Essen. Erst stand ein Däne Millimeter im Abseits, dann gab es ein Handspiel, das kaum zu sehen war. Aber dem High-Tech-Ball entging nichts.

Der Ball ist noch rund, das ja. Ansonsten aber hat der offizielle Spielball der Fußball-Europameisterschaft nichts mehr zu tun mit seinen vielen Vorgängern. Man sieht ihm allerdings nicht an, was er kann.

„Fußballliebe“ heißt der Ball und wurde wieder einmal von Adidas entwickelt, dem Ausrüster, der schon seit 1968 die Spielgeräte für die Europameisterschaften produziert. Bereits vor zwei Jahren hat sich ein Team von 20 Experten Gedanken über den Ball gemacht. Material, Oberflächengestaltung – mit vielen Faktoren wurde experimentiert, um das Spiel schneller und attraktiver zu gestalten.

Schwarze Dreiecke statt der klassischen Sechsecke

Herausgekommen ist ein Ball, auf dem statt der typischen schwarzen Sechsecke schwarze Dreiecke auf weißem Hintergrund zu sehen sind – und dazu die Farben Rot, Grün, Orange und Blau. Was laut Adidas – natürlich – eine Botschaft ist und die Einfachheit des Spiels selbst sowie die Vielfalt und Lebendigkeit der teilnehmenden Nationen repräsentieren soll.

Sport Bilder des Tages 4th June 2024; Stadio Renato Dall Ara, Bologna, Italy; International Football Friendly, Italy ver
Der EM-Ball, den man kaufen kann. Die High-Tech-Exemplare für die einzelnen Spiele gibt es natürlich nicht im Handel. © imago/Action Plus | IMAGO/Best Images

Und bitte sagen Sie nicht „Leder“ zu der „Fußballliebe“. Das wäre so, als würden Sie „Auto“ zu einem „Rolls-Royce“ sagen. Der Ball besteht nämlich nicht nur aus recyceltem Polyester und einem wasserbasierten Aufdruck, sondern laut Hersteller auch aus mehr biobasierten Stoffen als alle bisherigen offiziellen Spielbälle von Adidas. Jede Schicht des Balls enthält, heißt es weiter, nachhaltige Materialien wie Maisfasern, Zuckerrohr, Zellstoff und Gummi, ohne die Leistung zu beeinträchtigen. Ganz im Gegenteil: Die Kunststoffhaut (Polyurethan) des Balls weist Mikro- und Makrotexturen sowie eine 20-teilige Panelform auf, die die Aerodynamik verbessert. „Precisionshell“ heißt das offiziell – Präzisionsschale.

Dazu gibt es innen etwas, das „CTR-Core“ genannt wird und für „Genauigkeit und Konsistenz“ des Balls sorgen soll. Anders gesagt: Der Ball bleibt immer in Form und lässt sich sehr präzise passen. Das können Sie selber mal ausprobieren, wenn Sie bereit sind, im Fachhandel 150 Euro hinzulegen.

Sensor sendet bis zu 400 Mal in der Sekunde Daten

Von den Bällen, mit denen die Profis während des Turniers kicken, ist die normale „Fußballliebe“ allerdings Lichtjahre entfernt. Denn in denen steckt jede Menge High-Tech, steckt ein System mit Namen „Connected Ball Technology“. Dazu gehört ein nur 14 Gramm leichter, von einer wiederaufladbaren Batterie gespeister Sensor, der bis zu 400 Mal pro Sekunde zentimetergenaue Standortdaten des Balls sendet. Die werden von bis zu 24 rund um das Spielfeld positionierten Antennen empfangen und zu einem leistungsstarken Prozessor in die Schaltzentrale der Video Assistant Referees (VAR) weitergeleitet. Dieser Prozessor berechnet daraus zu jeder Zeit die Geschwindigkeit, Umdrehungen und Drall sowie den Oberflächenzustand des Balles – also ob, beziehungsweise, wie er berührt worden ist.

Nach VAR-Beweis: Schiedsrichter Michael Oliver aus England pfeift das Tor der Dänen wegen einer Abseitsstellung ab.
Nach VAR-Beweis: Schiedsrichter Michael Oliver aus England pfeift das Tor der Dänen wegen einer Abseitsstellung ab. © dpa | Marcus Brandt

Das soll den Videoschiedsrichtern helfen, den Zeitaufwand für die Klärung von Handspiel- und Elfmetervorfällen zu reduzieren. Vor allem aber bewahrt der High-Techball nach Einschätzung der Uefa bei möglichen Abseits-Situationen oder Handspielen, die Schiedsrichter davor, in spielentscheidenden Situationen eine Fehlentscheidung zu treffen. Denn werden die Daten aus dem Ball mit den Kamerabildern kombiniert, die dem VAR-Team von bis zu 32 unter den Stadiondächern platzierten Kameras geliefert werden, lassen sich in kürzester Zeit komplexe Situationsdarstellungen errechnen, die keine Zweifel mehr an Referee-Entscheidungen aufkommen lassen. So wie im Achtelfinale der deutschen Elf gegen Dänemark.

20 Bälle mit aufgedrucktem Datum für jede Begegnung

Es war nicht der erste Beweis, wie gut diese Technik tatsächlich funktioniert. Schon in der Vorrunde wurden dem belgischen Stürmer Romelu Lukaku im ersten Spiel seiner Mannschaft gleich zwei Tore – zu Recht – aberkannt. Und so filigran die Technik im Ball auch ist, sie ist offenbar so gut geschützt, dass es bisher noch keine Ausfälle gegeben hat – egal wie oft der Ball geschossen, gepasst oder geköpft worden ist.

Wie viel Geld sich Adidas und die UEFA diese Spezial-Bälle haben kosten lassen, haben sie bisher nicht verraten. Bekannt ist allerdings, dass der Ausrüster pro Spiel 20 eigens für die jeweilige Begegnung gefertigte Bälle mit aufgedrucktem Datum und Austragungsort zur Verfügung stellt. Macht bei 51 EM-Spielen insgesamt 1020 Mal High-Tech in Kugelform.

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