Berlin. Antisemitisches Geraune in einem Podcast fällt Markus Lanz auf die Füße – und das in der eigenen Sendung. Die Stimmung kochte hoch.
Die ZDF-Talkshow von Markus Lanz ist für kontroverse Runden bekannt: Gern bohrt der TV-Moderator so lange nach, bis der Geduldsfaden seiner Gäste reißt – oder zumindest kurz davor ist. Den Schlagabtausch, den er sich aber am Donnerstag mit FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann lieferte, fand auf einer neuen Ebene statt.
Der gern gesehene Talkshow-Gast drehte den Spieß um und feuerte den ersten verbalen Schuss auf einen sehr wunden Punkt des Moderators. Die gegenseitigen Schuldzuweisungen gingen so weit, dass letzten Endes die Gäste die Gemüter beruhigen mussten. Ein Job, der unter normalen Umständen dem Moderator zufällt.
Von den weiten Feldern der Außenpolitik machte Strack-Zimmermann gleich zu Beginn der Sendung einen Schwenk zu Lanz‘ Podcast. Sie berichtete zunächst, wie sie dem Israel-Hass tunesischer Parlamentarier die Stirn bot – und kam auf den Israel-Hass auf deutschen Straßen zu sprechen. „Eigentlich müssten wir für zwei Minuten den Platz tauschen“, sagte Strack-Zimmermann anschließend und schlug damit wohl wissentlich den Konfrontationskurs ein.
Markus Lanz: Gemeinsam mit Richard David Precht musste er sich dem Antisemitismus-Vorwurf stellen
Hintergrund ist ein Podcast, den Lanz gemeinsam mit dem TV-Philosophen Richard David Precht aufnimmt. Bereits einige Male sorgten die Inhalte für Furore. Doch zuletzt fing sich das Format den Vorwurf des Antisemitismus ein: Orthodoxe Juden dürften nicht arbeiten, sagte Precht vor seinen Zuhörern im einstelligen Millionenbereich. Ausgenommen seien „Diamantenhandel“ und „Finanzgeschäfte“, so Prechts stereotypisch-antisemitische Beschreibung, der Lanz mit einem „genau“ zustimmte.
Die öffentliche Resonanz war verheerend, sodass sich Lanz und Precht in einer Sonderfolge ihres Podcasts erklären mussten. „Falsch“ sei die Aussage gewesen. „Das war so salopp dahergeredet“, so Precht in seiner Entschuldigung, die FDP-Politikerin Strack-Zimmermann wohl nicht reichte.
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Medienkritik brachte Lanz erneut in Wallung
„Völlig ohne rot zu werden“ habe Precht eine solche „antisemitische Attitüde rausgehauen“, sagte sie, während sich Lanz grübelnd die Mundwinkel mit dem Zeigefinger rieb. „Betrifft mich jetzt persönlich und ich muss ehrlich sagen: Ich find’s schwierig“, entgegnete Lanz vorwurfsvoll. „Es gibt, glaube ich, wenig Leute im deutschen Fernsehen, die in den letzten 15 Jahren so viele Gespräche mit Holocaust-Überlebenden in einer Fernsehsendung geführt haben wie ich hier“, verteidigte sich der Moderator.
Damit wäre der kurze Disput, den die restlichen Gäste nur still beäugen konnten, eigentlich ausgetragen. Doch eine Anmerkung Strack-Zimmermanns brachte den Moderator erneut in Wallung: „Sehr genau hinschauen“ müssten etwa auch politische Entscheidungsträger bei diesem Konflikt, sagte Strack-Zimmermann und nannte in diesem Zusammenhang auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR). Dieser habe das Narrativ der Hamas, Israel sei für die Bombardierung des Krankenhauses in Gaza verantwortlich, übernommen.
„Jetzt wissen Sie mal, wie das ist, wenn Sie Ihre Gäste grillen“, versucht die FDP-Politikerin vergeblich, die Stimmung im Studio noch zu retten, während Lanz entnervt die Augen zusammenkniff. „Diese Situation ist zu ernst, um jetzt hier Späße zu machen“, unterdrückte Lanz das aufkommende Kichern der sonst schweigenden Studiogäste.
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Mit einer Handbewegung wischt Lanz aufkommende Zustimmung weg
Aus anfänglicher Kritik am Lanz-Podcast entbrannte eine Fundamentaldebatte über die Berichterstattung des ÖRR im Krieg. „Auch in Ihrer Partei ist es in Mode gekommen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk irgendwie in den Senkel zu stellen“, so Lanz im Verteidigungsmodus. Es sei mitnichten so, dass diese Darstellung nur im öffentlich-rechtlichen Fernsehen passiert sei.
An dem Punkt hätten sich die Streithähne zum zweiten Mal einig werden können an diesem Abend: „Die Deutungshoheit über Narrative, das ist etwas, womit heutzutage Kriege, auch Propaganda, in den Köpfen der Leute gewonnen werden“, referierte Lanz, der jedoch die aufkommende Zustimmung Strack-Zimmermanns mit einer Handbewegung wegwischte, um zur Retourkutsche auszuholen.
„Wie oft haben Sie sich schon nach einem Twitter-Eintrag, den Sie gemacht haben …“ – weiter kam der Moderator nicht, denn die FDP-Politikerin gestand, dass sie einmal einen Tweet zurücknehmen musste. Damals ging es um den Einschlag einer Rakete auf polnischem Staatsgebiet, den die FDP-Politikerin Russland zuschrieb.
Am Ende muss ein Gast dazwischengehen
Das stellte sich später als falsch heraus, was für Lanz ein Jahr später zum gefundenen Fressen wird: „Sehen Sie, wie schnell das geht“, sagte Lanz seiner Gesprächspartnerin, die ihm wiederum vorwarf, vom Thema Antisemitismus abzulenken. Beim Versuch, den Vorwurf abzustreiten, warf Lanz trocken ein: „Frau Strack-Zimmermann, Sie merken das Problem, ne?“
Einige „Herr Lanz, Sie wollen doch bitte nicht …“ und „Frau Strack-Zimmermann, ist nicht in Ordnung, was Sie hier machen“ später waren es die perplexen Zuhörer, die dem Moderator die nötige Intervention einer festgefahrenen Diskussion abnahmen. „Wollen wir nicht alle etwas abrüsten?“, fragte der Militärhistoriker Sönke Neitzel nach einer zehnminütigen Diskussion, die bei einem Podcast begann, zu Krieg in Medien schwenkte und sich letztlich unauflöslich um die Frage drehte, ob die Verteidigungspolitikerin mit ihrem Twitter-Post den gleichen Fehler wie viele Medien machte, die zunächst Angaben der Hamas zum Krankenhausbeschuss übernommen hatten. Der gemeinsame Nenner? Offen.
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