Düsseldorf. Dem Nahverkehr fehlt Geld. Vor allem für neue Zug- und Busangebote. VRR-Vorstandssprecher Oliver Wittke überrascht mit einem ungewöhnlichen Vorschlag.

4,5 Prozent mehr Lohn, eine Stunde weniger Wochenarbeitszeit und ein Deutschlandticket. So ungefähr sollte nach der Vorstellung von Oliver Wittke künftig ein Tarifangebot aussehen. Der VRR-Vorstandssprecher erklärte auf dem Mobilitätsforum Rheinland der IHK in Düsseldorf, warum er dieses Modell für sinnvoll hält. Der Deutsche Gewerkschaftsbund reagiert eher verhalten.

Bislang nämlich zündet das Deutschlandticket in vielen Bereichen – nur bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht. „Mittlerweile erzielen wir 70 Prozent der Fahrgeldeinnahmen über das Deutschlandticket“, so Wittke. Außer im Bereich der Firmenkunden: Bei rund drei Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Bereich des Verkehrsverbundes Rhein Ruhr habe man gerade mal 140.000 Deutschlandtickets als Jobticket verkauft. Marginal im Vergleich zu anderen Zielgruppen: 90 Prozent der Studierenden und 70 Prozent der Schülerinnen und Schüler ab Klasse 5 seien damit unterwegs. „Auch auf dem Land“, wie Wittke betonte.

Mit den sogenannten X-Bus-Linien hat der VRR auf dem Land ein zusätzliches Angebot installiert. Damit noch mehr möglich wird, braucht es mehr Geld. Hier ein Bus der Linie X27 Kleve-Wesel auf der Rheinbrücke in Wesel.
Mit den sogenannten X-Bus-Linien hat der VRR auf dem Land ein zusätzliches Angebot installiert. Damit noch mehr möglich wird, braucht es mehr Geld. Hier ein Bus der Linie X27 Kleve-Wesel auf der Rheinbrücke in Wesel. © FUNKE Foto Services | Markus Weißenfels

Genau da aber bräuchte es mehr Angebote, wie sie der VRR jetzt mit den ersten schnellen X-Bus-Linien installiert hat. Um einen weiteren Ausbau zu finanzieren, bräuchte es mehr Geld. Und genau da erhofft sich Wittke viel von seinem Vorschlag, das Deutschlandticket künftig zum Bestandteil von Tarifverhandlungen zu machen. Vorbilder, allerdings ohne Tarifbindung, gebe es: Die Stadtverwaltung Bochum spendiere allen Auszubildenden das Ticket – und biete damit mehr als Nachbarstädte.

Entscheidend sei, dass die so gewonnenen Einnahmen ausschließlich für den Ausbau des Angebotes verwendet werden. Die dringend nötigen Investitionen in Infrastruktur auf Schiene und Straße seien Aufgabe des Staates: „Das ist Daseinsvorsorge“, so Wittke.

Ticket als Pflichtbestandteil des Arbeitsvertrags?

Die Zielvorstellung: „Ich will ein verbindliches Jobticket für alle Arbeitnehmer“, so Wittke. Einfach wird das nicht, Beamte beispielsweise dürfen neben ihrem Gehalt keine weiteren Leistungen bekommen. Dennoch setzt Wittke darauf, dass es zunächst vor allem im öffentlichen Dienst gelingen wird, Gespräche über das Deutschlandticket in Tarifverhandlungen einzubinden. Die Arbeitgeber seien da offen, Gewerkschaften täten sich eher schwer damit, Lohnbestandteile zu akzeptieren, für die keine Sozialabgaben fällig sind.

Deutschlandticket wird Wahlkampfthema

Nicht nur das, Anja Weber, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes in NRW betont: „Hier geht Freiwilligkeit klar vor Verpflichtung.“ Und zeigt mit dem Finger aufs Land NRW: „ Wir fordern schon lange, dass die Landesregierung ihren Beschäftigten ein kostengünstiges Jobticket zur Verfügung stellt, so wie es viele Arbeitgeber bereits tun. Dazu braucht es keinen Tarifvertrag.“

Anja Weber, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes in NRW: „Freiwilligkeit geht vor Verpflichtung“.
Anja Weber, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes in NRW: „Freiwilligkeit geht vor Verpflichtung“. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Klar sei, so Weber: „Das Deutschlandticket ist eine substanzielle Verbesserung für viele Pendler*innen, um kostengünstig an ihren Arbeitsplatz zu kommen. Klar ist aber auch, dass jeder selbst wählen können muss, ob es gebraucht wird oder nicht.“ Und sie pocht ansonsten auf die Tarifautonomie: Ob Regelungen im Tarif sinnvoll sind, „entscheiden ausschließlich Gewerkschaften und Arbeitgeber als Tarifparteien in den verschiedenen Branchen – und dabei sollte es auch bleiben“, sagte Anja Weber unserer Zeitung.

Das Wichtigste, um das Ticket langfristig zu einem Lohnbestandteil zu machen, sei, dass das Ticket politisch und finanziell gesichert werde, weiß auch VRR-Chef Oliver Wittke: „Beim Deutschlandticket leben wir derzeit immer nur von der Hand in den Mund. Kein Großunternehmen führt das Deutschlandticket als Jobticket ein, wenn nicht klar ist, dass es das auch übernächstes Jahr noch gibt“, so Wittke.

„Es ist grob fahrlässig, jetzt wieder das Deutschlandticket in Frage zu stellen“, so Wittke, vor allem mit Blick auf die CSU. Das Ticket werde im Bundestagswahlkampf eine Rolle spielen. Dabei sei allen demokratischen Parteien klar: „Ohne Deutschlandticket gibt es keine Verkehrswende und keinen leistungsfähigen Nahverkehr.“