Essen. Dave Stewart bildete einst mit Annie Lennox das Duo Eurythmics. Jetzt, mit 71, sieht der das Leben ziemlich gelassen. Er lebt auf den Bahamas.

Die männliche Hälfte der Eurythmics mics weiß das Leben zu genießen. Seit 2010 lebt Dave Stewart (71) auf einer abgelegenen Insel auf den Bahamas. Hier arbeitet er weiter unermüdlich an eigener Musik sowie an den Platten von anderen, aber er weiß auch das Strandleben zu genießen. Eine Handvoll seiner Welthits gab er jüngst bei der „Night Of The Proms“ zum Besten. Wir unterhielten uns per Video mit dem gebürtigen Engländer.

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Sie leben seit 14 Jahren auf einer kleinen Insel der Bahamas. Wie sind Sie dort gelandet?

Dave Stewart: Durch Daryl Hall von Hall Oates, mit dem ich schon Mitte der Achtziger an einem Soloalbum gearbeitet hatte. Er kannte das Fleckchen hier. Er meinte, es sei perfekt. Kein Flughafen und nur wenig Touristen. Inzwischen ist Harbor Island, das muss ich sagen, zu einem kleinen Hotspot geworden. Taylor Swift hat auf der Insel Urlaub gemacht, gleich nach ihr kam auch Miley Cyrus. Die Paparazzi hingen buchstäblich in den Bäumen.

Früher wohnten Sie in Nashville, in Los Angeles und in London. Wie fanden Ihre vier Kinder den Umzug ins Urlaubsparadies?

Super. Meine Töchter Kaya und Indya haben es direkt geliebt. Sie wuchsen hier auf wie in einem Dorf. Die Mädchen sind jetzt 22 und 24, meine Söhne Django und Sam aus meiner ersten Ehe sind in den Dreißigern, und alle kommen total gerne wieder her. Weil sie hier dieselben Leute treffen, mit denen sie seit ihrer Kindheit befreundet sind. Drei meiner Kinder machen ebenfalls Musik, Kaya ist sogar als Sängerin bei meiner Eurythmics-Songbook-Tour dabei.

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Aber kommen Sie dort überhaupt noch zum Arbeiten?

Und wie! Gerade habe ich das neue Album von Daryl Hall produziert, ich arbeite an einem Musical mit Ringo Starr und feile an einem Biopic über ein Fragment meines Lebens als Teenager. Mehr kann ich dazu noch nicht sagen, aber der große Shekhar Kapur, der zum Beispiel „Elizabeth“ mit Cate Blanchett inszeniert hat, wird Regie führen. Mein Bay Street Recording Studio ist nach allen Regeln der Kunst ausgestattet, hier drin merke ich gar nicht, dass ich mich auf einer Trauminsel befinde.

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Aber Sie gehen ja sicher auch mal raus.

In der Tat, das tue ich. Zuletzt habe ich mir angewöhnt, mit meiner Frau und unserem Hund gegen 18 Uhr einen Strandspaziergang zu machen, die Strecke ist fünf Kilometer lang, meistens springe ich irgendwo unterwegs ins Wasser. Später gönne ich mir stets einen Wodka Martini, um meinen Feierabend zu zelebrieren. Aber nur einen. Ich mag es nicht, angetrunken zu sein.

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Sie vertreiben auch einen eigenen Wodka, Ihre Marke heißt „Poetry“. Wie hängen Poesie und harter Alkohol denn zusammen?

Nachdem Annie und ich ein bisschen Geld verdient hatten, kauften wir uns 1984 jeweils ein Appartement in Paris. Ihres war in einem Altbau, fünfter Stock, ohne Aufzug, meins lag neben einem leckeren Restaurant in Montparnasse mit einer sehr, sehr langen Bar, das ich gern frequentierte. Dort schrieb ich, bei einem tollen Wodka Martini, ein Gedicht in mein Notizbuch, das ich immer dabei habe. Dieser Vierzeiler („There’s a river running through us all/We fight our way up stream/But nothing best than letting go/And waketh not our dream“) steht nun auf jeder Flasche meines Poetry-Wodkas.

An Deutschland dürften Sie besondere Erinnerungen haben.

Aber ja. Meine Verbindung zu Deutschland ist sehr eng. Annie und ich nahmen unser erstes Eurythmics-Album „In The Garden“ im Studio von Conny Plank auf. Das Liegt in Neunkirchen, nicht weit entfernt von Köln. Wir fühlten uns dort sehr wohl, und wir waren beeindruckt, als Conny die Regel aufstellte, dass es keine Regeln geben sollte bei den Aufnahmen. Wir konnten machen, was wir wollten. Das war eine echte Erleuchtung. Unsere nachfolgenden Alben produzierten wir dann selbst, auch dank dessen, was uns der Lehrer Conny Plank beigebracht hatte.

Legendär: Annie Lennox und Dave Stewart als Eurythmics.
Legendär: Annie Lennox und Dave Stewart als Eurythmics. © dpa | Axel Seidemann

1987 habt ihr ein denkwürdiges Konzert im Westteil Berlins, direkt am Brandenburger Tor, gespielt. Wie erinnern Sie sich daran?

Wir traten bei einem Festival auf, mit David Bowie und Genesis. Es war der Wahnsinn. Wir bekamen mit, dass auf der anderen Seite die Menschen versuchten, über die Mauer zu klettern, aber von der Staatsgewalt gehindert wurden. Wir spielten „Sexcrime“, einen von George Orwells Roman „1984“ inspirierten Song, stoppten kurz, und Annie sang die Zeile „I tear the bricks down one by one“. Ich werde diesen Augenblick niemals vergessen.

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Eure Songs wie „Sweet Dreams (Are Made Of This)“, „Here Comes The Rain Again“, „There Must Be An Angel“ und viele weitere haben ein ganzes Zeitalter mitdefiniert. Und sie klingen heute noch so frisch und aktuell wie damals. Was war euer Geheimnis?

Du hast Recht, wir haben den Soundtrack für eine Menge von Jugendbiografien geliefert. So etwas kannst du dir nicht erträumen. Als wir in den frühen Achtzigern anfingen, hatten wir überhaupt keine Vorstellung davon, wo es mit uns hingehen sollte, was die Eurythmics vielleicht bewirken würden. Wir staunten anfangs, wie jung unser Publikum war. Ich war 1982, als wir „Sweet Dreams“ schrieben, schon 30, aber die Leute waren 15, 16, 17. Und sie blieben uns viele Jahre lang treu, wurden mit unserer Musik zu jungen Erwachsenen. Und durch Social Media entdecken uns nach wie vor eine Menge von Kids, die jünger sind als meine Töchter. Total verrückt, aber großartig.

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Haben Sie eine Erklärung für die Langlebigkeit Ihrer Musik?

Ich glaube, die Menschen können die Emotionen in unseren Songs sehr gut verstehen und nachempfinden. Annie und ich, wir liebten uns. Vor den Eurythmics waren wir ein Paar, wir lebten zusammen. Als der Erfolg kam, waren wir schon getrennt, und viele unserer Lieder handeln vom Kampf für die Liebe, vom Versuch, aneinander festzuhalten, vom Auseinanderbrechen und vom Leben danach. Die Gefühle in Eurythmics-Songs sind die Gefühle von Annie Lennox und Dave Stewart, sie sind oft schmerzhaft und immer absolut echt. Und wir haben unsere Musik echt cool und zeitlos produziert. Nichts von den Eurythmics klingt heute überholt. Sondern zeitlos und zugleich auf der Höhe der Zeit.

Hat es die Euyrythmics-Lieder stärker gemacht, dass eure Beziehung nicht hielt?

Ja. Intensiver. Ungeschönter. Wir haben locker hundert Songs über unsere Beziehung und insbesondere über unsere Trennung geschrieben. Unsere beiden Leben stecken in unserer Musik.

Annie Lennox möchte nicht mehr auf Tournee gehen. Aber wäre es für euch keine Überlegung, zum Beispiel einige Monate am Stück in „The Sphere“ zu spielen, dieser neuen Arena in Las Vegas, die neulich von einem U2-Gastspiel eröffnet wurde?

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Bono und The Edge waren letztes Jahr bei mir, wir haben ein bisschen gearbeitet und ein bisschen miteinander abgehangen. Sie meinten, eigentlich wäre „The Sphere“ wie für die Eurythmics gemacht. Ich habe noch Bonos Stimme im Ohr. „Leute, macht es“. Sie wollten mich richtig überreden.

Keine Chance?

Nein. Bei Annie ist es nicht nur das Reisen bei einer Tournee, das sie sich nicht mehr antun möchte. Sie fühlt sich einfach nicht gut bei dem Gedanken, zwei Stunden oder mehr auf der Bühne zu stehen. Ein paar Songs, so wie bei unserer Einführung in die „Rock and Roll Hall of Fame“ Ende 2022, das macht sie gern. Aber ein längeres Programm würde sie zu sehr stressen, zu sehr unter Druck setzen. Ich habe Verständnis für ihre Entscheidung. Und sie unterstützt mich dabei, alleine weiterzumachen.

War das eine schwere Entscheidung für Sie?

Eigentlich nicht. Liam Gallagher, ein Freund von mir, tritt jetzt zum 30. Geburtstag mit dem Oasis-Debütalbum auf. Ich selbst liebe die Musik, die Annie und ich gemacht haben, und ich liebe die Bühne. Alles ist gut, so wie es ist.

Sehen Sie Annie Lennox noch gelegentlich?

Aber klar! Annie war 21, als ich sie traf, ich war 23. Wir kennen uns seit 48 Jahren. Meine Frau und ich, Annie und ihr Mann – wir treffen uns hin und wieder zum Essen. Dann reden wir bestimmt nicht über früher und über „Sweet Dreams“. Sondern stundenlang über die Kinder und unser heutiges Leben. Ich liebe diese Viererdates mi

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