Essen. Der Buchspazierer mit Christoph Maria Herbst feierte Premiere in der Lichtburg: „Mehr NRW in einem Film geht nicht“, frohlockte der Schauspieler.

Als er das Angebot für die Hauptrolle im „Buchspazierer“ bekam, habe er kurz überlegt, „ob er die Tür zum Karriereende wirklich schon öffnen soll“, scherzt Christoph Maria Herbst bei der Deutschlandpremiere in der Essener Lichtburg. Schließlich bestehe die Gefahr, künftig „nur noch als Alm-Öhi“ angefragt zu werden. Das Gegenteil wird der Fall sein: Mit seiner Rolle als Carl Kollhoff überzeugt der 58-Jährige einmal mehr von seiner Schauspielkunst. Dass er so glaubhaft den alten und gebrochenen Mann mimt, sei dabei auch der großartigen Maske von Mirjam Himmelsberger zu verdanken, „die mir schon vor 25 Jahren den Stromberg ins Gesicht tapeziert hat“.

Ebenso überzeugend wie Herbst spielt Nachwuchsschauspielerin Yuna Bennett, die als Halbwaise Schascha das Herz des greisen Buchspazierers ebenso berührt wie das der Kinozuschauer. Und so wundert es gar nicht, dass selbst der Hüne Tristan Seith, der im Film die Rolle des „Herkules“ mimt, sich nach der Premiere ein Tränchen aus dem Augenwinkel wischt.

Die Kunden des Buchspazierers: Das doppelte Lottchen und Effi Briest

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Herkules ist dabei ebenso wie die übrigen Filmfiguren fast märchenhaft überzeichnet: Wie Frau Langstrumpf, Effi Briest, Mr. Darcy und das doppelte Lottchen ist auch er ein Stammkunde des Buchspazierers. Die Spitznamen hat sich freilich der Buchspazierer ausgedacht, der mit mehr als tausend Büchern in einer abgedunkelten Wohnung lebt, wie „mit einer Familie aus Papier“. Jeden Tag läuft er durch eine pittoreske Kleinstadt, das „Dorf der Lesenden“, um „die Bücher zu den Menschen zu bringen“. Außer zu seinen Kunden, deren Haustürschwelle er niemals übertritt, hat Carl Kollhoff keine Kontakte zu Menschen: Bis das ebenso bücherverliebte Mädchen Schascha in sein Leben tritt und beginnt, seine Runden zu begleiten und schließlich zu bereichern. Indes wird der Buchladen, für den Kollhoff arbeitet, von einer Kette übernommen und seine Dienste immer weniger gefragt. Und dann verbietet Schaschas Vater (Ronald Zehrfeld) ihm in blinder Eifersucht auch noch den Kontakt zu Schascha.

Viel Stoff für herzerwärmendes Kino, das seine Zuschauer perfekt auf einen gemütlichen Herbst einstimmt, die Jahreszeit der Filme und Bücher. Gerade für letztere wirbt der Film bis an die Grenze der romantischen Verklärung: Goethe, Fontane, Michael Ende, Johanna Spyri, Edgar Allan Poe: kaum eine Legende der Literatur, die im Buchspazierer nicht zumindest erwähnt, manchmal auch zitiert wird. Fast zärtlich berührt Carl Kollhoff seine Bücher, pustet sich vorher den imaginären Schmutz von den Händen, saugt ihren Duft ein. Und so macht der Film von Regisseur Ngo The Chau große Lust, es sich mit einem dicken Schmöker zu Hause gemütlich zu machen.

Filmschauplätze überwiegend in NRW, vor allem in Velbert-Langenberg

Zum Beispiel mit der Originalvorlage zum Film von Bestseller-Autor Carsten Sebastian Henn, der nach der Filmpremiere sichtlich gerührt auf der Bühne der Lichtburg steht. Seine einzige Kritik an dem Film sei, dass er zu kurz ist, sagt er und lobt das Drehbuch von Andi Rogenhagen. Sein Plot sei perfekt verdichtet worden, sowohl Cast als auch Filmset würden „seinen Buchspazierer“ perfekt aus dem Buch auf die Leinwand bringen.

Gedreht wurde übrigens vorwiegend in NRW, vor allem in Velbert-Langenberg, aber auch im Moviepark Bottrop. „Mehr NRW in einem Film geht gar nicht“, frohlockte auch Christoph Maria Herbst, der in Wuppertal geboren wurde.

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