Berlin. Am Samstag startet die Krebsveranstaltung „YES!CON“. Der Initiator erzählt von seiner Krebsdiagnose und wie sie sein Leben änderte.
Für Jörg A. Hoppe, ehemaliger TV-Produzent und Gründer des Musikkanals Viva Deutschland, änderte sich 2016 schlagartig sein Leben: Diagnose Leukämie. Der heute 71-Jährige überlebte die Krebskrankheit und gründete die Initiative yeswecan!cer, die aus der Veranstaltung YES!CON entstanden ist. Dort sollen Patienten- und Ärzteschaft sowie die Politik auf Augenhöhe zusammenkommen. Am Sonnabend, den 14. Oktober, findet die Krebs-Convention zum vierten Mal – zum dritten Mal in Berlin – statt, in Kooperation mit der Funke Mediengruppe – Tickets sind zwar schon ausverkauft, doch besteht die Möglichkeit, die Veranstaltung im Livestream zu verfolgen. Mit der Berliner Morgenpost sprach Hoppe über seine Krankheit, das deutsche Gesundheitssystem und darüber, wie die Initiative mit einem T-Shirt begann.
Berliner Morgenpost: Herr Hoppe, Sie sind selbst an Leukämie erkrankt. Wie sind Sie mit der Diagnose umgegangen?
Jörg A. Hoppe: Ich stand zunächst unter Schock, wie die meisten Patienten, die eine solche Diagnose bekommen. Zumal dann, wenn einem die Ärzte sagen: ‚Herr Hoppe Sie sind doch alt genug, Ihre Überlebenschancen liegen rechnerisch bei 40 Prozent‘. Das ist aber nicht so wahnsinnig viel. Da ist man dann paralysiert, wie ein Hase im Scheinwerferlicht, kann keinen einzigen klaren Gedanken fassen.
Wie hat sich Ihr Leben durch die Diagnose verändert?
Schlagartig. Plötzlich habe ich gemerkt, dass das Leben endlich ist. Man merkt, dass Krebs deutlich etwas anderes ist als andere Krankheiten, weil es diese Konnotation Tod hat und manche Menschen gar nicht damit umgehen können und sich von allem abwenden. Für mich war das erste Erlebnis dieser Art mit meinem Geschäftspartner, der mich dann fragte, wie es gegenüber den Kunden und den Mitarbeitern kommuniziert werden soll? Die würden dadurch völlig verunsichert. Das hat er mich bei anderen Krankheiten, die ich hatte, nicht gefragt.
Sie haben eine Banane zum Interview mitgebracht. Hat sich bei Ihnen auch in der Ernährungsweise durch die Diagnose geändert?
Nein, ich habe mich schon immer gesund ernährt und Sport getrieben. Das war sicherlich ein Grund dafür, dass ich das alles überlebt habe. Heute weiß man, dass beispielsweise Übergewicht ein Indikator dafür ist, dass man Krebs unter Umständen nicht überlebt, vor allem wenn man noch andere Krankheiten hat.
Bei den Titeln, die Sie Ihrer Initiative und der daraus entstandenen App und Konferenz gegeben haben – yeswecan!cer, YES!APP und YES!CON –, schwingt Zuversicht mit. Ihre Gründung basiert aber auf frustrierenden Erfahrungen, die Sie im Zusammenhang mit Ihrer Krankheit gemacht haben.
Ich hatte ein Schlüsselerlebnis, als ich mehrere Chemotherapien hinter mich gebracht hatte. Da war ich in einem Zustand, wo ich mir nicht vorstellen konnte, dass ich das überlebe und jemals wieder ein halbwegs lebenswertes Leben führen werde. Ich hatte mich selbst nicht wiedererkannt. Dann haben aber meine Freunde und meine Familie gesagt: Jörg, wir schaffen das. Sie haben das im Plural gesagt und mich unterstützt. Das gab mir wahnsinnige Kraft, ich fühlte mich nicht mehr so allein. An Weihnachten habe ich dann ein T-Shirt erstellt mit der Aufschrift „yeswecan!cer“, die ich an meine Familie und Freunde verteilt habe.
In der Bundesliga wurde jedoch über mehrere Fälle von Hodenkrebs berichtet, im Leverkusener Stadion wurde sichtbar zur Prostatakrebs-Vorsorge aufgerufen. Sie wollen Krebs enttabuisieren. Sind wir auf einem guten Weg?
Es wird noch viel zu wenig über Krebs geredet. Jeder zweite Deutsche wird eine Krebsdiagnose in seinem Leben bekommen. Es betrifft eigentlich jeden, weil sich auch das Leben von Angehörigen ändert. Für eine Volkskrankheit in diesem Ausmaß wird noch zu wenig geredet.
Politisch geht es aber doch voran, oder? Die elektronische Patientenakte soll niedrigschwelliger zugänglich sein, wie von Ihnen letztes Jahr gefordert, und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat ein „Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin“ mit dem Fokus Krebs angekündigt.
Man muss wissen, wir leben im teuersten Gesundheitssystem Europas, haben aber eines der schlechtesten, zumindest was die Lebenserwartung angeht. Schweizer werden im Schnitt fünf Jahre älter. Zusätzlich kommt die digitale Versorgung, wo wir absolutes Schlusslicht sind. Digitalisierung ist aber der Schlüssel für Krebspatienten und der diesjährige Schwerpunkt.
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Sie setzen mit der Initiative und der Veranstaltung auf Kommunikation. Wie groß ist das Problem von Fake News in der Krebskommunikation?
Das ist ein großes Problem. Ich kann jedem nur raten: Rumgoogeln bringt gar nichts, nur Verwirrung. Wahnsinnig viele Scharlatane sind unterwegs. Von alternativer Krebsmedizin halte ich gar nichts. Wir sehen es mit als unsere Aufgabe an, darüber über Krebs mit verlässlichen Fakten zu informieren. Im Beirat von yeswecan!cer sitzen nicht umsonst Ärzte und Krebsspezialisten.
Was macht das mit Ihnen, wenn Sie auf die YES!CON-Veranstaltungen zurückblicken und auf das, was Sie mit der Initiative bereits erreicht haben?
Ich habe mit einem T-Shirt angefangen und heute, fünf Jahre später, ist es eine Bewegung geworden. Ich bin überwältigt, dass wir so viele Mitstreiter für dieses Thema gefunden haben und vor allem so viele Ärzte auf uns zugekommen sind und sich bei uns engagieren. Das hat mir ein neues Leben geschenkt. Ich kann jedem Patienten nur sagen: Es gibt ein Leben mit Krebs und es gibt ein Leben danach. Für viele hat sich danach sogar ein besseres Leben ergeben, weil sie durch die Krankheit gemerkt haben, wie stark sie sind. Eine Krebsdiagnose bedeutet nicht, dass alles viel schlimmer wird als es vorher war.