Dortmund. Der Pianist spielte beim Klavier-Festival Ruhr in Dortmund Musik des 19. Jahrhunderts und versetzte das Publikum dabei in Hochspannung.
Seit Jahren ist Evgeny Kissin eines der ungekrönten Häupter beim Klavier-Festival Ruhr. Hat er sein künstlerisches Königreich in dieser Zeit zwischen Bach und Gershwin großzügig abgesteckt, fokussierte er sich jetzt im Dortmunder Konzerthaus auf die Musik des 19. Jahrhunderts. Auch diesmal versetzte die Intensität und Suggestion seines Spiels das Publikum in spürbare Hochspannung.
Evgeny Kissin in Dortmund: Ohne Allüren und Sentimentalität
Bei aller pianistischen Autorität tritt der 52-jährige, gereifte Superstar nicht als solcher auf, weder im diskreten Erscheinungsbild, noch in der Interpretation. „Empfindung und Ausdruck“, wie sie Beethoven in seiner Sonate op. 90 verlangt, setzt Kissin ohne jede Allüre oder Sentimentalität um (die er sich lediglich im zugegebenen As-Dur-Walzer von Brahms leistete).
Er streichelt die Tasten nicht, ringt aber, so verrät es seine lebhafte Mimik und Körpersprache, um jede Nuance und ruft Schuberts inniges Melos wach, um gleichwohl durch bewusst herausmodellierte Linienführung nie die Bodenhaftung zu verlieren.
Evgeny Kissin, das einstige Wunderkind, überzeugt beim Klavier-Festival Ruhr
Ebensowenig erliegt Chopin, für Kissin der „klassischste Romantiker“, der rosaroten Verklärung, sondern gibt sich trotz aufblitzender Brillanten mit den schroffen Klangwänden und extremen Tempi in der Fantasie f-Moll näher bei Beethoven als erwartet. Und auch Schumanns geistige Verwandtschaft mit Brahms lugte in dessen vier Balladen op. 10 durch ihren fließenden erzählerischen Duktus hervor.
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Da wollte Prokofjew mit seiner Sonate Nr. 2 eigentlich nicht recht in den eng gezirkelten Kontext passen. Doch Kissin, das einstige Moskauer Wunderkind, wollte der Versuchung nicht widerstehen, das Teufelswerk des jugendlichen Draufgängers wirkungsvoll ans Programmende zu stellen.
Eine Mixtur aus Melodiegedanken, perkussiver Rhythmik und irrwitzigem Staccato-Ritt, serviert mit Kaltschnäuzigkeit und gestochener Perfektion: Das riss die Besucher noch vor dem Schlusston von den Sitzen. Begeisterungsstürme und drei Zugaben.