Essen/Duisburg. Tony Bauers Leben hängt: an einem Schlauch. Vor seinem Erfolg bei „Let‘s Dance“ besuchte uns der Duisburger Comedian im Interview

Der achtjährige Junge aus Marxloh hat solche Bauchschmerzen, dass er ums Krankenhaus bettelt. Ärzte weisen ihn ab. Drei Mal. Der vierte spritzt Insulin. Das Kind wird bewusstlos. Insgesamt wird Tony Bauer mehr als ein Jahr seiner Kindheit im Koma verbringen. Bei Operationen verliert er seinen Dünndarm. Wenn Tony isst, kann der Körper das nicht mehr verwerten.

Ein aufstrebender deutscher Comedian besucht unsere Redaktion! Was passiert, wenn 14.000 in einer Halle über einen Gag lachen?

Tony Bauer: Adrenalin natürlich! Aber es ist auch cool, ich kann dafür sorgen, dass andere auch eine tolle Zeit haben. Und ich gehe ja offen damit um, dass ich nicht gesund bin, alle sehen den Verbindungsschlauch zu meinem Rucksack, der mich versorgt. Das ist auch die Chance, ein Licht auf Menschen mit Krankheiten zu werfen. So wie mich gibt es viele andere auch.

Tony ist wieder mal im Krankenhaus. Der Chirurg setzt sich neben ihn aufs Bett. Tony merkt, dass das jetzt ernst ist. „Auf den musst Du sehr gut aufpassen“, sagt der Arzt und meint den Rucksack mit der Verbindungsleitung zu Tony. „Das ist Dein Fallschirm!“ Es ist der Moment, in dem Tony Bauer weiß, dass er nie mehr gesund wird.

Ihr Leidensweg mit dem Kurzdarmsyndrom hört nie auf. Erinnern Sie sich, dass Sie als Kind irgendwann nicht mehr konnten?

Sehr genau! Warten auf eine Transplantation in Paris, Koffer gepackt. Ich habe beim Flug gespürt: „Das funktioniert nicht. Wenn ich mich jetzt transplantieren lass’, dann sterbe ich.“ Und es hat gar nichts funktioniert. Es wurde richtig schlimm. Zig Komplikationen. Vom Krankenhausbett aus hab’ ich in der Nacht den glitzernden Eiffelturm gesehen. Ich war zwölf und habe mich gefragt: „Lebst du nur, um zu sterben?“

Blödsinn machen, gerade dann, wenn alles einfach nur blöd ist: Der  Marxloher Comedian Tony Bauer als Kind bei einem seiner zahllosen Krankenhausaufenthalte.
Blödsinn machen, gerade dann, wenn alles einfach nur blöd ist: Der Marxloher Comedian Tony Bauer als Kind bei einem seiner zahllosen Krankenhausaufenthalte. © Unbekannt | PrivaT

Einer, der die Leute permanent zum Lachen bringt, hat den Tod seit 20 Jahren als ständigen Begleiter...

Von Paris kam ich direkt nach Duisburg ins Krankenhaus. Da hab’ ich einen Arzt gefragt, wie alt ich werden kann. Die Antwort: „Wenn Du so weitermachst, wirst Du keine 14.“ Da bin ich in ein richtig tiefes Loch gefallen, da habe ich gedacht: „Scheißegal, da kann ich auch heute oder morgen gehen!“ Ich hab’ mich nicht mehr an die Versorgung angeschlossen, dann wieder Koma. Ich bin wahnsinnig schwach wieder aufgewacht. Dann sind wir zu einer Spezialistin. Das war der Punkt, an dem ich einfach entschieden habe: „Niemand kann dir sagen wie alt du wirst und was du machen musst!“

Tony Bauer wird Clown aus Notwehr: Die Familie weint um ihn, er macht Faxen

Mit den Tränen kommt der Clown. Am Krankenbett des Kindes: Mama, Oma, Opa. Tony will nicht, dass die dauernd weinen. Tony fängt an, Faxen zu machen. Obwohl ihm selbst zum Heulen ist. Schon bei den ersten Klinik-Aufenthalten wird der Humor Tony Bauers Waffe. Er wird zur Charme-Attacke Richtung Krankenschwestern, er buhlt damit witzelnd um die Gunst seiner Ärzte. Rückblickend sagt Tony: „Es war für mich der beste Weg, damit umzugehen.“ Es war sein Anfang als Komiker.

Wer war Ihr größter Held als Kind?

Gott.

Sie hätten Grund gehabt, mit seinem Plan sehr zu hadern...

Ich sag’ mal umgekehrt: Wenn ich damals den lieben Gott gefragt hätte, ob ich eine Karriere als Comedian machen darf, und der gesagt hätte: „Du kriegst das alles, aber vorher schick ich da durch!“ – Dann hätte ich nein gesagt! Aber umso länger ich das hier mache, umso mehr ergibt das für mich Sinn. Auch weil ich eine Identifikationsfigur sein kann: Ich bin der erste Schwerbehinderte auf einer Bühne, dem man es nicht ansieht – und es gibt so viele davon. Wenn es gut geht, kann ich für die ein Licht am Ende des Tunnels sein. Das ist nicht mein Verdienst, aber ich bin es gern.

Tony Bauers Großeltern glaubten eine Ewigkeit, er sei Personalberater

Tony Bauers Mutter ist Brasilianerin, den Vater hat er nie kennengelernt. Die Familie hat wenig. Tony lebt bis heute bei den Großeltern. Schule, Beruf: Nichts funkt so richtig. Lange wissen „Omi und Opi“ (obwohl beide feste Größen in seinen Gags sind) nicht, dass er gar kein Personalberater ist, sondern sich als Comedian übt. Mitten in der Pandemie greift Bauer zu: ein Facebook-Treffer. Er fährt zu einem Wettbewerb nach Bremen, seine Freunde im Gepäck. Und: Läuft!

Sie haben zu Hause ewig nicht gesagt, was Sie tun und werden wollen...

Ganz lange nicht. Das wär ja genauso, wie wenn ich in Marxloh oder Beeck sage: „Ich werd’ jetzt Zauberer!“ Hätten die nicht verstanden.

Kurz vor dem Auftritt: Der Duisburger Comedian Tony Bauer muss permanent durch einen Schlauch (im Bild unten an seinem Ärmel) ernährt werden.
Kurz vor dem Auftritt: Der Duisburger Comedian Tony Bauer muss permanent durch einen Schlauch (im Bild unten an seinem Ärmel) ernährt werden. © Unbekannt | Max Kopp

Waren Ihre Freunde Ihre Bank?

Klar. Ich hab die gleichen Freunde, seit ich sechs bin. Alle aus Marxloh, mein erstes Publikum. Ich hab Witze in ein Buch geschrieben, bin vor Ihnen aufgetreten. Marxloh ist mein Ground Zero, auch fürs andere Publikum. Der Ort, der ein Gully mit Brautmodengeschäften ist, der Ort, an dem ein Neugeborenes gleich 60.000 Euro Schulden hat. Da sind die Leute sofort im Thema.

Tony Bauers Begegnung mit seinem Idol Kaya Yanar: „Und dann kamst Du!“

Der Comedian Kaya Yanar ist ein Idol von Tony Bauer. Und es kommt der Tag, da tritt Tony bei der Kölner Comedy-Nacht mit ihm in einer Show auf. Aber das ist nicht alles: Bauer kommt nach der Show in die Lobby. Kaya Yanar guckt ihn an und sagt „Und dann kamst Du!“ Es ist, sagt Tony Bauer heute, „einer der schönsten Momente in meinem Leben gewesen“.

Was könnte in Zukunft der schönste Tag in Ihrem Leben sein?

Wenn ich ein Krankenhaus eröffnet habe – ohne der Patient zu sein.

„Niemand kann dir sagen wie alt du wirst und was du machen musst!“ Tony Bauer (28) hat sich erfolgreich gegen eine schwere Krankheit gestemmt.  Das Foto entstand Anfang Dezember bei seinem Besuch der Funke-Zentrale in Essen.
„Niemand kann dir sagen wie alt du wirst und was du machen musst!“ Tony Bauer (28) hat sich erfolgreich gegen eine schwere Krankheit gestemmt. Das Foto entstand Anfang Dezember bei seinem Besuch der Funke-Zentrale in Essen. © FUNKE Foto Services | Jakob Studnar

Hoffentlich klappt das, Sie waren gerade erst wieder drin...

Ja, zu Ende ist das nie. Dieses Jahr ist der Silikonschlauch gerissen, der mich mit Nährstoffen versorgt. An dem Tag sollte ich mit Markus Krebs auftreten. Da war Tragik und Glück eben nah beieinander. Ich bin sonst sehr fröhlich, aber im Bezug auf die Krankheit bin ich mittlerweile eher Zyniker.

Sie geben viel Gas, machen Sport ohne Ende. Wollen Sie ihren Körper wappnen gegen Prüfungen, die noch kommen können?

Wenn Gott einen testet, sollte man bereit sein. Niedriger Puls und so. Ich übe gerade für einen Marathon. Eins ist klar: Ich schreibe mir schon auf die Fahnen, dass ich nicht so viel Zeit habe. Es kann einfach plötzlich zu Ende sein – nicht die Karriere, sondern das Leben.

2024 geht der 28-jährige Tony Bauer zum ersten Mal mit einem großen Solo-Programm auf Tour. Der Titel ist die Geschichte seines Lebens, gebracht auf ein einziges Wort: „Fallschirmspringer“.

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Noch ist Tony (eigentlich Anthony) Bauer bei seinen Live-Auftritten vorwiegend Gast in „Mixed“-Shows, also im Kreis von Comedy-Kollegen. Das wird sich 2024 ändern. „Fallschirmspringer“ hat der Duisburger sein erstes großes Solo genannt. Natürlich ist der Schwerpunkt NRW. Termine an Rhein und Ruhr sind etwa Köln (24.10., Artheater, Auftakt), Dortmund (10.11., FZW), Düsseldorf (11.12., Zakk), Essen (12.12., Zeche Carl). Karten bei den Veranstaltern.