Dortmund. 3500 Karten im Flug verkauft. Sonntag war Premiere für Loriots „Ring an einem Abend“. Auf dem Moderationsofa im Opernhaus: Götz Alsmann
Zeigt einer im Parkett, Reihe 5, aufs leere Biedermeiersofa am Rand der Bühne und sagt „Zimmer frei!“. Auch so kann man Klassik 2024 verkaufen: Nimm Dir einen Publikumsliebling als Lockvogel und selbst ein Brocken wie Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ geht in Dortmund weg wie warme Semmeln. 3500 Karten, drei mal volles Haus! Jetzt muss eine Extravorstellung her (s.u.)
Jubel für Loriot und Götz Alsmann: „Ring an einem Abend“ in Dortmund
Wovon der Opernalltag mit seinen immer öfter leeren Reihen träumt, schafft: Götz Alsmann. Dabei surft der Mann, der auch mit 67 die Mords-Tolle des sacht ergrauten Hauptes kultiviert, auf einer rund 40 Jahre alten Erfolgswelle. Denn man strömt zwar zu Alsmann, hört aber aus seinem Munde: puren Loriot. Der Jahrhunderthumorist (1923-2011) schuf einst den „Ring an einem Abend“. Und der war eben ganz Loriot: ironiegesättigt und wagnerverliebt zugleich, ein kaum dreistündiger Opernführer durch das längste Werk des Musiktheaters. Drei Stunden bei original 16! Also im Grunde ein Daumenkino für Wagnerianer.
Apropos Wagnerianer. Wie heißen eigentlich die, die wegen des Anderen hier sind? Alsmannen? Der Abend hat dann aber doch eine andere Dynamik als vielleicht von vielen gedacht. Alsmann, der routinierte Pointenjäger, lässt sich zwar nichts entgehen, liefert die Mythen-Reise zu garstigen Zwergen und sehr menschlichen Göttern entschieden druckvoller als Loriot. Sein Anteil an diesen 185 Minuten ist indes produktbedingt übersichtlich. Loriot leistete sich den Spaß einer juxigen Inhaltsangabe; am eigentlichen Zentrum ließ er nicht die geringsten Zweifel: Wagners Musik.
„Ring an einem Abend“ mit Götz Alsmann: Jubel für Dortmunds Philharmoniker
Vom samtgrünen Sofa aus (eben nicht Markenzeichen von „Zimmer frei“, sondern jahrelang telegener Schau-Platz für Vicco von Bülow und Evelyn Hamann) goutiert der Jazzfan Alsmann im Smoking die großen Szenen des Mammutwerks. Die haben starke Anwälte im Dortmunder Opernhaus. Denn der „echte“ Ring steht auch auf dem Spielplan. Dortmunds Philharmoniker, immer schon eine starke Wagner-Adresse, sind sozusagen derzeit im Flow.
Und so ruft Generalmusikdirektor Gabriel Feltz mühelos die berauschenden Klangfarben der kompositorischen Großtat ab. Den kleinen Hornwackler im „Rheingold“ lassen wir mal beiseite. Wie aber die Philharmoniker den Rheintöchtern ein wogendes Flussbett bereiten, die irisierende Magie von Wotans Feuerzauber funkeln lassen und die trügerische Idylle einer Morgenstimmung in der „Götterdämmerung“ als zartes Pastell auskolorieren, das hat ganz großes Format. Am Ende ist es dann auch das Orchester, das im Schlussjubel am stärksten abräumt.
Da waren dann auch die fasziniert, die wegen Alsmann gekommen waren und dem Faszinosum Wagner im Schwertumdrehen binnen kaum 180 Minuten erlagen. Großartige Interpreten taten dafür das ihre. Mandla Mndebeles Wotan vereinte sonor Macht und Martyrium. Seine strahlende Schönheit konnte Irina Simmes‘ präzis fokussierter Sopran in gleich drei „Ring“-Partien beweisen. Nicht weniger fesselnd: Morgan Moodys sinistrer Alberich und Tanja Christine Kuhns sinnlich auftrumpfende Brünnhilde. Eine Mordsstimme für den Oberschurken Hagen bringt Artyom Wasnetsov mit, die Statur ohnehin - ein Zwei-Meter-Schrank von größter Begabung. Und als Stargast räumte der Schwede Daniel Frank ab. Clever nutzte der Heldentenor die Chancen einer konzertanten Aufführung. Wen kein Bühnenbild, kein Kostüm einengt, der huldigt allein der Musik. Da war eine aufwühlend zarte Piano-Kultur zu hören, die in der Poesie eines Kunstliedes auch Neulingen zeigte, dass es ein blödsinniges Vorurteil ist, bei Wagner sei immer alles laute Überrumpelung.
Stehende Ovationen für Loriots „Ring“ in Dortmund
Am Ende stehend Ovationen, Jubel für alle und alles. Vielleicht haben ein paar Menschen Blut geleckt. Ab März können sie ihren Durst stillen. Es gibt den kompletten Nibelungenring im selben Haus gleich zwei Mal.
Loriot/Götz Alsmann: Der Ring an einem Abend. Ca 3h, eine Pause. Opernhaus Dortmund. Die Aufführungen am 21. Dezember und 29. Januar sind restlos ausverkauft. Neu im Ticket-Angebot ist eine Zusatzvorstellung am 7. Februar. Noch Karten gibt es dort auf allen Plätzen (16-61€) auf www.theaterdo.de oder unter 0231-50 27 222.