Essen. Frankreichs Kinohit „Was ist schon normal?“ läuft in Deutschland an. Warum die Regiearbeit des Komikers Artus hier nicht funktioniert.

Eine Bank überfallen oder einen Juwelier, das ist ganz einfach. Die Beute abgreifen und dann ungeschoren davonkommen, ohne dabei Anderen ein Haar zu krümmen und dann noch am Ende in Frieden die Beute zu genießen – das schafft so gut wie keiner. Aber manche versuchen es trotzdem immer wieder, so auch der in der Szene einschlägig renommierte La Fraise und sein Sohn Paul.

Und sie verkacken tüchtig. Schon beim Überfall rutscht Paul die Maske vom Gesicht, und als sie es dennoch raus auf die Straße schaffen, ist das Fluchtauto weg. Paul hatte den Wagen auf einem Behindertenparkplatz abgestellt. Die Chance zur Flucht eröffnet sich eine Straße weiter, wo allerlei junge Menschen vor einem Bus auf einen Nachzügler mit Namen Sylvain warten. La Fraise (Clovis Cornillac, der auch mal Asterix spielte) gibt Paul als Sylvain aus und sich selbst als Sylvains Betreuer – und schon sitzen alle im Bus und fahren in die Provinz zum Hüttenurlaub.

„Was ist schon normal“ erzählt im Kino von Paul, der sich als Sylvain ausgibt

Damit kein falscher Eindruck entsteht, der eigentliche Film fängt jetzt an und erzählt von einem normalen Typen mit Namen Paul, der sich trotz bester Gesundheit als geistig leicht angeschlagener Junge Sylvain ausgibt. Die tatsächlich behinderten Menschen um ihn herum erkennen die Maskerade sofort, informieren aber nicht das Betreuerteam, sondern nutzen ihr Wissen, um Paul kleine Gefallen abzupressen. Es gibt ja auch rein gar keinen Grund, warum Menschen mit Chromosomenanomalie nicht auf ihren Vorteil bedacht sein sollten. Zugleich müssen die beiden scheinbar normalen Typen erleben, dass Gemeinschaftssinn und Verlässlichkeit überall eine starke Basis für Freundschaft sind, sobald die ersten Hürden beim Kennenlernen überwunden sind.

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Diese Vorgabe im komödiantischen Rahmen kommt nicht oft vor, brachte aber mit „Wir sind Champions“ und „Glück auf einer Skala von 1 bis 10“ zuletzt zwei Filme mit feiner Balance zwischen Lachfaktor und Tiefgang hervor. Der Komiker Artus, der Paul spielt und nach eigenem Drehbuch auch Regie führte, scheint weniger ein Mann der leisen Töne. Die Handlung und den Sinn für Slapstick und Wortwitz hat er sich mehr als deutlich beim Superhit „Willkommen bei den Sch’tis“ abgeschaut und lag damit beim französischen Publikumsgeschmack goldrichtig.

„Was ist schon normal“ lockte in Frankreich zehn Millionen Menschen ins Kino

Zehn Millionen Zuschauer zog sein Film im Nachbarland in die Kinos, was keine Empfehlung hierzulande sein muss. Der Humor der Franzosen und sein deutsches Gegenstück liegen längst nicht immer auf einer Linie. Am besten funktioniert „Was ist schon normal?“, wenn er seine Gags nicht ganz so marktschreierisch ankündigt, und wenn er ungeniert auf die Gefühlsdrüse drückt. Und ein klein bisschen mehr hätte von der Geschichte des echten Sylvain gezeigt werden können, der in den falschen Bus stieg und einen wilden Partyurlaub feierte. Aber auch das wäre sicher kein normaler Film geworden.