Bottrop. Linda Walther, neue Chefin im Bottroper Museum Quadrat, im Gespräch über Kunst und Josef Albers, Eiszeit, Ruhrkunstmuseen und Museumsdirektoren.
Linda Walther kennt das Museum, in dem sie seit Ende letzten Jahres Chefin ist, schon seit ihrer Kindheit, die 41-Jährige ist in Oberhausen aufgewachsen und hat in Bochum und Düsseldorf studiert. Sie war Kuratorin an der Kunsthalle Bielefeld, bevor sie ins Revier zurückkehrte. Jens Dirksen sprach mit ihr über Künstler und Museen, über Josef Albers und die Löwenspuren in der Eiszeithalle des Museums.
Frau Walther, Sie sind in Oberhausen aufgewachsen, haben in Bochum und Düsseldorf studiert – anders als Ihr Vorgänger kannten Sie das Museum Quadrat schon, bevor Sie sich auf den Chefposten dort beworben haben, oder?
Ja, wir waren schon in meiner Kindheit oft hier. Das Museum wird nicht als allererster Ort genannt, wenn man ans Ruhrgebiet denkt, aber in der Fachwelt ist es ja sehr geschätzt – und ich bin immer gern hierher gekommen, auch weil sich immer etwas entwickelt hat. Mit hervorragenden Ausstellungen und jetzt zuletzt mit dem Anbau.
Haben Sie eigentlich ein Lieblingsmuseum jenseits des Quadrats?
Das ist schwer zu sagen. Gerade ist in der Museumswelt so viel im Wandel, die Orte verändern sich und damit ändern sich auch die Favoriten.
Und wo gehen Sie auch noch gern hin?
In die Ruhrgebietsmuseen natürlich, weil jedes Haus sein ganz eigenes Profil hat, architektonisch, programmatisch, von der Sammlung her. Das Kunstmuseum Gelsenkirchen zum Beispiel hat eine ganz andere Architektur als wir und liegt so ganz anders, viel urbaner, mit Gastronomie im Haus – und ich bin gespannt, was da jetzt passiert, denn auch dieses Museum hat, wie so viele der Ruhrkunstmuseen, kürzlich eine neue Leitung erhalten. Einige Museen im Ruhrgebiet kenne ich noch nicht, das Zentrum für Lichtkunst in Unna zum Beispiel das stelle ich mir spektakulär vor. Natürlich hat die Region auch über das Ruhrgebiet hinaus einiges zu bieten: Ein Favorit ist das Museum Abteiberg in Mönchengladbach mit einem wahnsinnig interessanten Programm. Und dann natürlich die großen Häuser, ich habe in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen ja mein Volontariat gemacht, da bin ich Dauergast, klar.
Lieber die Klassische Moderne im K20 oder die aktuelle Kunst im K21?
In letzter Zeit war ich häufiger im K21, aber beide Häuser sind sehenswert.
Museumsdirektorin ist kein Ausbildungsberuf, hat Ihr Studium für Kunstgeschichte sie ausreichend vorbereitet auf das, was sie seit Oktober machen?
Nur von der inhaltlichen Seite, beim Kunst-Wissen, das man haben muss. Das bereitet einen allerdings kaum darauf vor, Ausstellungen zu planen, Budgets aufzustellen, in politischen Gremien zu sitzen oder mit der Presse zu sprechen. Dafür gibt es dann die Volontariate und die weitere berufliche Laufbahn. Auch wir haben glücklicherweise ein Forschungsvolontariat hier am Haus. Das ist ja die praktische Ausbildung, wenn es um die Museumsarbeit geht. Ich finde es toll, dass das Land Nordrhein-Westfalen das mit einem großen Förderprogramm unterstützt. Die weiteren Erfahrungen und Schlüsselkompetenzen – wie löst man Konfliktsituationen?, wie moderiert man mal was?, was sagt man?, was sagt man besser nicht? – lernt man in Laufe der Zeit durch das Arbeiten im Museum. Und während der Promotion habe ich einige Weiterbildungen an der Uni absolviert, die mich auf eine Tätigkeit in einer Führungsposition vorbereitet haben. Aber es stimmt, es gibt nicht die geregelte Ausbildung wie in anderen Berufen.
Welche Künstlerinnen und Künstler mögen Sie am meisten?
Im Moment schaue ich natürlich gewissermaßen mit dem Filter Josef Albers auf die Kunst. Und es ist erstaunlich, für wie viele Künstlerinnen und Künstler Albers auf ganz unterschiedliche Weisen Impulsgeber war. Zum Beispiel Rafaël Rozendaal. Ein junger Künstler, der als Pionier der digitalen Kunst fast ausschließlich im Internet arbeitet. Wir zeigen zurzeit zwei NFTs von ihm, in denen er sich ganz explizit auf Albers bezieht. Oder auch Sheila Hicks, die bald neunzig Jahre alt wird und in den 1950er Jahren in Yale bei Albers studiert hat. Für sie war seine Lehre prägend, was man in ihrem Werk bis heute sieht.
Und ansonsten? Michelangelo oder Warhol?
(lacht) Warhol. Also, ich verorte mich schon sehr im 20. und 21. Jahrhundert.
Ich frage trotzdem: Antonis van Dyk oder Angelika Kauffmann?
Angelika Kauffmann.
Dürer oder Beuys ist leichter, oder?
Ja, Beuys. Ist natürlich eine kritische Figur, aber: ja.
Caspar David Friedrich oder Hundertwasser?
Ach, da würde ich Friedrich vorziehen.
Und Matisse oder Picasso?
Das ist die große, klassische Frage. Die kann man nicht richtig beantworten, ich sage heute mal: Matisse. Oder besser: Hilma af Klint.
Wo fühlen Sie sich im Quadrat am wohlsten?
Im zentralen Raum im Josef-Albers-Museum, wo seine großen Werke aus der Reihe „Homage to the Square“ zu sehen sind. Er ist eine Art Ruhepol des Hauses, der Architekt Bernhard Küppers hat ihn ideal entworfen für diese Kunstwerke. Das Licht ist perfekt, die Proportionen stimmen, die Bilder hängen da einfach wunderbar! Ich mag aber auch die Moderne Galerie vorn mit ihrer Offenheit und den großen Glasflächen, der Verbindung nach draußen zur Straße. Und natürlich der Neubau – ich freue mich auf die zukünftigen Projekte dort!
Sie haben ein erweitertes, saniertes Museum übernommen. Gibt es trotzdem noch Baustellen?
Zum Museumszentrum Quadrat gehört ja nicht nur die Kunst, sondern auch das Museum für Ur- und Ortsgeschichte. Ich bin der Ansicht, dass wir den Eiszeitsaal…
… also die Sammlung mit den Mammut- und Wollnashorn-Skeletten und den Tatzen-Spuren von Löwen, die im Emscherbruch unterwegs waren…
… ja, dass wir den ertüchtigen müssen. Der ist ja im Prinzip seit 1976 nicht verändert worden. Die Vitrinen müssen überarbeitet werden, es braucht neue Ausstellungstexte, auch zum wissenschaftlichen Stand in gut verständlichen Texten Wir möchten, dass Menschen uns verstehen, sich angesprochen fühlen. Und es geht um die Eiszeit! Wir möchten dort die aktuelle Klimakrise verhandeln, weil man sich den Klimawandel über längere Zeiträume anschauen kann und sieht, welche Rolle der Mensch in diesen Zusammenhängen spielt. Ich möchte auch, dass wir Brücken schlagen zwischen Kunst und Natur und das Haus stärker als Ganzes begreifen. Wir haben ja auch einen fantastischen Park mit herausragenden Skulpturen drumherum!
Gibt es konkrete Ideen?
Wir haben die Skulpturen jetzt erst einmal alle beschildert, das klingt banal, aber ich finde das wichtig, dass sich alle darüber informieren können, was da steht. Und dann haben wir angefangen, eine App für Kinder zu befüllen, wir haben einen Parcours entwickelt: Eine Dreiviertelstunde lang kann man anhand von sechs Skulpturen mit Kindern gemeinsam aktivierende Übungen machen und im besten Fall einen spielerischen Zugang zu den Kunstwerken in unserem Park finden.
Aktivierende Übungen?
Ja, bei Max Bills „Einheit aus drei gleichen Volumen“ zum Beispiel: Die ganze Skulptur spiegelt. Doch was hat es auf sich mit diesen Spiegelungen? Was ist Teil des Kunstwerks und was Teil der Umgebung? Wenn der Himmel sich auf der Oberfläche der Skulptur spiegelt, wird er dann zum Teil des Kunstwerk? Und wo gibt es im Umfeld weitere Spiegelungen? Da ist man dann schnell bei der Wasseroberfläche unseres einem Teichs oder einer der großen Glasfassaden des Museums. So möchten wir anregen, die Kunstwerke, den Park und das gesamte Museumsensemble mit Kindern zu entdecken, anders wahrzunehmen.
Arbeiten mit dem Bestand also?
Ja, ich denke aus verschiedenen Gründen – ökonomischen, ökologischen und natürlich auch inhaltlichen – sind wir gut beraten, wenn wir uns mehr mit unseren Beständen beschäftigen. Gerade zeigen wir in einer Sonderausstellung erstmals die Bottroper Kunstsammlung jenseits von Albers. Natürlich werden wir die Sammlung weiterentwickeln und ebenso den Park. Die Verbindung von Kunst und Natur erlaubt uns auch Brücken zu schlagen. Beispielsweise beschäftigen sich heute Künstlerinnen und Künstler mit ökologischen Fragestellungen. Auch hier können wir anknüpfen. Generell ist es aber natürlich wichtig, nicht nur auf Regionales zu schauen, sondern auch international anschlussfähig zu bleiben. Hier ist Josef Albers die zentrale Figur.
Aber Ein-Künstler-Museen auf die Dauer interessant zu halten, ist ja keine leichte Aufgabe.
Das Josef-Albers-Museum ist und bleibt das Herzstück des Museumszentrums. Die Schenkung der Albers-Werke in den 1970er Jahren war überhaupt erst der Grund für die Museumsgründung. Der Vorteil ist, dass Josef Albers international so anschlussfähig ist. Sein Einfluss war und ist riesig, er war Impulsgeber für so viele Künstlerinnen und Künstler, die auch heute arbeiten. Gar nicht nur in geometrisch-abstrakter Kunst, sondern auch als Vater im Geiste für sehr unterschiedliche Kunstformen: Konzeptkunst, Minimal Art, Color Field. Rozendaal etwa arbeitet ja fast ausschließlich im digitalen Raum, aber bezieht sich dennoch auf Albers. Albers öffnet sehr viel, er ermöglicht Anschlüsse an Künstlerinnen und Künstler, an Themen von heute.
Ist denn die Albers-Sammlung selbst so groß, dass auch da eine gewisse Abwechslung möglich ist?
Ja, es ist die größte öffentlich zugängliche Sammlung von Werken des Künstlers weltweit. Im Moment zeigen wir in der Dauerausstellung einen Überblick über sein gesamtes künstlerische Schaffen von der Frühzeit in Bottrop über das Bauhaus, das Black Mountain College in den USA und Yale und einige Werke aus der berühmten Reihe „Hommage to the Square“ natürlich. Wir haben jetzt auch Möbel integriert, die er entworfen hat und. Wir werden auch in Zukunft immer mal wieder Kapitel überarbeiten und hinzufügen. Unsere Forschungsvolontärin hat anlässlich des 40-jährigen Jubiläums des Josef-Albers-Museums ganz aktuell ein Kapitel über die Gründungsgeschichte des Museum erarbeitet. Das Besondere ist ja, dass die Albers-Sammlung bei freiem Eintritt zu sehen ist, das ist der Stadt Bottrop wichtig, nur die Sonderausstellungen kosten etwas.
Wenn man sich das Team Ihres Hauses anschaut, sind von der Leitung über die Verwaltung bis zur Öffentlichkeitsarbeit alle Stellen mit Frauen besetzt, erst in der Haustechnik finden sich Männer. Zufall?
(lacht) Naja, also das ist keine Bottroper Spezialität, sondern in vielen Kulturbetrieben war und ist es so, dass der Chef ein Mann ist und das weitere Team eher weiblich. Das ist kein Zufall und das ändert sich nun, da immer mehr Frauen in Führungspositionen gelangen. Ich bin der Ansicht, dass es gut für ein Team ist, wenn es heterogen aufgestellt ist. Die Position der wissenschaftlichen Leitung des Museums für Ur- und Ortsgeschichte haben ganz aktuell mit einen Mann besetzt, einem Geologen. Das heißt: Es wird wieder etwas durchmischter. Generell ist aber noch viel zu tun in puncto Diversifizierung der Museen. Nur eine der großen Aufgaben für die Zukunft!