Dortmund. In den USA regnete es Preise: Jetzt ist das großartige Musical „Rent“ in Dortmund zu sehen. Das Premieren-Publikum feiert einen großartigen Abend

Lebe das Leben so intensiv wie möglich: Wenn das Ensemble im kraftvollen Schluss-Song des Rock-Musicals „Rent“ das Jetzt besingt, das allein zählt, und sich die Zuschauer mit dem letzten Ton zu nicht enden wollenden Standing Ovations erheben, dann kommt am Dortmunder Opernhaus ein brillantes Doppel-Projekt zu seinem triumphalen Abschluss.

Anfang September erlebte das Haus – eingerichtet von Gil Mehmert – die von Kritik und Publikum gleichermaßen gefeierte Inszenierung von Puccinis Opern-Klassiker „La Bohème“. Jetzt präsentiert Mehmert das 1996 am Broadway uraufgeführte Rock-Musical „Rent“ von Jonathan Larson in der deutschen Übersetzung von Wolfgang Adenberg.

Gewaltige Ovationen zur Premiere des Musicals „Rent“ am Opernhaus Dortmund

Das Stück, das Tony-Awards für das „Beste Musical“ und die „Beste Originalmusik“ erhielt und außerdem mit dem Pulitzer-Preis für das „Beste Drama“ ausgezeichnet wurde, basiert auf „La Bohème“. Wobei die in Handlung und Charakterzeichnung modifizierte Geschichte mittelloser junger Künstler-Bohemiens nicht mehr im Paris des Jahres 1830 spielt, sondern im New Yorker East Village der 1990er-Jahre, und das allgegenwärtige Schreckgespenst heißt nicht mehr Tuberkulose, sondern Aids.

Mimi (bei Puccini: Näherin), die sich zum HIV-infizierten Musiker Roger (Poet Rodolfo) hingezogen fühlt, ist eine an der Nadel hängende junge Erotik-Tänzerin; Rogers Zimmergenosse Mark Cohen (Maler Marcello) Filmemacher und Dokumentarist. Der Philosoph Colline wird zum Dozenten Tom Collins, der in Angel Dumott Schunard (Musiker Schaunard) die Liebe seines Lebens findet. Hauswirt Benoit ist jetzt der reiche Hauseigentümer Benjamin Coffin III., der Mark und Roger aus ihrem Appartement drängen will, weil dieser Teil von Manhattan endlich gentrifiziert werden soll…

„Rent“: Große Real-Ereignisse werden zum Musical-Stoff

Der Kampf gegen Gentrifizierung und für bezahlbare Mieten (Rent), existenzielle Probleme wie Obdachlosigkeit, Drogensucht und die auf ihren Höhepunkt zusteuernde Aids-Krise sind die großen, auf reale Ereignisse in New York anspielende Themen des Musicals. Um das umzusetzen und die Nähe zu Puccini-Oper zu verdeutlichen, hat sich Gil Mehmert einen bestechenden Clou ausgedacht. Das grandiose, die Technik des Hauses wunderbar nutzende Bühnenbild (Jens Kilian) ist, vom Gewächshaus-Appartement über den Dächern der Stadt bis zu den Clubs, in beiden Inszenierungen grundsätzlich identisch, wobei kleine Änderungen des Ambientes für eine atmosphärische Verlagerung von Paris nach New York sorgen.

Packende Musik von Rock bis zur beseelten Ballade

Die packende, zwischen Power-Rock, beseelten Balladen und ersten Punk-Anleihen pendelnde, an Ohrwürmern („La vie Bohème“, „Seasons of Love“) reiche Musik wird von einer fünfköpfigen Band exzellent umgesetzt, Choreographin Melissa King erweitert Mehmerts eindringliche Tableaus um großartige Chorus-Szenen. Und die Sänger/Darsteller sind einfach überragend. Lukas Mayer als Drag-Queen Angel Schunard oder Patricia Meeden (Mimi) stehen hier nur stellvertretend für ein Musical-Ensemble, wie man es vergleichbar seit langem nicht gesehen und gehört hat.

Am 15. Oktober und am 10. Dezember sind „La Bohème“ und „Rent“ im Dortmunder Opernhaus übrigens als „Doppel-Pack“ zu erleben. Weitere Termine und Karten: Tel, 0231-5027222. www.theaterdo.de