Gelsenkirchen. Nick Cave ein Entertainer? Als „Erweckungsmusical“ feiert das Musiktheater im Revier die Songs und bettet sie in eine Puppen-Revue.

Wie riesige Spargel schießen lila Monsterpilze aus dem Boden. Wer sie sieht, muss eigentlich komplett berauscht sein – oder im Kleinen Haus des Musiktheaters im Revier sitzen. Mit der Uraufführung der Stückentwicklung „Death is not the End“ (Tod ist nicht das Ende) nach dem Album „Murder Ballads“ von Nick Cave aus dem Jahr 1996 erlebte das Publikum einen rauschhaft abgedrehten, wilden, bizarren und witzigen Abend. Die blutigen Balladen, inszeniert vom Helmi Puppentheater aus Berlin, entpuppten sich als musikalisch und ästhetisch mörderisch gutes Vergnügen.

Musical „Death is not the End“ am Musiktheater Gelsenkirchen

Der australische Musiker Nick Cave, auch bekannt durch wilde Drogenexzesse und durch den frühen Tod zwei seiner Söhne leidvoll mit Tod und Trauer vertraut, legte mit seinem Album Kriminalgeschichten voller Schmerz und schwarzem Humor vor. Er besang makabre Morde, ließ Täter und Opfer gleichermaßen zu Wort kommen. Selbst wer das Album nicht kennt, erkennt doch manche der eingängigen, melancholischen, oft einfachen Melodien wieder, vor allem den Erfolgssong „Where the wild roses grow“. Manch fieses Verbrechen ummantelt eine verführerisch schöne Musik. Alle englischen Songs erklingen in einer gelungen gereimten, deutschen Übersetzung von Jakob Dobers.

Im Dickicht der Riesenspargel: Szene aus „Death is not the End“.
Im Dickicht der Riesenspargel: Szene aus „Death is not the End“. © Krklau | Sascha Kreklau

Gemeinsam mit dem MiR Puppentheater entwickelten die Berliner unter der Regie von Florian Loycke eine wunderbare Melange aus Puppen- Masken- und Schauspiel, aus Tanz und Rock-Konzert. Sie nennen es ein „Erweckungsmusical“, als Verweis auf einen religiösen Unterton, und stricken einen roten Faden, der die einzelnen Balladen locker verbindet. Kein Krimi ohne Ermittler. In diesem Fall treten Kommissarin Louise (Maximilian Teschemacher) und ihr Hilfssheriff, das Schnabeltier (Gloria Iberl-Thieme), auf den Plan. Die beiden begeben sich auf Spurensuche, landen dabei sowohl in halluzinierten Fabelwelten als auch in einem Linienbus und einem Mietshaus mitten in Gelsenkirchen. Eine halluzinatorische Reise voller Assoziationen durch nebelige Sphären, auf der sie seltsamen Wesen und mysteriösen Gestalten begegnen.

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Das Helmi Theater, gerade erst mit seiner Produktion „Riesenhaft in Mittelerde“ zum renommierten Berliner Theatertreffen eingeladen, arbeitet mit trashig-fantasievollen Puppen, Figuren und Masken, hinter denen die Spielerinnen und Spieler immer sichtbar bleiben. Da fliegen bunte Fische an Stäben durch die Luft, hüpfen leichenblasse Frösche über die Bühne, flattern Vögel und Schmetterlinge, werden Pistolen aus wabbelndem Schaumstoff gezückt. Die schrulligen Puppen faszinieren durch ausdrucksstarke Gesichter.

001                        Daniel Jeroma, Brian Morrow, Florian Loycke, Jakob Dobers, Nolundi Tschudi
001                        Daniel Jeroma, Brian Morrow, Florian Loycke, Jakob Dobers, Nolundi Tschudi © Krklau | Sascha Kreklau

Fast alle können alles. Die Truppe singt und spielt und musiziert. Nolundi Tschudi zum Beispiel ist mal Crow Jane und spielt dann die singende Säge. Das einzige Stück, das übrigens nicht erklang, war das titelgebende, stattdessen gab’s am Schluss eine Eigenkomposition. Das mag daran liegen, dass Nick Cave den Song einst von Bob Dylan coverte. Dennoch: „Death is not the End“ ist ein Muss für eingefleischte Nick Cave-Fans. Aber für alle anderen auch.

Zwei Stunden, 15 Minuten, eine Pause. Termine und Tickets: 0209 4097200.