Essen. Jörg Thadeusz’ Roman „Steinhammer“ schildert anschaulich das Revier der 50er und spielt mit der Biografie des Malers Norbert Tadeusz.
Norbert Tadeusz, der von sich sagte, er sei kein Künstler, sondern Maler, war eine Ausnahme-Erscheinung. Aus dem kleinbürgerlichen Malocher-Milieu seiner Heimatstadt Dortmund ragten seine malerischen Fähigkeiten derart heraus, dass er nach einem Jahr an der Werkkunstschule bei Gustav Deppe, dem Mitgründer des „Jungen Westens“, an die Düsseldorfer Akademie wechselte. Dort hielt er an gegenständlicher Malerei fest, auch als Meisterschüler des ewig kunstbegriffserweiternden Joseph Beuys.
Mit seinem Gespür für Farben, seiner ambitionierten Technik stellte Tadeusz (1940-2011) andere malende Meisterschüler von Beuys künstlerisch in den Schatten. Und nun hat sein Volldampf-Leben einen Roman inspiriert: Der weitläufig mit ihm verwandte Journalist und Autor Jörg Thadeusz erzählt in „Steinhammer“ von einer Nachkriegsjugend in der Dortmunder Steinhammerstraße – und vor allem die Geschichte einer jahrzehntelang unerfüllten Liebe.
Anspielungen auf Beuys, Anatol und Gerhard Richter
Der hochbegabte Maler dieses Romans, der sich im Innenleben all seiner Figuren gut auskennt, heißt denn auch Edgar Woicik. Tadeusz’ Biografie ist eher Spielmaterial. Die Anglerweste hat hier eine argentinische Kunstprofessorin an, ein Alfons kommt als Polizist zur Kunst wie einst Anatol Herzfeld und die Bilder einer Karla Schellenberg werden später so hoch gehandelt wie die von Gerhard Richter. Die Düsseldorfer Boheme der 60er Jahre lebt hier noch einmal in schnellen, ironischen Strichen auf.
Viel intensiver und detaillierter aber ist das lebensnahe Bild vom Ruhrgebiet der späten 50er Jahre mit seinen anhaltenden inneren wie äußeren Schäden an Menschen und Stadtlandschaften, das Jörg Thadeusz zeichnet. Die Randfiguren heißen „Ötte“, „der Schäbbige“ oder „Suppe“ und sind auch so. Die Köstlichkeiten heißen Nappo, aber der Alltag zwischen Nyltest-Hemden und René Carol aus dem Radio ist dann doch eher Bohnensuppe.
Jörg Thadeusz lässt den Maler auf ein Erfolgsleben zurückblicken
Wie sich einer in dieser denkbar kunstfernen Umgebung zu großer Malerei durchboxt, das ist aber nur die halbe Geschichte – die andere eine Freundschafts- und Liebesstory, in der Menschen gegen ihre Herzensneigungen auseinandergerissen werden, weil sie ihrem Drang zur Selbstwerdung folgen. Dass die vier Erfolgs-Jahrzehnte des Malers Woicik nur in kursorischer Rückblende an der Schwelle zu seinem 70. Geburtstag vorkommen, ist ein gewiefter erzählerischer Trick: Weniges ist so öde wie eine breit ausgemalte Glückssträhne, da ist das Durchkämpfen und Werden eines Charakters gegen Widerstände schon sehr viel lebhafter.
Die „goldenen Jahre“ der rheinischen Kunstszene zwischen 1965 und 1990 gäben zwar Stoff für ein saftiges Sittengemälde, aber der Roman hätte damit ein gänzlich neues Thema. Die angedeuteten Klassismus-Motive verblassen ohnehin zusehends: Dass es einer aus proletarischen Verhältnissen unter den Großbürgerskindern einer Kunstakademie schwer hat oder dass einer wie Woicik und die aus reichem Adel stammende Lebensliebe Penelope („Nelly“) zueinander nicht kommen können. Oder zu spät. So gerät der Schluss des Romans eine Idee zu harmonieselig.