Berlin. Medikamente lassen sich in Wasser aufgelöst einfach einnehmen. Brausetabletten boomen – allerdings sehen Mediziner den Trend kritisch.
- Medikamente als Brausetabletten sind gefragter denn je
- Der Grund: Die Medizin kann so einfacher eingenommen werden
- Doch Experten warnen vor den Brausetabletten
Zahlreiche Medikamente werden auch als Brausetabletten angeboten – vor allem Schmerzmittel oder Hustenstiller. Das sprudelnde Wasser soll die Einnahme der Medizin angenehmer machen und sicherstellen, dass der Wirkstoff mit einer ausreichenden Menge Flüssigkeit eingenommen wird. Bei einigen Wirkstoffen verbessert sich so auch die Verträglichkeit.
Allerdings enthalten Brausetabletten Natrium und erhöhen somit die Natrium-Zufuhr. Es gilt mittlerweile als erwiesen, dass Natrium, das ansonsten vorwiegend in Form von Speisesalz (Natriumchlorid) aufgenommen wird, ein wichtiger Risikofaktor für hohen Blutdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist.
Krank durch Medikamente? Diese Gefahr bergen Brausetabletten
Um das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken, empfehlen Ärzte üblicherweise eine eher salzarme Kost. Besonders gilt dies für Menschen, die bereits unter Bluthochdruck leiden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät, am Tag nicht mehr als fünf Gramm Salz – das entspricht zwei Gramm Natrium – zu sich zu nehmen.
Aber: Werden zusätzlich zur Nahrung noch Brausetabletten eingenommen, ist diese Grenze schnell überschritten. Von den üblichen Paracetamol-Brausetabletten mit 0,39 bis 0,44 Gramm Natrium dürfen alle sechs Stunden zwei Stück eingenommen werden. Die Tageshöchstdosis Paracetamol liegt demzufolge mit einem Natriumgehalt von 3,1 bis 3,5 Gramm bereits weit über dem WHO-Limit von zwei Gramm.
„Das bedeutet, dass man alleine durch die Einnahme von Paracetamol-Brausetabletten bereits zu viel Natrium konsumieren kann. Die Nahrung ist dabei noch gar nicht eingerechnet“, erklärt der Homburger Kardiologe Felix Mahfoud. Hinzu kommt, dass auch viele andere Medikamente, etwa Mittel gegen Sodbrennen, Hustenstiller und auch Vitaminpräparate, ebenfalls in Form natriumhaltiger Brausetabletten angeboten werden.
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Mediziner: Salz in Brausetabletten als „unterschätzter Faktor“
„Das in Brausetabletten enthaltene Natrium ist ein weitgehend unterschätzter Faktor bei der Vorbeugung von Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Krankheiten“, ergänzt Mahfoud. Der Leitende Oberarzt am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg/Saar betont, die meisten Menschen hätten diesen Zusammenhang nicht auf dem Schirm – auch viele Ärzte nicht.
Eine 2022 erschienene Studie britischer Forschender zeigt, dass die zusätzliche Natrium-Zufuhr durch Brausetabletten möglicherweise sowohl das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen als auch das Sterberisiko markant erhöht. „Dies gilt nicht nur bei Patienten, die bereits zu hohen Blutdruck haben. Auch Personen mit normalen Blutdruckwerten können durch Brausetabletten ihre Natrium-Zufuhr so stark anheben, dass Herz-Kreislauf-Krankheiten drohen“, berichten sie im Fachblatt „European Heart Journal“.
Für die Studie wurden fast 300.000 Patientinnen und Patienten in Allgemeinarztpraxen in Großbritannien untersucht. Sie hatten von ihrer Hausärztin oder ihrem Hausarzt aus unterschiedlichen Gründen das Schmerzmittel Paracetamol verschrieben bekommen. Bei einigen war das Rezept auf Paracetamol-Brausetabletten ausgestellt, bei anderen auf normale Paracetamol-Tabletten zum Schlucken.
Britische Studie: Vermehrt Herz-Kreislauf-Erkrankung nach Brausetabletten
Einige der Patienten hatten bereits hohe Blutdruckwerte, als ihnen die Brausetabletten verschrieben wurden. Sie erlitten im um fast 60 Prozent häufiger einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall oder ein Herzversagen als jene Bluthochdruck-Patienten, die normale Paracetamol-Tabletten erhalten hatten.
Bei Patienten mit normalen Blutdruckwerten war das Risiko einer Herz-Kreislauf-Erkrankung nach der Einnahme von Paracetamol-Brausetabletten um 45 Prozent erhöht. Und nicht nur das: In den Gruppen mit den Brausetabletten war auch eine höhere Sterberate messbar.
Was die Studie ebenfalls zeigt: Offenbar gibt es eine Beziehung zwischen der Menge der verschriebenen Paracetamol-Brausetabletten und dem Erkrankungsrisiko. Je mehr Rezepte die Studienteilnehmer in dem untersuchten Jahr bekommen hatten, desto höher war ihr Risiko für Herzinfarkte, Schlagfälle, Herzversagen und Tod.
Zusammenhang mit erhöhtem Salzgehalt noch unklar
Herzspezialist Mahfoud warnt allerdings, aus diesen Ergebnissen voreilige Schlüsse zu ziehen: „Die beobachtete Beziehung zwischen Paracetamol-Dosis und Erkrankungsrisiko deutet zwar darauf hin, dass das in den Paracetamol-Brausetabletten enthaltene Natrium für den Unterschied zwischen den Patienten verantwortlich sein könnte. Einen zweifelsfreien Beweis liefert sie aber nicht.“
Bei der britischen Studie handele es sich um die Analyse einer großen Datenbank von Hausarztpatienten. Aus solchen Untersuchungen könne man immer nur einen Zusammenhang ableiten – in diesem Fall zwischen den natriumhaltigen Brausetabletten und dem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
„Man kann mit einer solchen Datenbankanalyse aber nicht zeigen, dass das Natrium in den Brausetabletten die Ursache für die vermehrten Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist“, betont der Kardiologe. Mögliche andere Ursachen lassen sich nämlich nicht ausschließen. So wurde in der Studie beispielsweise nicht berücksichtigt, wie viel Natrium die Patienten über die Nahrung aufnahmen.
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Brausetabletten: Patienten sollten eine unnötige Einnahme vermeiden
„Dennoch – was man mittlerweile aus anderen Studien weiß, ist, dass Natrium und die damit einhergehende Blutdruckerhöhung ganz offensichtlich ein Problem darstellen“, so Mahfoud. „Viele Gründe, Paracetamol in Form von Brausetabletten zu nehmen, gibt es nicht – allenfalls für Menschen mit Schluckstörungen bieten sie einen Vorteil. Ärzte und Patienten sollten sich des mit natriumhaltigen Brausetabletten einhergehenden potenziellen Risikos bewusst sein und die unnötige Einnahme vermeiden, speziell wenn das Arzneimittel länger eingenommen wird.“