Essen. Eine Doku zur Hamburger Modelleisenbahn-Sensation, eine Bestsellerverfilmung für Frauen und ein kult-lüsternes Roadmovie aus Hollywood.

„Wunderland“

Erst im Nachspann kommen die Fakten. 16,5 km Gleislänge, 1166 Züge, 16.330 Autos, 289.410 Figuren, 498.500 LED-Lichter, und alles zusammengetragen für Baukosten von 40 Millionen Euro. Das ist „Wunderland“: im Jahr 2000 ins Leben gerufen von den Hamburger Zwillingsbrüdern und Diskothekenbetreibern Frederick und Gerrit Braun, die mit 1,4 Mio. Besuchern jährlich größte Eisenbahnmodellanlage der Welt. Welche Leute stehen hinter einem solchen Projekt? Welche menschlichen, welche technischen Hürden gilt es zu meistern? Zu allen Fragen hält der Film zufriedenstellende Antworten bereit und hat zudem eine visuelle Ummantelung, in der die Kamera über die hinreißend liebevoll nachgestalteten Miniaturwelten gleitet; ein Kabinettstück der Macroobjektivfotografie.

Die Braun-Brüder als digitale Stop-Motion-Figürchen durch ihre Modellwelten turnen zu lassen, erweist sich als cleveres Stilelement, das die Ausgangspunkte der Handlungsmotivationen und -ambitionen der Braun-Zwillinge nachgestaltet. Die zweite Hälfte des Films widmet sich der Einbindung einer südamerikanischen Modellbaufamilie ins Wunderland. Kinderträume sind eben global, ihre Umsetzung ist es auch. Merksatz des Films: Man kann sehr erfolgreich sein, gerade wenn man unwirtschaftlich denkt.

„Der Zopf“

Eine Frau aus der indischen Unterschicht bricht aus den Verhältnissen aus, um mit ihrer kleinen Tochter in einem Tempel im Gebirge mit einer Haarspende die Götter günstig zu stimmen. Eine Perückenmacherin in Süditalien übernimmt den schwer verschuldeten Familienbetrieb und stößt über einen Inder auf eine neue Geschäftsidee. Eine Anwältin in Kanada erkrankt an Krebs, will das zunächst vor ihrem Boss geheim halten, erkennt dann aber, dass Gesundheit und Selbstachtung wichtiger sind als Geld und Karriere.

Laetitia Colombani verfilmte ihren Erfolgsroman von 2017 als episodisches Kaleidoskop mit viel Sympathie für Schicksalsglaube, Kalenderdialoge und femininen Aufbruch vor Hochglanzkulissen. Schmökerkino für Schmökerfreundinnen.

Schmökerkino nach einem Schmökerroman: „Der Zopf“ von Laetitita Colombani mit Mia Maelzer.
Schmökerkino nach einem Schmökerroman: „Der Zopf“ von Laetitita Colombani mit Mia Maelzer. © Capelight/WildBunch | Capelight/WildBunch

„Drive-Away Dolls“

Zwei ungleiche Freundinnen mieten ein Auto für eine Fahrt nach Miami. Sie wissen nicht, dass im Kofferraum Material für delikate Erpressungen lauert und ihnen deshalb zwei Profikiller an den Fersen haften: Das Regiedebüt von Ethan Coen, der im Team mit seinem Bruder Joel als Filmemacher weltberühmt wurde. Sein Soloprojekt suhlt sich im Koketten (die Protagonistinnen sind Lesbierinnen) und im Wechselbad aus Hipster-Humor und Comic-Brutalität. Für einige gewitzte Momente reicht das, eine Tendenz zum geifernden Altherrenblick lässt sich aber ebenso wenig leugnen wie Zähigkeit im Erzählfluss.

Margaret Qualley (links) als Jamie und Geraldine Viswanathan als Marian in einer Szene der „Drive-Away Dolls“, einem weniger empfehlenswerten Soloprojekt von Ethan Coen, der mit seinem Bruder Joel immerhin schon Filmklassiker wie „Fargo“, „The Big Lebowski“ oder „No Country for Old Men“ gedreht hat.
Margaret Qualley (links) als Jamie und Geraldine Viswanathan als Marian in einer Szene der „Drive-Away Dolls“, einem weniger empfehlenswerten Soloprojekt von Ethan Coen, der mit seinem Bruder Joel immerhin schon Filmklassiker wie „Fargo“, „The Big Lebowski“ oder „No Country for Old Men“ gedreht hat. © dpa | Wilson Webb