Berlin. Bei „Miosga” geht es darum, wie man mit Radikalen reden kann. Michael Kretschmer (CDU) bekam von einem Historiker sein Fett weg.
Matthias Ecke, der Spitzenkandidat der sächsischen Sozialdemokraten für die Europawahl, ist am vergangenen Freitag in Dresden bei einem Angriff zusammengeschlagen und so schwer verletzt worden, dass er operiert werden muss, wie die SPD in Sachsen mitteilte. Außerdem soll kurz zuvor ein Wahlkampfhelfer der Grünen angegriffen und verletzt worden sein. Es könnte sich in beiden Fällen um die gleichen Täter handeln.
„Wenn kein Wahlkampf mehr möglich ist, dann ist es keine Demokratie mehr”, sagt der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) bei „Miosga” dazu. „Das sind Feinde der Demokratie”, so Kretschmer. Er fügte hinzu: „Es ist wirklich fünf vor zwölf.“ Die Gewalt sei „leider nicht auf eine Region beschränkt, sondern ein Phänomen, das sich in Deutschland insgesamt ausbreitet und dem wir ein Stopp-Zeichen entgegensetzen müssen“, sagte der CDU-Politiker.
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„Caren Miosga“ in der ARD: Das waren die Gäste am Sonntag
- Michael Kretschmer (CDU, Ministerpräsident in Sachsen)
- Elisabeth Niejahr (Geschäftsführerin „Demokratie stärken“)
- Ilko-Sascha Kowalczuk (Historiker und Publizist)
Miosga will von dem Mann, der bei der Landtagswahl im kommenden September wiedergewählt werden möchte, wissen, ob sich nicht auch seine Sprache durch den Einzug der AfD ins Parlament verändert habe. Die Moderatorin bezieht sich dabei vor allem auf den Umgang der Union mit den Grünen und der damit einhergehenden Sprache.
Kretschmer weicht immer wieder aus und spricht von „Problemen, die bestehen und nicht gelöst werden”. Erst nach mehrmaligen Nachfragen lenkt er ein: „Natürlich werde ich an solchen Tagen auch mal nachdenklicher.”
„Caren Miosga” in der ARD: Als es um die AfD-Problematik geht, blafft Kretschmar Miosga an
Aktuell käme die CDU in Sachsen auf 30 Prozent, die AfD würde mit 35 Prozent die stärkste Kraft werden. Das sind die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap im Auftrag des MDR. Als die Moderatorin deshalb vom Ministerpräsidenten wissen will, warum man die Problematik so lange ignoriert habe, wird der sauer. Ein wirkliches Gespräch zum Thema entsteht nicht.
Doch Zahlen zeigen: Sachsen und Sächsinnen verlieren das Vertrauen in die Institutionen und die Ressentiments nehmen zu, so die Ergebnisse aus dem aktuellen Sachsen-Monitor. Demnach stellen 45 Prozent der Befragten das Recht auf freie Meinungsäußerung infrage. Für ein Drittel gleicht Deutschland inzwischen mehr einer Diktatur als einer Demokratie.
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Historiker bei „Miosga”: „Rechter Sprech ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen”
Elisabeth Niejahr ist Geschäftsführerin bei „Demokratie stärken“ der gemeinnützigen Hertie-Stiftung. „Eine Partei, die seit 1990 regiert, hat definitiv Verantwortung”, sagt sie über die CDU. „Der Minister hat das kleingeredet. Wir haben seit 1990 ein massives Problem mit Rechtsextremen”, meint der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk.
Er wirft den Konservativen vor allem eins vor – und zwar, dass sie die antidemokratische Sprechweise als Teil ihrer Rhetorik verwenden. „Das Unsagbare wird immer Sagbarer gemacht”, sagt er und nennt verbale Angriffe seitens der Union auf die Grünen als Beispiel. “Das Problem ist, dass Konservative die Sprache und die Denke der AfD übernommen hat.” Kretschmar nennt das „unredlich” und eine „Frechheit”. Derartige Aussagen würden „die Diskussion vergiften” und „erst recht dafür sorgen, dass dieses Phänomen größer wird”.
Elisabeth Niejahr glaubt, dass Politiker und Politikerinnen, statt in derartige Rhetorik zu verfallen, doch besser für die Demokratie werben sollten. Und Kowalczuk meint, man solle sich mehr „auf die Demokrat*innen konzentrieren” und nicht über jedes Stöckchen springen. „Demokrat*innen sollten sich gegenseitig stärken, das vermisse ich.” Denn das derzeitige Problem sei „der rechte Sprech in der Mitte der Gesellschaft.”
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