Essen. Kinos in NRW hadern mit hohen Kosten und zu wenig Besuchern. Die Flucht nach vorne: Investitionen in Säle und Technik. Nicht überall reicht das.

Das Popcorn, die Leinwand, der Sound: Die Stärken von großem Kino, sie reichen nicht aus, um die Besucherzahlen wieder auf das Niveau vor der Pandemie zu bringen. 2023 blieb die Zahl der verkauften Tickets immer noch fast 20 Prozent hinter jenen von 2019. Die Kinobetreiber reagieren – mehr moderne Säle, dazu neue Konzepte. All das kostet Geld.

Und es fließt nicht von allein. Über sieben Prozent weniger verkaufte Tickets als im letzten Jahr, das ist die ernüchternde Bilanz der Filmförderungsanstalt zum ersten Halbjahr 2024. Eine Folge des US-Autoren-Streiks, vermutet Christian Bräuer, Vorsitzender des deutschen Filmkunsttheaterverbandes AG Kino-Gilde. „Filme haben sich verschoben oder sind nicht fertiggeworden.“ Gleichzeitig wird mit Blick auf die Entwicklung der vergangenen Jahre deutlich, dass sich der Kinomarkt nach Einbruch während der Corona-Pandemie stetig erholt.

Die Besucher sind nicht alles: „Die immens gestiegenen Energiekosten und höhere Personalausgaben setzen auch die Betreiber von Kinos unter Druck (...), da sich diese Kosten nicht beliebig an die Besucher weitergeben lassen“, sagt NRW-Medienminister Nathanael Liminski. Doch während sich Multiplexe – von Fördermitteln ohnehin meist ausgeschlossen – an ihre Muttergesellschaften wenden können, ist die Situation für kleine Kinos kaum zu stemmen.

Neue Sitze, Lounge, Essens- und Eingangsbereich: Im Cinestar Dortmund passiert viel.
Neue Sitze, Lounge, Essens- und Eingangsbereich: Im Cinestar Dortmund passiert viel. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

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In Dortmund und Bochum: Zwischen Zuversicht und Krise

Ihren Untergang sieht die Kino-Sparte trotz aller Widrigkeiten nicht. „Die Branche hat die Krise gut überstanden“, betont Matthias Terörde, Kinoleiter vom Cinestar Dortmund, das Flaggschiff der 45 Kinos starken Kette. Der Trend bei den Kinobesuchen sei zwar positiv, doch auch er merke den Schwund an Gästen. Die Flucht nach vorne ist in diesem Fall eine Investition im niedrigen zweistelligen Millionenbereich. Beleuchtung, schickes Interieur, breitere Sessel, sogar Sofas und Premium-Sitze, bei denen per Knopfdruck die Füße hochgefahren können, außerdem eine Lounge im Foyer und ein neues Catering als Selbstbedienung im Eingangsbereich – alles neu. Das Kino will die erste Adresse im Einzugsbereich von Dortmund sein.

Das Kino „Cinestar“ in Dortmund, unter Leitung von Matthias Terörde, investiert einen kleinen zweistelligen Millionenbetrag, um Säle, Essens- und Kassenbereich zu renovieren.
Das Kino „Cinestar“ in Dortmund, unter Leitung von Matthias Terörde, investiert einen kleinen zweistelligen Millionenbetrag, um Säle, Essens- und Kassenbereich zu renovieren. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Aber selbst das Programmkino Endstation kämpft um mehr Zuspruch, hat viel Geld für Sitze, Technik und eine Klimaanlage in die Hand genommen. Trotzdem bleibt es für das kleinste Kino Bochums eine Zitterpartie. „Wir sind bald pleite, wenn ihr uns nicht helft“, appelliert Leiterin Nina Selig. Die finanzielle Lage sei bedrohlich. „Immer mehr Menschen gehen in die großen Filme, die in den großen Kinos laufen, aber immer weniger gehen in die kleinen Filme, die in den kleinen Kinos laufen.“

Das Programmkino Endstation in Bochum ist das Kleinste in der Stadt.
Das Programmkino Endstation in Bochum ist das Kleinste in der Stadt. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Im Endstation haben sich die Besucherzahlen seit Corona gegen den Trend kaum erholt, das Kino liege weit weg, die Konkurrenz einfach zentraler. Schon jetzt sind Folgen spürbar: Um Kosten zu reduzieren, wurde der Spielbetrieb verkürzt, es gibt eine Sommerpause. Auch der abgeänderte Spielplan soll Sparen helfen.

Besonders bitter: Sonderformate wie das Blicke-Filmfestival, Workshops, Sonderfilmreihen und das Familienkino (ein kostenloses Kurzfilmprogramm) laufen gut. Doch gerade diese Markenzeichen der Programmkinos treibt der Sparzwang in die Enge. Beim Team hinterlässt all das Spuren: „Viele Kinos packen sich die zusätzlichen Events noch obendrauf“, sagt Nina Selig. Für mehr Personal fehle das Geld. Erschöpfung und Burnout seien in der Branche die Folge.

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Wie also geht es weiter? „Ohne Förderung geht es nicht“, resümiert Christian Bräuer. Er wünscht sich eine Fortführung des „Zukunftsprogramms Kino“, dahinter verbirgt sich eine Investitionsförderung, die allerdings zum Ende des Jahres auslaufen soll. „Wenn es nicht kommt, wäre das verheerend.“ Einen zweiten Pfeiler sieht die AG Kino-Gilde in der sogenannten „Kulturellen Kino(programm)förderung“ nach französischem Vorbild. Wer als Lichtspielhaus ein vielfältiges Programm bietet, sammelt hier Punkte, um dann eine entsprechende Förderung zu erhalten. „Das funktioniert wie ein Anreiz-System. Wer engagiert ist, bekommt mehr.“

Vincent Bresser, NRW-Botschafter von dem Hauptverband Deutscher Filmtheater, zieht bei der Forderung nach Förderung übrigens keine Grenze zwischen Programm- und Multiplex-Kinos. Denn alle Filmtheater stehen vor der Herausforderung, dass die Zahlen weit hinter jenen vor der Pandemie liegen. „Alles ist förderungswürdig.“

Christian Bräuer, Vorsitzender des deutschen Filmkunsttheaterverbandes AG Kino-Gilde

„Es wird immer Leute geben, die ihre Geschichten erzählen wollen und Menschen, die diese ihrer Nachbarschaft zeigen wollen.“

Christian Bräuer, Vorsitzender des deutschen Filmkunsttheaterverbandes AG Kino-Gilde

Dass in den Kinos die Lichter ausgehen, glaubt Christian Bräuer nicht. Ob Riesensaal oder versteckte Perle, der Berliner Kinobesitzer bleibt optimistisch, wenn es um das Weiterleben dieser deutschlandweit über 1700 lebendigen Kulturorte geht: „Es wird immer Leute geben, die ihre Geschichten erzählen wollen und Menschen, die diese ihrer Nachbarschaft zeigen wollen.“