Essen. Reinhard Mey veröffentlicht am 3. Mai sein 29. Studioalbum mit neuen Liedern. Warum die leider eine große Enttäuschung sind.

Reinhard Mey, der Liedermacher der Deutschen, sensibler Beobachter, veröffentlicht am 3. Mai 2024 sein 29. Studioalbum „Nach Haus“. Ein Mann, ein Musiker, der früher mal alle großen und kleinen Regungen des Lebens in ungekünstelte, unpathetische Lieder zu packen vermochte, schenkt seinen Hörern mit 81 Jahren noch einmal 15 Lieder, die meisten davon neu. Er hätte es lieber nicht tun sollen. Denn was da klingt, ist etwas, womit der Liedermacher an seinem eigenen Denkmal sägt.

Dabei schlummert ganz deutlich spürbar die Reinhard-Mey-DNA in diesem Album. Sie bricht nur nie durch. Einmal vielleicht, mit viel gutem Willen. Aber ansonsten sitzt man da, mit Kopfhörern auf den Ohren, und kann nur schwer glauben, dass das der Mann ist, der mal „Mein Achtel Lorbeerblatt“ geschrieben hat und noch so viel mehr.

Reinhard Mey auf seinem neuen Album „Nach Haus“: wirre Texte und musikalische Klischees

Der Trumpf von Mey waren immer schon seine Texte, aber im Falle von „Nach Haus“ muss auch von der Musik die Rede sein. Das Album klingt überproduziert. Seltsam synthetische Streicher mit Tanzmusiker-Hall, deplatzierte E-Gitarren, billige, musikalische Klischees (etwa das Lautengezitter, wenn es in „Verschollen“ um Russland geht) – es könnte gut sein, dass andere im Studio im musikalischen Rezept von Reinhard Mey herumgerührt haben.

Die Texte passen leider gut zur Musik. Was Mey mit seiner hörbar gealterten, aber immer noch beeindruckenden Stimme zum Besten gibt, ist meistens wirr. Rhythmisch und melodisch gibt es für Hörer kein Vorne und kein Hinten, und wieder muss man an früher denken, an einen Liedermacher, der es irgendwie geschafft hat, den Satz „Zwei Hühner auf dem Weg nach vorgestern“ zu einem Ohrwurm zu machen. Aber das allerschlimmste, ein Novum in der langen Reinhard-Mey-Karriere: 15 Titel lang fühlt der Hörer – nichts.

Selbst Reinhard Mey kann nicht acht Minuten über einen Tisch singen

Beispiele? In „Beef und Lobster“ geht es um einen Kellner „aus Tirol, wo man sich Rosen schenkt“. Das klingt nach billigem Schlager. In „Verschollen“ singt Mey allen Ernstes: „Ich war ein schöner Kerl, ich wollte leben, lachen, lieben“. In „Questo Tavolo non si vende“ singt er acht Minuten lang über einen Tisch. Das ist so unglaublich, wie es klingt. Der Reinhard Mey von früher hätte selbst auf einen Tisch eine Hymne geschrieben. Der 81 Jahre alte Reinhard Mey hätte es lieber sein lassen sollen.

Sinnbildlich für das gesamte Werk „Nach Haus“ steht die Nummer „Lagebericht“. Vier Minuten lang stammelt Mey etwas davon, wie er sich die Republik am 21. Dezember 2042 vorstellt, singt von Liedern auf dem „Regierungssender“ und von Wölfen, die Schafe unter Photovoltaikanlagen zerfleischen. Man mag gar nicht glauben, was man da hört. Ach so, ein Konstantin-Wecker-Cover und Duette mit dem Mey-Schwiegersohn Matthew Pearn und mit Hannes Wader sind auch auf dem Album. Nicht, dass das etwas ändern würde.

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