Bottrop. Die Ausstellung „Kochen Putzen Sorgen. Care-Arbeit in der Kunst seit 1960“ im Quadrat Bottrop erfährt zur Eröffnung riesige Resonanz. Die Gründe.
Die Resonanz auf die Eröffnung der neuen Ausstellung im Quadrat war überwältigend. Der Andrang am Wochenende war so groß, dass selbst die Treppen im Empfangsbereich nicht ausreichten, allen einen Sitzplatz zu bieten. Bei dem etwas sperrigen Titel „Kochen Putzen Sorgen. Care-Arbeit in der Kunst seit 1960“ sicher keine Selbstverständlichkeit.
In Videos, Fotografien, Installationen und Gemälden zeigt die Gruppenausstellung Werke internationaler Künstlerinnen, die sich mit dem Thema Care-Arbeit auseinandersetzten. Der Begriff umfasst dabei sowohl die unbezahlte Arbeit, die von Frauen geleistet wird, beispielsweise die Betreuung von Kindern, älteren Menschen oder kranken Familienmitgliedern, gemeint ist aber auch Lohnarbeit, die im gesellschaftlich organisierten Fürsorgeraum nicht selten unter prekären Bedingungen stattfindet.
Obwohl im umfassenden Sinne systemrelevant, sei Care-Arbeit dennoch als nicht produktiv abgewertet, manchmal sogar noch nicht einmal als Arbeit anerkannt, lauteten Einschätzungen, die in den Begrüßungsreden am Sonntag zum Ausdruck kamen. Reden, die dieses Mal folgerichtig ausnahmslos Frauen vorbehalten waren.
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Unter ihnen neben Bürgermeisterin Monika Budke auch Ina Brandes, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, und die Generalsekretärin der Kunststiftung NRW, Dr. Andrea Firmenich. Ihnen allen gelang es mühelos, einen persönlichen Bezug zum Thema der Ausstellung herzustellen.
Und es wurde deutlich: Die neue Ausstellung im Quadrat leistet Pionierarbeit, indem sie zeigt, dass das Thema ein globales und ein zeitlich überspannendes ist. So gibt eine Arbeit aus 2020, aber auch viele Exponate aus den 60er Jahren. Die Künstlerinnen stammen aus aller Welt, aus Europa, Asien, Amerika. Natalia Iguiñiz ist eigens aus ihrer Heimat Peru angereist, um an der Eröffnung teilzunehmen.
Neue Ausstellung in Bottrop mit umfangreichem Rahmenprogramm
Linda Walther, Direktorin des Museums, ordnete in ihren Ausführungen die Übersichtsausstellung, die mehr als 40 künstlerische Positionen vereint, aber nicht nur geografisch und thematisch ein, indem sie darstellte, wie das Thema in ein noch junges internationales Forschungsfeld eingebettet ist. Sie machte auch deutlich, wie sehr ihr die Kooperation und Vernetzung mit der Region und innerhalb der Stadt am Herzen liegen.
Dabei gilt ihr Dank nicht nur den Forscherinnen des Kunstgeschichtlichen Instituts der Ruhr-Universität Bochum, Dr. Änne Soll und Dr. Friderike Sigler, die auch den Abschlussvortrag hielten, sondern auch dem feministischen Archiv ausZeiten e.V. in Bochum und dem Frauenzentrum Courage für ihre Mitwirkung und die Leihgabe verschiedener Ausstellungsstücke.
Ebenso hob sie die gute Zusammenarbeit mit verschiedenen Bottroper Institutionen, wie dem Stadtarchiv, der VHS und dem Kulturamt hervor. Deren Kooperationsbereitschaft ist es zu verdanken ist, dass ein umfangreiches Rahmenprogramm zur Ausstellung mit Workshops, Filmabenden und Diskussionsrunden angeboten werden kann.
Konzeptionell folgt die Ausstellung keiner zeitlichen Chronologie, sondern nähert sich dem Thema über inhaltliche Schwerpunkte. So geht es in einem der Räume um das Auslagern von Care-Arbeit auf migrantische Arbeiterinnen, ein anderer Bereich hat das Motto Doppelschicht in Ost und West. Wiederkehrend auch das Motiv maskierter oder entstellter Gesicherter, die Darstellung von Körpern, die zum Objekt der Kunst werden, mit Haushaltsgeräten verschmelzen oder durch sie begrenzt werden.
Bottrops Ausstellung zur Care-Arbeit regt zum Austausch an
Und reagierte das Publikum am Eröffnungstag auf das Angebot? In jedem Fall regt die Ausstellung zum Austausch an. Viele Besucher bildeten Gruppen vor den Videogeräten und sahen sich gemeinsam die Clips an, anderen standen diskutierend vor den Installationen. Die Stimmung war locker, bei dem einen oder anderen Exponat trat aber auch betretene Stille ein.
Teammitglieder des Bottroper Frauenzentrums freuen sich besonders, dass Dokumente der Courage-Geschichte es bis in die Ausstellung geschafft haben. Unter anderem findet sich ein Exemplar der ersten Bottroper Frauenzeitung aus März 1986 in einer der Vitrinen.
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Zweifellos würde sich allein für die dokumentarischen Elemente ein Besuch der Ausstellung schon lohnen. Ihren Charme und ihre emotionale Reichweite entwickelt die Ausstellung aber über ihre künstlerische Vielfalt und die oft ausdrucksstarke, manchmal subtile Ansprache des Publikums. Sei es durch Parodie, Ironie, Persiflage, die Künstlerinnen erheben ihre Stimmen provokant und entlarvend aus dem manchmal grotesk anmutenden Spannungsfeld zwischen Kunst und Care.
„Selbstredend sind diese Diskurse und Stimmen nicht abgeschlossen, und nicht alle sind repräsentiert. Und damit ist die Ausstellung anschlussfähig, und die Beschäftigung mit Care-Arbeit in einem Kunstmuseum hat gerade erst begonnen“, stellt Linda Walther abschließend fest. Dabei wird spürbar, dass alle eingeladen sind, sich an diesem Prozess zu beteiligen.
Bis März 2024 gibt es dazu noch Gelegenheit. Die erste Veranstaltung zum Rahmenprogramm findet schon am Donnerstag, 26. Oktober, um 18 Uhr statt. Titel: „In der Werbung sind wir Puppen, im Betrieb in Leichtlohngruppen“.