Köln. Deutschlands älteste Kunstmesse setzt sich kleiner. Weniger Galerien – mehr Übersicht. Und auf den Gängen rollen Buggys und Kinderwagen.
Gegen Abend werden die Rollstühle auf der Art Cologne immer weniger. Jetzt rollen die Buggys und Kinderwagen über den Velours-Teppich, manche der jüngsten Art-Cologne-Besucher werden auch im Tragegurt an der Kunst vorbeigeführt. Offenbar baut manche junge Familie noch darauf, in der Kunst daheim zu sein. Das könnte dazu geführt haben, dass die geschmeidig-kleinen, lasierten Holz-Arbeiten von Paul Diestel, die man an die Wand hängen oder aufstellen kann, schon früh ein neues Zuhause gefunden haben – die roten Punkte am Stand der Mönchengladbacher Galerie Löhrl sprechen eine klare Sprache. Diestels Skulpturen für den Hausgebrauch scheinen wie naturmystische Totems gewachsen zu sein.
Die Art Cologne 2023 hat sich in jeder Hinsicht kleiner gesetzt als 2022 noch: Nur mehr zwei statt drei Stockwerke in den Kölner Messehallen, nur noch 170 statt 190 Galerien, nur Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts, nur noch vier statt fünf Messe-Tage. Auch der internationale Kunsthandel klagte ja schon vor den großen Herbstauktionen in diesem Jahr darüber, dass der hochgeheizte Markt der letzten Jahre abgekühlt sei, Fachleute sprechen von einem „weicheren Markt“ und einer „geringen Tiefe bei den Bietern“, die Preise schnellen längst nicht mehr so leicht in sechs- und siebenstellige Höhen wie in den vergangenen Jahren, die von der Krise eher zu profitieren schienen. Christie’s und Sotheby’s versteigern jetzt auch schon gern mal Sammelstücke aus den Sparten Sneaker oder Handtaschen – und der Trend zu Online-Auktionen hat auch zu mehr „Breite“ geführt: „Vor 20 Jahren dachten die Menschen, sie müssten Mitglied eines Elite-Clubs sein, um durch die Tür eines Auktionshauses zu laufen“, sagt Adrien Meyer von Christie’s. „Jetzt kann man eine Auktion in Unterhose auf dem Sofa verfolgen.“
Seebären in Ölzeug und Toy Boys fallen etwas aus dem Rahmen
Nun, in Köln sind es dann doch lauter angezogene Menschen, aber auch sie meist in lässiger Alltagskleidung. Gut, es gibt auch Marlene-Dietrich-Hosen an Männern, einen Seebären in gelbem Ölzeug mit Kapitänsmütze oder Künstler-Darsteller mit gezwirbelten Schnörres-Enden. Aber genau wie der Toy Boy im Glitzerjäckchen fallen sie schon etwas aus dem Rahmen.
Wie auch, im übertragenen Sinne, das Quadrat von Josef Albers bei der Düsseldorfer Galerie Schönewald Fine Arts, weil hier mal eine siebenstellige Euro-Summe fällig werden soll („etwa zwei Millionen“). Die „Study for Homage To The Square S. R. J.“ leuchtet intensiv rot. Bei erfahrenen Art-Cologne-Fans werden aber auch Erinnerungen wach: Vor einigen Jahren hat der damalige Direktor des Josef-Albers-Museums in Bottrop Heinz Liesbrock ein angebliches Albers-Gemälde auf der Art Cologne erst an der Farb-Kombination und schließlich auch am Farb-Auftrag als Fälschung erkannt.
Kleine Ölbilder aus dem Nachlass von Norbert Tadeusz bei Utermann
Aber ohne sorgfältige Herkunfts-Prüfung („Provenienz“) kommt heutzutage nur noch sehr wenig auf die älteste deutsche Kunstmesse; bei der Dortmunder Galerie Utermann etwa sind die Wege der Bilder von Paula Modersohn-Becker, Marc Chagall oder Emil Nolde sorgfältig aufgelistet. Und auch hier Vierstelliges im Angebot: Die kleinformatigen, sehr schlicht gerahmten Bilder aus dem Nachlass von Norbert Tadeusz kosten zwischen 5500 und 13.000 Euro. Aber auch diese Bilder des Malers, der mit dem „Steinhammer“-Roman seines entfernten Neffen Jörg Thadeusz gerade auch zu literarischen Ehren gekommen ist, sind nicht alle gleich gut. Dafür sind bei der Düsseldorfer Galerie Ludorff die sechs leuchtenden Serigrafien des Farbmagiers Rupprecht Geiger sofort für 5900 Euro das Stück weggegangen.
Für das dickere Portemonnaie ist am gleichen Stand ein „Selbstporträt mit Palette, Pinsel und angeschnittener Figur“ der immer noch unterschätzten Malerin Lotte Laserstein zu haben, hier wären gleich 150.000 Euro fällig. Wer träumen kann, stellt sich vielleicht gar vor, 750.000 Euro für einen Liebermann im Mittelformat („Gartenlokal an der Havel“) übrig zu haben.
Öffnungszeiten, Eintrittspreise, Tickets
Wer bis zum späteren Abend, an dem die Messe auf den Gängen Kölsch-Stängelschen und Mineralwasser mit Strohhalm spendiert, noch auf die Bussi-Bussi-Gesellschaft der Schönen und Reichen wartet, wird enttäuscht – die trifft sich schon am (Vor-)Mittag bei der „Preview“ der Messe zu Smalltalk und Champagner, dazu muss man von der Messe eingeladen werden. Und genießt es sichtlich, von Galeristen umworben zu werden. Sie werden in diesem Jahr noch öfter als sonst vergebens gestrahlt, geschmeichelt und Schultern geklopft haben. Die großen Verkäufe in Millionenhöhe werden immer mehr woanders getätigt als auf der Art Cologne, der Mutter aller Kunstmessen – die Art Basel (sowie ihre Ableger in Miami Beach, Paris und Hongkong) mit ihrer deutlich zahlungskräftigerer Kundschaft hat ihr längst den Rang abgelaufen. Dafür können sich auch Normalsterbliche wie unsereiner in Köln zu Hause fühlen.