Düsseldorf. Ein 20-Jähriger quält mit Komplizen einen jungen Mann tagelang im Keller, weil er Geld will. Vor Gericht spricht er die Mutter des Opfers an.
„Das war zu brutal, was wir gemacht haben“, sagt der Angeklagte C. mit tiefer, ruhiger Stimme und guckt der Frau auf der Zuschauertribüne dabei direkt ins Gesicht. Sechs Jahre und drei Monate. So lange muss der 20-Jährige in Haft, weil er ihren Sohn entführt, verprügelt und in einen Keller gesperrt hatte – tagelang. Vor dem Landgericht Düsseldorf sitzt der Angeklagte nun noch einmal, weil er Berufung eingelegt hat: Mit persönlichen Worten und neuen Details versucht er, seine Strafe zu mindern.
Komplexer Fall vor dem Landgericht übertrifft bisherige Straftaten „bei weitem“
Begleitet von zwei Justizbeamten nimmt C. am Donnerstag auf der Anklagebank Platz. Der gebürtige Frankfurter wirkt gelassen, er hat lockige, dunkelbraune Haare, einen gepflegten Bart und breite Augenbrauen. Vor Beginn der Gerichtsverhandlung versteckt er sie, genau wie seine dunkelbraunen Augen, hinter der roten Mappe seines Anwalts.
Neben seinem grauen Adidas-Sweatshirt trägt der 20-Jährige, der in Düsseldorf lebt, eine blaue Jeans mit kleinen Löchern, dazu schwarze Sneaker. Während der Verhandlung bleibt er ruhig auf seinem Stuhl sitzen. Auch als das Gericht über eine Stunde lang die Anklage gegen ihn vorliest. Seinen Blick richtet er durchgehend auf die Richterbank, senkt ihn nur in den Momenten, in denen es um seine schwierigen Familienverhältnisse geht.
Der junge Mann ist bereits wegen zahlreicher Vergehen, fünf in drei Jahren, schuldig gesprochen worden. Doch das Verbrechen, weswegen er am 21. April 2024 verurteilt wurde, habe die bisherigen „bei weitem übetroffen“, so die vorsitzende Richterin.
Auslöser für die schrecklichen Taten in Düsseldorf und Viersen
Ausgangspunkt für die Tat, die sich Anfang Februar 2023 ereignete, ist ein Probearbeiten in Frankfurt. Das spätere Opfer der Entführung soll dem Angeklagten und dessen Freund einen Job in Aussicht gestellt haben. Für die Anfahrt mieteten sich die beiden ein Auto und zahlten laut Anklage 1200 Euro, doch der Termin wurde kurzfristig verschoben. Es ist der vermeintliche Auslöser für die schrecklichen Taten.
Am 1. Februar 2023 trifft das spätere Opfer in Düsseldorf auf den Komplizen des Angeklagten. Er fordert die Mietgebühr und eine Eklärung für die Absage. Als beides ausbleibt, sollen das Opfer und dessen Bekannter ihn begleiten. Sie treffen in einer Unterführung auf den Angeklagten, der im Mietwagen sitzt. Unter Gewaltandrohungen steigen die beiden Männer ein. Den Bekannten lassen sie kurz danach gehen.
Mehrere Schläge ins Gesicht folgen auf die Erkenntnis, dass das Opfer kein Geld auf dem Konto hat. Doch anstatt es dabei zu belassen, muss der Mann seine Mutter kontaktieren: Sie solle sich keine Sorgen machen. Die Realität ist eine andere, denn von Düsseldorf wird er nun nach Viersen in einen Keller verschleppt.
Den Geschädigten nennen die Täter immer wieder den „Jackpot“
Im Gerichtssaal schildert der Angeklagte, dass ihn der „pure Wille nach Geld“ angetrieben habe. Über die Bankkarte des Opfers wittern Robert C. und seine Komplizen nach der ersten Ernüchterung den „Jackpot“: Mehr als 20.000 Euro, die als Kredit über die Bank direkt abgehoben werden könnten. Lediglich die Pin für das Online-Banking fehlte für eine solche Transaktion.
Wenige Tage würde er dafür brauchen, habe der Entführte seinen Peinigern gesagt. Für diese Zeit sperrten sie ihn in einem Keller in Viersen ein. Mehrere Männer sollen dort auf ihn mit einem Schlagstock und Gürtel eingeschlagen, Zigaretten auf seiner Haut ausgedrückt haben.
Nach der zweiten Nacht in Gefangenschaft zwangen der Angeklagte und ein Komplize das Opfer dazu, bei einem Discounter einzukaufen. Als der junge Mann sich an einen Mitarbeiter wenden konnte, verständigte dieser die Polizei – und der Albtraum endete.
Angeklagter wendet sich an die Mutter des Opfers
Von der Anklagebank aus richtet Robert C. das Wort zunächst an die Mutter des Jungen, dem er tagelang Leid zugefügt hatte: „Ich möchte mich zutiefst entschuldigen für das, was wir getan haben“, fängt er an, wohlwissen, dass nichts die Taten rechtfertigen kann. „Ich habe mich gefragt: Hätten wir ihn umgebracht?“, stellt er gar in den Raum, lässt diese Frage allerdings unbeantwortet.
Anschließend wandert der Blick zurück zur Richterin. Der Angeklagte bennent seinen Komplizen, der den Behörden bislang nur unter einem Spitznamen bekannt war. Er spricht bedacht und dennoch: Was darauf folgt ist eine neue Version der Geschichte, von der die Staatsanwaltschaft später behauptet, sie lenke von den eigenen Taten ab. Und sei das Gegenteil dessen, was unter Einsicht zu verstehen ist.
Berufung wird wechselseitig zurückgenommen – Prozess endet nach einem Tag
Der Angeklagte scheitert mit seinem Ziel, sein Strafmaß zu mindern. Trotz der „späten“ Geständigkeit hat die Richterin „große Probleme“ mit den Aussagen des verurteilten Frankfurters. Zahlreiche Chancen und Rehabilitationsprogramme habe dieser nicht genutzt. Zudem sei die kürzliche Verlegung in eine neue Justizvollzugsanstalt „alles andere als ein positiver Haftverlauf“. Deswegen wird die Berufung in beidseitigem Einverständnis zurückgenommen. „Machen sie etwas daraus, wirklich“, gibt die Richterin dem Verurteilten nach der Verhandlung mit auf den Weg, „es ist in ihrer Hand.“