Berlin. Der Nachtschreck wirkt beunruhigend – egal ob bei Kindern oder Erwachsenen. Was im Hirn passiert und wie man sich verhalten sollte.

Abruptes Erwachen in der Nacht, oft begleitet von Weinen, Schreien, aufgeregtem Sprechen, intensiven körperlichen Bewegungen und völliger Verwirrung – typisch für den sogenannten Nachtschreck. Obwohl all das mehrere Minuten dauern kann, sind die Betroffenen dabei nicht ansprechbar.

Beim Pavor nocturnus, so der medizinische Name, handelt es sich – tritt dieser häufiger auf – um eine Schlafstörung. Diese kann vor allem Kinder zwischen drei und sieben Jahren, aber auch Jugendliche und in seltenen Fällen Erwachsene betreffen. Die genauen Ursachen sind nicht vollständig geklärt.

Was ist der Unterschied zwischen Albtraum und Nachtschreck?

Der Nachtschreck ist – genau wie der Albtraum – mit Ängsten verbunden. Doch Albträume seien etwas ganz anderes, erklärt Michael Schredl vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. „Zwar schrecken die Betroffenen auch hier in der Nacht aus dem Tiefschlaf auf, allerdings eher in der ersten Nachthälfte und nicht in der zweiten wie beim Albtraum“, so der Schlaf- und Traumforscher.

Und ganz wichtig: Beim Nachtschreck würden die Betroffenen gar nicht richtig wach und könnten sich nach dem Weiterschlafen meist auch nicht an einen Traum oder das Hochschrecken erinnern, so Schredl. Der Nachtschreck sei daher eher mit dem Schlafwandeln verwandt, von dem Betroffene am nächsten Morgen auch selten etwas wissen.

Woran erkennt man den Nachtschreck?

In der Regel haben Betroffene die Augen offen, können nach dem Aufschrecken sogar herumlaufen und sehen auch wohin – vorausgesetzt, es ist genügend Licht da. Gleichzeitig seien jedoch bestimmte Areale des Gehirns nicht richtig wach, betont Schredl. „Vor allem der präfrontale Kortex, der unter anderem für die Angstregulation und das Monitoring zuständig ist.“

Betroffene zeigten daher oft sehr starke physiologische Angstreaktionen, könnten Situationen nicht richtig einschätzen. „Deshalb schreien die Menschen beim Nachtschreck teils ex­trem laut,“, so der Professor. „Das ist etwas, das sie tagsüber gar nicht könnten – so enthemmt ist sonst niemand.“

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    Welche Auswirkungen hat der Nachtschreck für Betroffene?

    In seinem Schlaflabor bietet der Professor eine Sprechstunde für Menschen mit Schlafstörungen an – auch mit Nachtschreck. Seine Erfahrung zeigt: Gerade das eingeschränkte Urteilsvermögen kann schlimme Folgen haben.

    „Beispielsweise gibt es Fälle, da hatten Betroffene den Eindruck, es brennt in der Wohnung, haben sich aber nicht umschauen können, um zu prüfen, ob das wirklich stimmt“, erzählt Schredl. „Eine Panikreaktion setzt sich in Gang, und es gibt zwei Patienten, die sind dann tatsächlich aus dem Fenster gesprungen – der eine ist zum Glück unversehrt im Vorgarten gelandet, der andere hat sich schwer das Bein gebrochen.“

    Neben extremen Folgen belastet der Nachtschreck aber auch den Alltag von Betroffenen und deren Familien durch chronischen Schlafmangel, der tagsüber zu Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Stimmungsschwankungen führen kann. Bei Kindern kann der Nachtschreck zudem Auswirkungen auf die emotionale und kognitive Entwicklung haben – insbesondere wenn die Symptome längere Zeit andauern.

    Was löst den Nachtschreck aus?

    Es wird vermutet, dass genetische Veranlagungen, Schlafmangel und unregelmäßige Schlafumgebungen mögliche Auslöser sein könnten. „Auch Stress kann eine Rolle spielen“, ergänzt Schredl. „Die Forschung zeigt, dass Betroffene einen besonders tiefen Tiefschlaf haben“, erklärt der Experte. „Normalerweise ist es so, dass wir bei einem internen Weckreiz kurz aufwachen und dann einfach weiterschlafen.“

    Bei Betroffenen mit entsprechender Veranlagung führten sie dagegen nur zu einem unvollständigen Erwachen. Bei Stress seien diese Weckreize häufiger und damit auch das Potenzial für einen Nachtschreck.

    Um dem Nachtschreck entgegenzuwirken empfiehlt Schlafforscher Michael Schredl Erwachsenen ein Entspannungstraining vor dem Zubettgehen.
    Um dem Nachtschreck entgegenzuwirken empfiehlt Schlafforscher Michael Schredl Erwachsenen ein Entspannungstraining vor dem Zubettgehen. © Shutterstock / Sergey Mironov

    Was lässt sich gegen den Nachtschreck tun?

    In der Schlafmedizin gibt es verschiedene Ansätze, dem Nachtschreck entgegenzuwirken: von Verhaltensänderungen über eine Verbesserung der Schlafhygiene bis hin zu medikamentösen Ansätzen – vorrangig mit dem Ziel, Stress zu reduzieren. „Gerade bei Erwachsenen empfehlen wir als allererste Methode ein Entspannungstraining vor dem Zubettgehen“, so Schredl. Wichtig sei, dass Betroffene noch nicht im Bett liegen. „Da sie ja meist einen tiefen Schlaf haben und dadurch auch schnell und leicht einschlafen, schaffen sie es dann oft nicht, die Übungen tatsächlich bis zum Ende durchzuführen.“

    Auch bei Kindern reduzierten Entspannungsmethoden die Häufigkeit deutlich, davon ist der Schlafforscher überzeugt. Ergänzend seien eine ruhige und angenehme Schlafumgebung, die Einhaltung einer regelmäßigen Schlafenszeit und das Reduzieren sonstiger Stressfaktoren hilfreich.

    Generell gilt: „Mit zunehmendem Alter reift das Gehirn und die Wahrscheinlichkeit für einen Nachtschreck sinkt“, erklärt Schredl. „Egal ob mit oder ohne Veranlagung dazu.“

    Wie sollte das Umfeld bei einem Nachtschreck reagieren?

    „Gerade für Eltern ist es wichtig zu wissen, dass das Kind sie in der Regel nicht erkennt“, betont Schredl. „Wollen Eltern das Kind dann wach rütteln, um diesen Zustand massiver Angst zu beenden, dann kann es sein, dass das Kind noch mehr Angst kriegt.“

    Denn subjektiv seien die Eltern in dem Moment fremde Personen. Beruhigendes Reden und sanftes Begleiten zurück ins Bett und in den Schlaf seien daher – egal ob bei Kindern oder Erwachsenen – immer die Mittel der Wahl.