Düsseldorf. Unter dem Motto „Raus ins Museum“ zeigt das Düsseldorfer Haus seine besten Werke – und was in den letzten sieben Jahren hinzukam.

Die 1961 gegründete Kunstsammlung NRW sollte den Menschen im noch neuen, gerade einmal fünfzehn Jahre alten Bindestrich-Bundesland einen guten Grund zum gemeinsamen Stolz geben. Der damalige Ministerpräsident Franz Meyers (CDU) hatte kurz zuvor weitsichtig zugegriffen, als 88 Werke von Paul Klee aus dem Nachlass eines US-Industriellen auf den Markt kamen. In der Folge spürte Gründungsdirektor Werner Schmalenbach mit seinem Sinn für Qualität und einem großzügigen Budget staunenswert viele Klassiker der Moderne von Picasso bis Jackson Pollock auf. Nachdem Schmalenbachs Nachfolger Armin Zweite die Leerstelle aufgefüllt hatte, die durch die Beuys-Allergie des Gründungsdirektors entstanden war, und etwa die bedeutende Nachkriegskunst-Kollektion Ackermans angekauft werden konnte, galt die Kunstsammlung NRW vielen Fachleuten als „heimliche Staatsgalerie“ der Bundesrepublik.

Am Anfang wartet „Mutter“ Johanna Ey, wie Otto Dix sie malte, die Schutzpatronin des Jungen Rheinlands

Leerstellen blieben aber doch. Vor allem, was Kunst von weiblicher Hand angeht. Zumal die Kunstgeschichtsschreibung lange in der Hand von Männern war. Wie auch der Kunsthandel. Aber mit Ausnahmen: So begrüßt uns am Beginn der neuen Haus-Präsentation in der Kunstsammlung NRW: „Mutter“ Ey, wie die Patin der Maler in der Expressionisten-Bewegung „Junges Rheinland“ genannt wurde, gemalt von Otto Dix. Sie prunkt stehend im lila Kleid vor rotem Tuch wie früher Fürsten, resolut, ja mit Machtbewusstsein im Blick. Und dann finden wir immer wieder Künstlerinnen zwischen den bekannten Heroen der Klassischen Moderne von Matisse bis Magritte.

Ausstellung
Gemälde von Gerhard Richter, Robert Motherwell und Andy Warhol (hinten, von links nach rechts) im „Amerikanersaal“ der Kunstsammlung NRW als Hintergrund für die Installation „Blau-grün-gelbes Ellipsiod Joma“ (1981) von Isa Genzken (links) sowie das Wandbild „Farbbolzen“ der britischen Op-Art-Künstlerin Bridget Riley. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Die „Sitzende Schöne“ der Akademie-Absolventin Anys Reiman (* 1965) ergänzt und konterkariert die „Liegende Nr. 3“ von Francis Bacon, der sie sichtlich beeinflusst hat – sie kommentiert aber auch die klassischen sitzenden Akte von Picasso aus den Jahren 1920 und 1933. Paula Modersohn-Beckers „Mädchen in Dämmerung“ zeigt sie auf Augenhöhe mit Modigliani, Chagall und de Chirico. Sonia Delaunay macht Macke, Beckmann und Duchamp Konkurrenz, genau wie die Expressionistin Marianne Werefkin aus dem Umfeld des Blauen Reiters.

Zu Max Ernst, Roy Lichtenstein und Andy Warhol gesellen sich Carmen Herrera, Jenny Holzer und Rosemarie Trockel

Zu einem echten Aufbrechen kommt es mit der syrischen Künstlerin Simone Fattal (* 1942), deren mit Tinte bemalte Papierfahnen mit dem Titel „Bäume“ Max Ernst nicht nur konterkarieren, sondern gleich weiterschreiben. Und auch im „Amerikanersaal“ der Kunstsammlung mit Roy Lichtensteins poppigem „Big Painting Nr. 6“ und Andy Warhols „A Woman‘s Suicide“ ist Kunst von Frauen gleichberechtigt: „Etwas Blau etwas Weiß“ der Kubanerin Carmen Herrera punktet genauso wie es Jenny Holzers flimmernde Leuchtschrift, Rosemarie Trockels Wollwände in Waldgrün und Pechschwarz und die Videos (teils aus der Steinzeit des Mediums) von Rebecca Horn und Joan Jonas tun.

Ausstellung
Peter Ukas Gemälde „Friedensaufruf“ (2023) auf der rechten Seite, links zwei Bilder von Fernand Léger in der neuen Sammlungspräsentation der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf. © FUNKE Foto Services

Das alles verdankt sich der Regentschaft von Susanne Gaensheimer, die seit 2017 die Kunstsammlung NRW leitet. Die Kunstprofessorin hat seither die Bestände des Hauses programmatisch um Werke von Künstlerinnen erweitert, von Etel Adnan bis Agnes Martin. Und nicht von ungefähr propagiert eine vergleichende Sonderschau derzeit die schwedische Malerin Hilma af Klint als eigentliche Erfinderin der abstrakten Malerei – noch vor Wassily Kandinsky, dem dieser Durchbruch lange Zeit zugeschrieben wurde: Diese Ausstellung, die sich ideal mit der neuen Sammlungspräsentation kombinieren lässt, haben jetzt schon weit über 100.000 Menschen gesehen.

Die Kunstsammlung NRW verbeugt sich vor Paul Klee, dem Ausgangspunkt ihrer Gründung

Nur halb gelungen ist hingegen der Versuch, die Sammlung um eine globale Perspektive zu ergänzen. So großartig das „Knüppelschläge“-Bild des in Ägypten geborenen, französisch-griechischen Malers Mayo (Antoine Malliarakis) den Surrealismus von Magritte, Breton und Dalí um eine genuin politische Perspektive bereichert, so bemüht, aber hinter die meisten Avantgarden zurückfallend wirkt das „Friedensaufruf“-Gemälde des Nigerianers Peter Uka neben Picasso und Léger.

Zur Ausstellung

Raus ins Museum! Rein in Deine Sammlung. Meisterwerke von Etel Adnan bis Andy Warhol“. Kunstsammlung NRW, Grabbeplatz 5, 40213 Düsseldorf. Eröffnung: Freitag, 5. Juli, 19 Uhr bei freiem Eintritt.

Geöffnet: Di-So 11-18 Uhr. Eintritt: 9 €, erm. 7 €; bis zum 11. August läuft parallel auch die sehenswerte Sonderausstellung „Hilma af Klint und Wassily Kandinsky“; Kombiticket (gilt auch für das K21 im ehemaligen Ständehaus, das in 1,5 km Entfernung an der Ständehausstraße 1 aktuelle Kunst präsentiert): 20 €. Der Eintritt für alle unter 18 ist frei.

In der digitalen Präsentation „Sammlung Online“ (https://sammlung.kunstsammlung.de/) sind 300 Werke verfügbar, sie wird laufend erweitert.

Neu ist auch ein digitaler Führer durch die Ausstellung („K+ Digital Guide“), den man in der Sammlung aufs Smartphone laden kann und in 20 Kapiteln durch die Ausstellung führt. Man kann sich aber auch eigene Touren zusammenstellen, einen 17-Minuten-Sammlungs-„Sound“ von DJ Wolfram anhören, „das Wichtigste in 30 Minuten“ absolvieren (die Hälfte der 20 Kapitel) oder „Impulse zum Nachdenken, Austauschen und Mitmachen“ anklicken.

Paul Klee ist der erste von 20 Räumen vorbehalten, hier verbeugt sich das Haus vor dem Maler, den die Nazis 1933 von der Düsseldorfer Akademie vertrieben, und vor dem Versuch der Geschichtskorrektur, den das Land mit dem Ankauf der 88 Arbeiten unternahm. Im Kabinett sind nach wie vor Klees Zeichnungen zu sehen – auch sie, wie so viele andere Meisterwerke dieser Schau, ein guter Grund für das Motto der Neupräsentation: „Raus ins Museum – rein in die Sammlung!“