Brilon.. Die „Tante Ju“ kommt ins Museum. Uwe-Karsten Badow aus Brilon kennt den Oldtimer in und auswendig. Wie er über das Fliegen einst und heute denkt


Sie war eins der letzten drei noch flugfähigen Exemplare einer Legende der Lüfte: die Ju 52 „Tempelhof“ mit dem historischen Kennzeichen D-AQUI. Für den aus Brilon stammenden Boeing 747-Piloten Uwe-Karsten Badow waren die vielen Stunden in ihrem Cockpit ein „Weg zurück zu den Wurzeln der Fliegerei“.

Mit dem kraftvollen Brummen ihrer drei Neun-Zylinder-Sternmotoren zog der betulich mit 180 km/h am Himmel entlang cruisende Wellblech-Oldtimer die Blicke auf sich. Aus und vorbei. Die Lufthansa hat die Unterstützung der „Tante Ju“ D-AQUI nach einem 2018 aufgetretenen gravierenden technischen Befund eingestellt. Zwischen 1932 und 1952 wurden insgesamt 4845 Ju 52 hergestellt und in einer Fülle von Spezifikationen für zivile und militärische Zwecke in rund 40 Länder exportiert. Am 6. April 1984 nahm die Dt. Lufthansa Berlin--Stiftung den Flugbetrieb mit der „Tante Ju“ auf. Oft im Cockpit: der in Brilon am Döselsberg aufgewachsene Lufthansa-Pilot Uwe-Karsten Badow.




Die D-AQUI soll nach 11.500 Flugstunden in Diensten der Deutschen Lufthansa Berlin-Stiftung ins Museum. Wie viele davon haben Sie mitgemacht und an welche erinnern Sie sich besonders?

Auf dieser Ju 52 habe ich seit 1997 mehr als 1.600 Flugstunden absolviert, einen Teil davon als Ausbilder oder Prüfer. Natürlich erinnere ich mich noch an die ersten eigenen Trainingsflüge vor 22 Jahren, genau so wie an die Ausbildung von zwei jungen und wie immer hoch motivierten Piloten auf diesem Muster noch vor zwei Jahren. Dazwischen liegt eine Vielzahl von wunderbaren Erlebnissen mit begeisterten Passagieren, aber auch Flugvorführungen mit dem leeren Flugzeug vor tausenden Zuschauern an Flugtagen. Streckenflüge mit dem historischen Verkehrsflugzeug in das europäische Ausland waren immer besonders faszinierend, etwa um die Ostsee durch Südskandinavien und die baltischen Staaten oder über mehrere Stationen bis nach Rom oder regelmäßig durch Österreich.





Was macht den Reiz dieses Oldtimers aus?
Die Ju 52 war das erste zuverlässige Verkehrsflugzeug und wurde von 30 Fluggesellschaften in 25 Ländern weltweit eingesetzt. Dieser Flugzeugtyp ermöglichte den entscheidenden Schritt der Passagierluftfahrt vom Abenteuer zu einem regelmäßigen und sicheren Betrieb. Für die Fluggäste ist der Reiz heute das Reisen im einst luxuriösen Stil längst vergangener Zeiten.

Blick ins Cockpit der Ju 52
Blick ins Cockpit der Ju 52 "Tempelhof", die aus dem Betrieb genommen worden ist. © Unbekannt | Dt. Lufthansa Berlin-Stiftung

Sie genießen bei dem ursprünglichen Flugerlebnis das Zurücklehnen in der schnelllebigen Zeit und den ruhigen Blick auf die Welt, die nicht so weit unter ihnen beschaulich vorbeizieht. Gleichzeitig erleben sie den Kontrast zu dem Fortschritt, den die Luftfahrt in nur acht Jahrzehnten gemacht hat, wie etwa Geschwindigkeit und Komfort heutiger Verkehrsflugzeuge.



Und für Sie als Pilot?
Die Piloten fasziniert aus meiner Erfahrung der Weg zurück zu den Wurzeln der Fliegerei. Allein das Anlassen der Sternmotoren ohne Fehlzündungen erfordert Geschick und Koordination, bevor alle neun Zylinder gleichmäßig ihren sonoren Klang entfalten. Im Anschluss an den kurzen Startlauf sucht man nach dem Abheben eine Automatik vergebens. Flugzeuge dieser Generation werden ausschließlich manuell und ohne hydraulische Unterstützung gesteuert. Im Reiseflug muss die Drehzahl der drei Propeller feinfühlig auf einen gleichen Wert justiert werden, um sogenannte Schwebungsgeräusche zu vermeiden. Zur Landung stellt das Spornradfahrwerk insbesondere bei Seitenwind den Piloten die Aufgabe, das Flugzeug allein durch die Koordination von Quer- und Seitenruder geradeaus zu halten. Eigentlich ist fast alles anders, als wir es von modernen Flugzeugen gewohnt sind. Genau das ist eben auch reizvoll, quasi Herausforderung und Motivation zugleich.








Die Lufthansa begründet die Pensionierung der D-AQUI mit den Unterhaltungskosten. Welcher Aufwand ist eigentlich für den Flugbetrieb der Ju 52 nötig gewesen?
Instandhaltung und Wartung sind eine interessante Aufgabe für ein kleines Team von vier spezialisierten Mechanikern. Jeweils im Winterhalbjahr wurden einzelne Baugruppen und Systeme des Flugzeugs grundüberholt. Während der Flugsaison wurden nach jeweils 60 Flugstunden die Triebwerke gewartet. Beanstandungen wurden je nach Dringlichkeit natürlich sofort behoben. Die Triebwerke des Herstellers „Pratt and Whitney“ werden noch heute in den USA überholt.Von dort sind auch Ersatzteile dafür zu bekommen. Andere Teile, insbesondere für die Struktur des Oldtimers wurden von unseren Technikern selbst hergestellt. Zur Anpassung von Blechteilen an die gewellte Außenhaut wurde beispielsweise ein eigenes Rollenwerkzeug entwickelt. Den Kosten für Gebühren, Technik und Treibstoff standen in erster Linie Einnahmen aus den 5-600 Rund- und Streckenflügen mit bis zu 10.000 treuen Passagieren pro Jahr gegenüber. Soweit erforderlich hat die Deutsche Lufthansa AG den historischen Flugbetrieb zusätzlich unterstützt mit einem jährlichen Ausgleich, der seit 30 Jahren gleich gehalten werden konnte. Eine ganz andere Größenordnung hatten in den letzten zehn Jahren die Aufwendungen für die Restaurierung der Lockheed „Superstar“ L-1649 erreicht. Dieses elegante Langstreckenflugzeug aus den 50er Jahren steht für die letzte, höchste Entwicklungsstufe der Kolbentriebwerke und ist ein Meilenstein der Passagierluftfahrt.



Was sagen Sie zu der Klima-Debatte rund ums Fliegen?
Die Lufthansa nimmt ihre Klima- und Umweltverantwortung seit langer Zeit sehr ernst. 2008 wurden beispielsweise 15 Ziele festgelegt, um bis 2020 immer weitere Fortschritte zu erzielen. Dies sind u.a. die Reduzierung von CO2 und Stickoxid-Emissionen durch Verbesserung von Flugverfahren und Flugzeugen und besonders durch eine ständige Modernisierung der Flotte. Am Beispiel der Boeing B 747, die ich zur Zeit fliege, lässt sich das direkt erkennen: Die Triebwerke der neuen Variante 747-8 haben eine höhere Leistung und sind gleichzeitig wesentlich leiser als die vorherige Version. Über die Gebührenpolitik der Flughäfen werden zusätzliche Anreize zur Modernisierung geschaffen: Laute Flugzeuge werden teurer berechnet. Moderne Verkehrsflugzeuge verbrauchen pro Sitz weniger als drei Liter Kerosin pro 100 km.


Sie pflegen ja auch heute noch den Kontakt zu Ihrem Heimatverein, dem LSV Brilon.


Meiner Mitgliedschaft im Luftsportverein Brilon verdanke ich meine Berufslaufbahn. Ich hatte dort eine wunderbare Jugend. Aber auch heute noch ist es m.E. für einen Jugendlichen faszinierend, zwischen Autos und Flugzeugen aufzuwachsen, daran zu arbeiten, sie selbst zu bewegen und den uralten Traum vom Fliegen bereits mit einem Alter von 14 Jahren realisieren zu können. Ohne den unermüdlichen persönlichen Einsatz einer kleinen Zahl von Gründerfamilien wäre das allerdings alles nicht möglich gewesen, hätte die Stadt Brilon keinen gut entwickelten und schön gelegenen Flugplatz. Nur durch das gemeinnützige Zusammenwirken in einem Verein lassen sich solche Anstrengungen nachhaltig stemmen. Deshalb wünsche ich dem LSV Brilon weiterhin „Hals- und Beinbruch“, wie die Flieger sagen. Vor allem Erfolg bei der nicht immer leicht zu erfüllenden Pflicht, den Interessen möglichst aller Mitglieder gerecht zu werden.


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