Essen. „The Crow“ ist die Neuverfilmung des Comicromans von 1989 und kommt an den Film der 90er nicht heran. Eine brutale Angelegenheit.
Kino der Nacht, Spiel mit Licht und Schatten: „Die Krähe“, 1994 entstanden nach James O‘Barrs gleichnamigem Kult-Comicroman, war Kintopp seiner Zeit, eine mystisch verklärte Action-Phantasie, postmoderner Hexensabbath in Blutrot, hart, schnell und ganz und gar auf brutalisierten Oberflächenkitzel getrimmt. 30 Jahre sind seither vergangen, jetzt gibt es eine Neuverfilmung des Stoffs und sie reicht in keinem einzigen Punkt von Erzählung oder Ausgestaltung an die filmische Vorlage heran.
Was die eine Frage aufwirft, ob ein Film unserer Zeit sich überhaupt an etwas messen lassen muss, das unter anderen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entstand. Nun, hier darf zumindest geteilte Meinung gelten. Zumal die zugrundeliegende Geschichte keine signifikant abweichenden Modernisierungen oder sonstige Neudeutungen erfahren hat. Immer noch geht es im Kern um eine Liebesgeschichte. Im Knast lernt der melancholische Eric die reiche Shelly kennen. Sie verknallen sich, brechen aus, werden nach ein paar schönen Tagen von einer okkulten Verbrecherbande ermordet. Eric entsteigt dank der Kraft seiner Liebe dem Grab, dann rechnet er mit seinen Mördern ab.
„The Crow“ im Kino: Die Gewaltdarstellung hat sich verschärft
Ist das also letztlich nur eine weitere gedankenschlichte Rachestory? Ja, und es traf schon auf die literarische Vorlage und den ersten Film zu. Und wenn sich 2024 die Gewaltdarstellung nochmals verschärft hat, ein noch zynischerer Ton herrscht im Blick auf das Wegmetzeln und Niedermähen von anonymisiertem Kanonenfutter, dann findet sich der Ursprung des Phänomens in den abschmelzenden Wertemaßstäben der Gesellschaft. Der Film ist dann nur Medium, um das zu spiegeln. Man kann es auch anders betrachten. Mit Brutalspektakel lässt sich leichter ein schneller Dollar verdienen als mit psychologisch fundierter Charakterauslotung.
Der Punkt ist, ob ein Film trotzdem in Ausgestaltung oder Aussage über den Tellerrand der Sensationslust blickt. Davon kann im gegebenen Fall keine Rede sein. Fast eine Stunde lang zelebriert Regisseur Rupert Sanders eine in der Werbeclipästhetik für Longdrinks getränkte Romanze zwischen dem für mimische Herausforderungen nur mäßig talentierten Musikstar FKA Twigs und Titeldarsteller Bill Skarsgard, der als „ES“-Cown zu Ruhm kam, hier aber nur als Tattoomodel mit dem Gesicht eines Punkboys aus gutem Hause aufläuft. Danny Huston als feingeistiger Schurke, der dem Teufel Seelen zuführt, ist ebenso wenig eine Bereicherung im Spiel wie die sträflich ungenutzte Finnin Laura Birn.
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In der letzten halben Stunde fährt die Regie dann ihre eigentliche Attraktion auf. Eric, untot und nicht umzubringen, geht mit einem Japanschwert auf alle Bösen los, ersticht, zerschneidet und zerstückelt, bis ein ganzes Operngebäude in Blut und abgetrennten Körperteilen schwimmt. Manche Leute gucken sich solche Exzesse gerne an. Der Jugendschutz hat in solchen Fällen schon lange seine Wirkmacht verloren.