Frankfurt/Main. Niclas Füllkrug und Marvin Ducksch legten einen ähnlichen Karriereweg in der Zweiten Liga hin. Nun sind beide bei der DFB-Elf.

Ziemlich genau zwei Jahre ist es her, dass Marvin Ducksch und Niclas Füllkrug das erste Mal von Beginn an Seite an Seite stürmten. Zweite Liga. Werder Bremen gegen St. Pauli. 1:1 hieß es am Ende. Ducksch traf für Werder auf Vorlage von Füllkrug. Bremen blieb unter Trainer Markus Anfang neun Punkte hinter einem Aufstiegsplatz. Doch für die beiden Mittelstürmer sollte dieser Tag so etwas wie ein Wendepunkt werden in ihrem Leben als Fußballer. Was seitdem folgte, ist eine Geschichte, die fast schon ein wenig kitschig klingt.

Zwei Jahre nach diesem Zweitligatag stiegen Ducksch (29) und Füllkrug (30) am Dienstagmittag erstmals Seite an Seite auf das Pressepodium des DFB-Campus in Frankfurt und sprachen über ihr möglicherweise erstes gemeinsames Spiel für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft, die am Samstag (20.45 Uhr/RTL) im Berliner Olympiastadion auf die Türkei trifft. Die hässlichen Vögel, wie Füllkrug sich und seinen Sturmpartner zu Zweitligazeiten liebevoll taufte, tragen nun den Adler auf der Brust. Womöglich sogar bei der EM 2024 im eigenen Land?

Füllkrug erklärt Geschichte der „hässlichen Vögel“

„Hässliche Vögel goes international“, sagte Füllkrug und grinste, während Ducksch neben ihm etwas mürrisch guckte. „Ich habe das damals so dahingesagt. Dafür habe ich mir eine kleine Reibe abgeholt von Duckschi.“ Mittlerweile kann aber auch sein Kumpel aus Bremer Zeiten mit seinem Partnersynonym leben. „Wir haben uns damit einen kleinen Namen gemacht“, erklärte Ducksch.

Dass nun auch beim DFB von den hässlichen Vögeln gesprochen wird, haben die beiden Julian Nagelsmann zu verdanken. Der Bundestrainer hatte Ducksch am Freitag überraschend für die Spiele gegen die Türken und am Dienstag gegen Österreich (20.45 Uhr/ZDF) nominiert. „Ich habe kurz am ganzen Körper gezittert“, sagte Ducksch über den Moment, als ihn Nagelsmann in der vergangenen Woche angerufen hatte. Die Nummer des Bundestrainers kannte er nicht. „Man denkt ein Stück weit, dass man verarscht wird. Ich habe dann aber schnell die Stimme des Bundestrainers erkannt“, erzählt Ducksch nun.

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In seiner bisherigen Karriere hatte der gebürtige Dortmunder lange den Stempel als guter Zweitligastürmer. Mit 29 könnte der Bremer nun sein erstes Spiel für Deutschland machen. So wie Füllkrug vor fast genau einem Jahr, als der Ex-Bremer am 16. November gegen den Oman bei seiner DFB-Premiere direkt sein erstes Tor erzielte. Erlebt Ducksch nun eine ähnliche Geschichte? „Marvin kennt Fülle sehr gut. Das ist sicher eine Komponente, die uns helfen kann“, sagte Nagelsmann nach der Nominierung. „Marvin ist im Flow. Er bringt einen guten Grad an Verrücktheit rein. Das brauchen wir auch“, so Nagelsmann.

Anfang erklärt Typen Füllkrug und Ducksch

„Verrückt, oder?“, sagt auch Duckschs ehemaliger Trainer Markus Anfang im Gespräch mit dieser Redaktion, als er auf den Höhenflug der beiden Vögel angesprochen wird. Anfang, seit einem Jahr Trainer bei Dynamo Dresden, hatte Ducksch bereits zwischen 2017 und 2018 bei Holstein Kiel trainiert und auch dank des Stürmers beinahe den Durchmarsch von der Dritten Liga in die Bundesliga geschafft. Als er 2021 Trainer in Bremen wurde, holte er Ducksch aus Hannover erneut in sein Team. Bei Werder funktionierte er auf Anhieb und verdrängte Füllkrug auf die Bank. „Marvin muss in einer Mannschaft spielen, in der er mitspielen kann“, sagt Anfang über den Angreifer, der bei Fortuna Düsseldorf 2018/19 in seiner ersten Bundesligasaison mit vier Toren in 19 Spielen noch scheiterte und in Hannover Nachfolger von Füllkrug wurde. „In Düsseldorf hat er gemerkt, dass er noch nicht so weit war. Er brauchte den Reifeprozess“, sagt Anfang.

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So richtig aufgeblüht ist Ducksch, als er in Bremen an der Seite von Füllkrug stürmte. Nach Startproblemen schossen die beiden Werder zurück in die Bundesliga. „Man hat gleich gesehen, dass die beiden harmonieren und sich gut ergänzen“, sagt Anfang, der aufgrund der Impfpassaffäre in Bremen nach nur 13 Spielen gehen musste. Dass er früher oder später auf beide Stürmer setzen würde, war ihm aber schon vorher klar. „Fülle ist eher der Zielspieler, Marvin ist ein mitspielender Stürmer mit großem Spielverständnis, der auch viel vorbereitet“, sagt Anfang, der Ducksch am Freitag eine Glückwunschnachricht schickte.

Deutschland fehlen internationale Topstürmer

Bei allem Kitsch rund um die Wiedervereinigung der hässlichen Vögel wird mit der Nominierung von Ducksch aber auch deutlich, dass Deutschland aktuell nicht gesegnet ist mit Mittelstürmern auf internationalem Topniveau. In der aktuellen Torschützenliste der Bundesliga liegt Ducksch mit fünf Treffern, darunter zwei Elfmeter, auf Platz elf, Dortmunds Füllkrug mit drei Treffern auf Rang 25. Zum Vergleich: Der Engländer Harry Kane hat in elf Spielen schon 17 Mal getroffen. Das sind schon jetzt mehr als die 16 Tore, mit denen Füllkrug in der vergangenen Saison Torschützenkönig wurde.

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Für Nagelsmann geht es acht Monate vor der EM aber auch um die Stimmung im Team. Und dafür kann er zwei Typen der Marke Füllkrug/Ducksch gut gebrauchen. „Fülle ist ein extrovertierter Typ, der gerne seine Meinung sagt und emotional ist. Marvin ist kein Lautsprecher, eher ein Kumpeltyp. Ein Lausbub, der gerne einen Spaß mitmacht und den Spaß auch braucht“, sagt Anfang.

30 Minuten sprachen die beiden Stürmer am Dienstag über ihre ähnlich verlaufenden Karrieren. Und in jeder Sekunde wurde deutlich, wie gut sie sich verstehen. Jetzt liegt es an ihnen, das auch in der Nationalmannschaft zu zeigen. Am liebsten natürlich schon am Samstag. Seite an Seite.