschen ändert sich doch dadurch überhaupt nichts. Außer, dass sie nicht ins Restaurant, ins Kino oder ins Theater können. Dann suchen sie halt bei Netflix und bestellen sich ´ne Pizza. Aber Hand aus Herz: Was tun wir? Wir werden mit dem Berufsverbot zum Schweigen gebracht und können nichts, aber auch gar nichts dagegen tun, außer zu warten und die Füße still zu halten.“

Das sind klare Worte aus dem Mund eines Betroffenen, die deutlich machen, wie prekär die Situation ist. Wie soll und kann es weitergehen? „Das weiß ich gerade einfach nicht. Ich bin nach über sieben Monaten der nahezu erzwungenen Leere an einem Punkt, an dem ich zum Teil einfach ratlos bin. Kein Mensch weiß heute, was nächste Woche angesagt ist. Wenn man heute etwas plant, kann es in zwei Wochen schon wieder völlig anders aussehen. Mit persönlich bleibt wohl nur die Hoffnung, dass der Spuk bald ein Ende hat und endlich Struktur in das kulturell-gesellschaftliche Leben kommt. So jedenfalls kann es nicht weitergehen.“

„Keine einfache Situation“


Die Perspektiven sehen daher für „Flo“ und seine Kollegen eher düster aus: „Die Perspektiven ändern sich von Tag zu Tag, von Woche zu Woche. Vor drei Wochen dachte ich, dass eine Passion 2021 in Hallenberg auf jeden Fall stattfinden wird und dass alles kein Problem sein wird. Heute sitze ich an meinem Schreibtisch und überlege mir vorsorglich alternative Vorschläge und Strukturen zum Spielplan. Ungewissheit überwiegt, doch müssen zeitnah Entscheidungen getroffen werden. Keine einfache Situation.“

Dennoch sehe er auch Chancen. Chancen neue und vereinfachte Strukturen zu finden, um Prozesse und Abläufe einfacher und kompakter umzusetzen. Hierbei denke er vor allem an Proben- und Planungsprozesse im Freilichttheater. Hinxlage: „In jedem Fall ist es so: Nichts machen ist für mich keine Alternative!“

Wenn so langsam die Standbeine ausgehen


Ob Corona und die damit verbundenen Beschränkungen für die Branche grundlegend verändern werden? Da kann der 35-Jährige Künstler, der auch viele Benefiz-Galas für wohltätige Zwecke veranstaltet hat, nur spekulieren: „Das ist ganz schwierig zu sagen. Klar ist, dass sich die Landschaft verkleinern wird. Viele privat geführte Theater und Kulturstätten werden diese Krise nicht überleben. Viele Schauspieler, Sänger, Regisseure und freischaffende Theaterschaffende - ich denke da nur an Ton, Licht, Maske, Bühne, Dramaturgie, Requisiten - werden sich zwangsläufig nach Alternativen umschauen müssen. Auch mir selbst gehen so langsam die Standbeine aus.“

Die einzige richtige und wichtige Forderung ist für den Regisseur eine Sicherung des Grundeinkommens seitens des Staates. Hinxlage: „Der freiberufliche Theaterschaffende, der nun seit Monaten ohne Einkommen ist, sollte über den Jahresmonatsmittelwert aus 2019 eine gerechte Hilfe bekommen, wenn ihm die Ausübung des Berufes verboten wird. Hoffen wir inständig, dass die Entscheidungen treffenden Herrschaften dies berücksichtigen und so langsam eine klare, verständliche und für alle faire Struktur in die Maßnahmen zur Eindämmung dieses Virus einkehrt.“

Ungerecht

Drei Fragen möchte Hinxlage einfach so im Raum stehen lassen: „Kirchen dürfen geöffnet bleiben, bei denen in manchen Glaubensformen sämtliche Regeln innerhalb der Gotteshäuser nicht gelten? Geschäfte großer Unternehmen und Firmen dürfen geöffnet bleiben, mit einer Person pro zehn Quadratmeter Fläche, aber Theater und Restaurants schließen? Und: 16 Landes- und einige Bundespolitiker setzen sich über den demokratisch gewählten und für Entscheidungen dieser Art zuständigen Bundestag von 709 Abgeordneten hinweg und setzen diesen lediglich in Kenntnis?“