Nächstes Wochenende feiert die „Queen of Metal“ ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum mit einer ausverkauften Show in ihrer Heimatstadt Düsseldorf.
Nur wenige Musikstars sind so bekannt, dass man nicht mal ihren Nachnamen erwähnen muss, damit Fans und auch Nicht-Fans wissen, von wem man spricht. Die „Queen of Metal“ allerdings gehört in diese illustre Riege: Doro! Seit mittlerweile 40 Jahren steht sie auf der Bühne und feiert das mit einem großen Jubiläumskonzert am 28. Oktober in Düsseldorf. Einen Tag zuvor erscheint ihr 14. Studioalbum „Conqueress – Forever Strong And Proud“.
Doro, wie sah deine Anfangszeit als Musikerin aus?
Ich habe in Düsseldorf angefangen. Es gibt da so eine alte Fabrik an der Ronsdorfer Straße, die eigentlich abgerissen werden sollte. Dort hatten wir einen Raum, der war für uns optimal, denn wir konnten ordentlich laut sein. Allerdings gab es kein fließendes Wasser und auch keine Toilette, dafür aber ständig Hochwasser. Wir fanden das damals nicht wirklich schlimm, ließen die Kabel einfach im Wasser schwimmen und standen beim Spielen auf zwei übereinandergelegten Holzpaletten. Jeden Tag.
Jeden Tag?
Ja, das war unsere unausgesprochene Regel. Erst probten wir zweimal die Woche, dann dreimal, dann fünfmal und schließlich jeden Tag. Es war uns total wichtig, dran zu bleiben und regelmäßig Musik zu machen. Andere Bands, die sich nur ein- bis zweimal die Woche trafen, lösten sich meist auch ganz schnell wieder auf. Außerdem gab es bei uns noch eine weitere Regel: Wer fünf Minuten zu spät kam, musste 50 D-Mark zahlen – richtig viel Geld! Weil ich gerade in meiner Lehre zur Typografin steckte, bedeutete das jede Menge Stress. Ich arbeitete bis 17 Uhr und musste um 18 Uhr trotz Stau im Proberaum ankommen. Das war oft ganz schön knapp. Insofern habe ich fast jeden Monat die Proberaummiete übernommen, die genau 50 Euro betrug.
Hat sich in dieser Fabrik dann auch deine Band Warlock gegründet?
In den Räumen dieser Fabrik spielten irgendwann mehrere Bands, weshalb dort immer viele Musiker rumhingen. Wir haben untereinander auch durchgetauscht, der eine hat mal da gespielt, jemand anderes ist gegangen… Das ging reihum, was schließlich dazu führte, dass wir uns als Warlock zusammenfanden. Mit der Band ging es total ab, obwohl wir eigentlich gar nicht so drauf waren. Wir hatten keine Erwartungen und dachten auch nicht über eine Platte nach, uns machte das Proben einfach sehr viel Spaß und die gemeinsamen Treffen.
Stimmt es, dass du bei deinem ersten Konzert mit einer Waffe bedroht wurdest?
Ja, das war bei meinem allerersten Gig mit meiner ersten Band Snakebite. Wir traten in einem Club auf, der „Rose Crown“ hieß, in einer ziemlich üblen Gegend in Düsseldorf. Als wir dann anfangen wollten, habe ich gesehen, dass das Publikum aus ungefähr 120 Punks und vielleicht 30 Metallern bestand. Damals verstanden sich aber die Punks und die Metaller überhaupt nicht. Jedenfalls fingen wir an zu spielen, als sich ein Punk auf die Bühne legte und mit einer Pistole auf mich zielte. In der anderen Hand hielt er ein Bier und war schon total betrunken. Ich dachte mir: „So ist es also, wenn man ein Konzert spielt.“ Der Typ fiel nach einiger Zeit wegen seines Vollrausches ins Koma und schlief auf der Bühne ein. Meine Kumpel nahmen ihm die Waffe ab und erzählten mir später, dass die sogar geladen war.
Eine scharfe Waffe?
Ja, eine scharfe Waffe. Und ich dachte: „Wow!“
Und wie endete das Konzert?
Die Punks hatten keinen Bock mehr auf uns und wollten lieber ihre Mucke hören. Also nahmen sie uns die Gitarren ab, kloppten alles kaputt und warfen alles um: die Drums, die Technik, alles. Wir standen währenddessen hinter unseren Verstärkern. Als sie damit fertig waren, gaben sie uns unsere halbzerstörten Instrumente wieder, auf denen wir unseren Gig fertig spielten – mit einer zwei-Saiten-Gitarre und nur einer Trommel. Aber wir bekamen 50 D-Mark an Gage.
Wie ging es mit euch weiter?
Unser Fanclub schickte Kassetten mit unseren Aufnahmen ohne unser Wissen an Menschen aus dem Musikbusiness, was dazu führte, dass wir innerhalb weniger Wochen mehrere Plattenverträge angeboten bekamen, natürlich erstmal von kleineren Indie-Labels. Das führte zu dicken Diskussionen innerhalb der Band, weil wir uns nicht einig wurden, ob wir überhaupt eine Platte aufnehmen wollten. Einer von uns wollte das zum Beispiel gar nicht. Wir mussten ihn richtig überreden und unterschrieben dann schließlich bei Mausoleum Records, einer belgischen Plattenfirma. Zu Beginn der Heavy-Metal-Zeit waren die Beneluxländer weiter als Deutschland.
Seid ihr dort auch aufgetreten?
Wir haben oft in England, Belgien und Holland gespielt. Einmal fragte ein Veranstalter, ob wir Bock hätten, in seinem Club zu spielen für 300 bis 400 Leute. Klar, wollten wir! Er sagte, sie hätten noch eine andere Band aus Amerika da. Das fand ich so cool, weil die USA schon von Kindesbeinen an mein Traum waren, ich wollte immer dort hin. Also traten wir in diesem Club auf in… war es jetzt Belgien oder Holland? Ich glaube, es war Holland. Es ging wahnsinnig ab, damals gab es ja noch keine Security, es gab keine Barrieren, total geil. Die meisten Fans stürmten schließlich die Bühne, grölten mit und machten Stagediving. Es war super! Im Anschluss wollten wir noch kurz schauen, wie die Amis spielten und erlebten dann tatsächlich einen der ersten Europa-Gigs von Metallica.
Oh, wow! Da war also der 1986 verstorbene Cliff Burton noch dabei?
Ja, er war auch total nett und superentspannt. Er trug eine Schlaghose und sah eher aus wie ein Mix aus Metaller und Hippie. James Hetfield fand ich auch ganz toll, den mochte ich super gern.
Beruhte das auf Gegenseitigkeit?
Warlock und Metallica spielten damals oft zusammen, und James und ich verstanden uns bestens. Irgendwann später kam Metal-Mike vom Szenemagazin Aardshok mal zu mir und sagte: „Weißte, der James Hetfield, der wollte immer dahin, wo ihr auch spielt. Der wollte dich gern sehen.“ Tja, ich wusste das damals natürlich nicht. Aber ich fand ihn auch sehr sympathisch.
Hätte zwischen euch etwa eine große Metal-Liebe entstehen können?
Wer weiß, ich bin ja nicht so ein Familienmensch… Kinder und Heiraten, das lag mir nie so. Aber vielleicht wäre es schon was geworden. Er war ja damals schon ein sehr attraktiver und netter Frontmann. Aber meine Bandjungs witterten damals vermutlich was und merkten, dass ich mir die Metallica-Shows gern anschaute. Sie meinten dann immer: „Doro, wir müssen jetzt gehen!“
Ach, waren sie eifersüchtig?
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Ich weiß nicht, ob „eifersüchtig“ das richtige Wort ist… Wir haben auch nie so wirklich darüber gesprochen. Die Band war wie eine Familie und die Jungs vielleicht eher so wie meine Brüder, die auf mich aufgepasst haben. Sie sorgten ein bisschen dafür, dass James und ich nie länger quatschen konnten als „Hallo, gute Show!“ oder so.
Hattest du unabhängig vom Heavy Metal denn eine große Liebe?
Nee! Also doch. Große Lieben hatte ich schon. Doch es lief meistens so, dass eine lange Tour kam und die Beziehung dann auseinander ging. Auf jeden Fall kam es nie dazu, dass eine so lange hielt, dass ich geheiratet hätte. Ich war eigentlich immer auf Tour oder im Studio. Aber verliebt war ich sehr oft.…
Vermisst du es manchmal, keine eigene Familie zu haben?
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Es gibt Menschen in meinem Leben, von denen ich weiß, dass ich mich immer an sie wenden kann. Auf diese paar Menschen kann ich mich hundertprozentig verlassen, und ich liebe sie heiß und innig dafür.
Welche „Spuren“ hat der Heavy Metal sonst bei dir hinterlassen?
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Ich habe seit 30 Jahren einen Tinnitus, der nach jeder Tour, jeder Probe oder Aufnahme doppelt so schlimm ist. Wenn ich im Studio bin, stecke ich mir ein paar Taschentücher in die Ohren, um sie ein wenig zu schützen. Aber viel hilft es nicht, weil ich die Musik immer mörderlaut aufdrehe. Ich bin halt noch vom alten Schlag. Damals waren Konzerte nur cool, wenn man ganz vorn stand und den Kopf in die PA-Box steckte. Ich dachte früher, die Ohren müssten bluten, sonst sei es nicht gut. Mein Manager sagte einmal zur mir: „Doro, es gibt keine Heavy-Metal-Ohren und Buchhalter-Ohren. Das sind alles dieselben Ohren. Du musst irgendwas tun.“
Und was hast du gemacht?
Mein Manager brachte mich 1993 zum Ohrenarzt in New York, der nur meinte: „Da ist ja gar nichts mehr zu machen!“ Ich entgegnete nur: „Ja, aber ich hatte Spaß.“ Von dem Arzt bekam ich diesen angepassten Gehörschutz, zwei Pärchen, die ich höchstens ein bis zwei Mal benutzt habe. Ich fühlte mich mit denen einfach nicht wohl und benutze nun nur noch diese Silikondinger, die es für 5 Euro in der Drogerie gibt. Damit geht es gut, weil ich trotzdem genug höre und sie nicht wie andere Ohrenstopfen das Klangbild verändern.
Wie kann man sich die Tinnitus-Geräusche bei dir vorstellen?
Es piept meistens so ähnlich wie ein Faxgerät, also nicht nur ein Ton, sondern verschiedene. Manchmal bin ich kurz davor, wahnsinnig zu werden. Einmal dachte ich sogar, dass draußen jemand eine Motorsäge benutzt, bis ich merkte, dass es nur mein Ohrengeräusch war.
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Kannst du damit schlafen?
Am besten schlafe ich tatsächlich im Tourbus, weil es darin immer schön laut ist. Ich höre die Motorgeräusche, die Leute labern, Musik läuft – bei dieser Geräuschkulisse kann ich am besten schlafen und höre das Piepen kaum. Außerdem falle ich meist so zwei bis drei Stunden nach einem Gig ins Koma, denn ich spiele jedes Konzert immer so, als könnte es das letzte sein.
Willst du bis Ultimo weitermachen?
Ja, bis ich tot umfalle. Ich bin selbstständig und habe nie für die Rente eingezahlt. Außerdem ist es das, was ich am liebsten tue.
Info: „Conqueress – Forever Strong And Proud“ erscheint am 27. Oktober. Doro konnte für das Album viele hochkarätige Duett-Partner gewinnen, darunter auch Rob Halford von Judas Priest oder Sammy Amara von den Broilers. Am 28. Oktober spielt Doro ihre Jubiläumsshow in der ausverkauften Mitsubishi Electric Halle.
Dies ist ein Artikel der Sonntagszeitung. Die Digitale Sonntagszeitung ist für alle Abonnenten kostenlos. Hier können Sie sich freischalten lassen.