Bochum. Der neue Intendant des Kunstfestes setzt 2024 auf ein spektakuläres Programm, Stars von PJ Harvey bis Isabelle Huppert. Was kommt noch?
Schon bei seinem Antrittsinterview hat Intendant Ivo van Hove Ehrgeiz gezeigt, ein Kunstfest für alle, ein bisschen weg vom Ruf der Adresse für die Kulturschickeria - so stellt sich der Belgier „seine“ Triennale vor. Am Montag hat er sein ehrgeiziges Programm vorgestellt: große Namen, große Projekte! Und: Er verdichtet das Kunstfest zeitlich: Die 33 Produktionen und Projekte mit 138 Veranstaltungen in Bochum, Duisburg und Essen werden ab dem 16. August in viereinhalb Wochen über die Bühne gehen. Rund 660 Künstler und Künstlerinnen aus 37 Ländern werden dafür ins Ruhrgebiet kommen.
Herbert Grönemeyer, Sandra Hüller, Isabelle Huppert, PJ Harvey: Van Hove spielt in seiner ersten Saison durchaus Promi-Trümpfe aus. Aber es geht ihm klar auch um die Eroberung eines neuen Publikums. Selbst die Kleinsten sollen als Zuschauer den Magnetismus großer Kunst erfahren: In der neuen Formatreihe „Little Ears, Tiny Feet“ („kleine Ohren, kleine Füße“) dürfen schon Einjährige mit Anhang dabei sein, „Kinder bis sechs Jahre und ihre Familien“ erwartet eine Performance, die „spielerisch ihre Sinne anspricht“.
Ruhrtriennale nur noch in Bochum, Essen, Duisburg
Und was sich noch deutlich abzeichnet: Ivo Van Hove wird den Festspielen auch geografisch klarere Konturen geben. Duisburg, Essen, Bochum sind die Schauplätze. Die Zeiten, da Brachen der Montanindustrie im Strohfeuer-Stil teuer aufgemotzt und danach kaum noch oder gar nicht nennenswert künstlerisch genutzt wurden (wie etwa unter IntendantJohan Simons die Kohlenmischhalle von Marls Zeche Auguste Viktoria oder ihr Pendant in Dinslaken-Lohberg) scheinen vorbei. Das mag auch die Neueinführung eines festen Festivalzentrums symbolisieren: „Wunderland“, entworfen vom belgischen Architekten Olivier Goethals, rund um den Wasserturm an der Jahrhunderthalle in Bochum, soll laut Van Hove das „pulsierende Herz des Festivals“ werden. Was Workshops auf der Piazza bedeute, es könne aber auch bloß ein Kaffee auf der Terrasse sein. Jeden Samstag wird der Ort zur Tanzfläche der Partynächte „Down the Rabbit Hole“.
Das Programm von Musiktheater bis zur Jux-Operette
Doch zum konkreten Programm: Wer macht was? Wir gliedern hier die wichtigen Produktionen des Festivaljahrgangs nach Sparten.
Musiktheater: Die Eröffnung geht aufs Konto des Hausherrn - und er bittet eine seiner Lieblingsschauspielerinnen auf die Bühne: Sandra Hüller steht im Zentrum der Uraufführung „I Want Absolute Beauty“ . (ab 16.8) „Eine Frau. Ihr Weg. Ihre Entscheidungen“, stets begleitet von großen Songs aus der Feder von PJ Harvey.
„The Faggots and Their Friends Between Revolution“ (ab 17.8) preist die Ruhrtriennale als „Entschlossenes Musiktheater, das Individualität und Freiheit feiert“; Bruckner trifft Björk mit dem Chorwerk Ruhr ab 23.8. Und dann natürlich Herbert Grönemeyer. Mit dem Theaterrebellen Herbert Fritsch macht er ab 11.9. aus einer alten französischen Komödie das „Deutsche Slapstick-Operetten-Musical“ namens „Pferd frisst Hut“, Bochums Symphoniker sitzen im Orchestergraben.
Ruhrtriennale: Schauspiel mit Kirill Serebrennikov und Isabelle Huppert
Was kommt im Schauspiel? „Legende“ (ab 17.8) wird eine Uraufführung in Regie des von Putins Handlangern schikanierten Regisseurs Kirill Serebrennikov sein. Im Zentrum steht der im Westen kaum bekannte Filmregisseur Sergey Paradjanov. Die Ruhrtriennale zitiert sein Lebensmotto: „Ich werde mich mit Liebe an der Welt rächen.“
Extrem vielversprechende Konstellation: Eine klassischer Autor, ein weltberühmter Regisseur und eine der größten Schauspielerinnen ihrer Generation: Jean Racine, Romeo Castellucci und Isabelle Huppert kommen zusammen für den szenischen Monolog „Bérénice“, ab 28.8.
Ruhrtriennale: Tanz auch im Museum Folkwang
Die Tanzprojekte, längst eine der Säulen des Kunstfestes. „Y“, ein einziger Buchstabe als Titel, aber ein großer Name, es choreografiert: Anne Teresa De Keersmaeker geht auf die Suche nach dem Warum aller Dinge. Ihre Inspirationsquelle: Bilder aus dem Museum Folkwang von Caspar David Friedrich bis Manet. Ebenfalls im Folkwang: das interaktive Tanzprojekt „ONE ONE ONE“. Hier dürfen ab 12.9 Zuschauer einen bestimmten Platz wählen - dort wird nur für sie getanzt. Wenn der Besucher aufsteht, geht der Reigen weiter!
Die Ballroomszene wird von Georgina Philps/The Iconic House of St. Laurent gewürdigt, mit internationaler Preisrichter-Jury und allem drum und dran.
Zeitkritisch wird es ab 6.9 bei „Futur Proche“ Jan Martens zeigt mit dem Opera Ballet Vlaanderen ein Tanzstück über den Umgang mit der Natur und kündigt an: „Ich möchte den Krisenzustand durch einen rohen, rauen und wilden Tanz auf die Bühne bringen.“ Choreographie als Demokratie verspricht Ioannis Mandafounis: Sein Konzept eines „Zusammenspiels von Publikum und Bühnenbevölkerung“ nennt er appetitlich „À la carte“ ab 22.8.
40.000 Karten, ab sofort
Der Kartenvorverkauf der Ruhrtriennale startet heute, insgesamt werden für die Veranstaltungen rund 40.000 Karten angeboten.
Bis zum 20. Mai gibt es die Festivaltickets zum Frühbucherrabatt mit 15 Prozent Ermäßigung. Auch in diesem Jahr gibt es wieder die Aktion „Bring your friends“: Für jedes Vollpreis-Ticket gibt es bei ausgewählten Veranstaltungen bis zu drei weitere Tickets mit 50 Prozent Rabatt.
Kartentelefon: 0221-280210. Weitere Infos zu Programm und Tickets finden Sie unter www.ruhrtriennale.de.
Zwei Installationen in Essen und Bochum
Zwei große Installationen gehören zum Programm, eine begehbare „über die Dualität der menschlichen Natur“ wird von Berlinde de Bruyckere in der Turbinenhalle errichtet: City of Refuge IV. Auf Zollverein sind in „Landscapes of an Ongoing Past“ historische und zeitgenössische Arbeiten von Künstlern aus dem ehemals sozialistischen Osten Europas zu sehen, die den Blick auf werdende und vergehende Landschaften werfen.
Ruhrtriennale: Vom Kino bis zum Mittagskonzert
Was es sonst noch gibt? Kinos werden sich der Triennale anschließen. Und die Bandbreite der Konzerte ist zu groß, um die Klänge zu allen Tages und Nachtzeiten aufzuführen. Sie reicht vom ukrainischen Rap-Star bis zu „Appetizern“, die jeden Sonntag zur Mittagszeit kostenlos erklingen.
Am Montag hat Ivo Van Hove einige Lust gemacht auf die erste Saison, die seine Handschrift trägt. Im Hochsommer werden wir sehen und hören, wie seinen Worten Taten folgen.