Essen. . Jubel bei der Premiere an Essens Grillo-Theater. Auch die Neueinszenierung von Yasmina Rezas „Kunst“ zeigt, dass das Stück längst ein Klassiker ist.
Der Abend im Grillo-Theater beginnt um halb Acht, und wenn er nach gefühlten 45, 50 Minuten endet, ist es tatsächlich 21 Uhr. Das Kunststück, die Zeit scheinbar aufzuheben, sie vergessen zu machen, ist ein Gemeinschaftswerk von Anna Spaeter (Regie), Fabian Lüdicke (Ausstattung) und drei wunderbaren Darstellern.
„Kunst“ von Yasmina Reza steht auf dem Plan – jene so federleichte wie gedankenschwere Komödie, die seit ihrer Uraufführung 1994 längst Klassiker-Status erlangt hat. Auch wegen des berühmtesten monochromen Gemäldes der Theatergeschichte. Dabei geht es gar nicht um Kunst, die ist hier nur der Katalysator für gruppendynamische Prozesse, es geht um die Männerwelt, um Freundschaft, Vertrauen, Erwartungen, um Routinen und nicht zuletzt Dominanz.
Konsequentes Ensemblespiel
Hautarzt Serge (Thomas Büchel) hat die Rolle des Kunstliebhabers für sich entdeckt und präsentiert stolz ein 1,20 mal 1,60 Meter großes Bild ganz in Weiß. Freund Marc (Jan Pröhl), ein Ingenieur, zeigt sich nicht erwartungsgemäß beeindruckt: „60 000 Euro für solche Scheiße!?“ Der Streit eskaliert. Papierhändler Yvan (Gregor Henze) soll vermitteln, will keinem weh tun und merkt, wie schnell sich die Wut der Streithähne gegen den Schlichter wenden kann. Über Jahre Angestautes und Unterdrücktes brechen sich Bahn. Auf verbale Tiefschläge, die auch vor den Ehepartnern nicht Halt machen, folgt der handfeste Austausch von Argumenten.
Thomas Büchel ist bis in die Spitzen seiner mittelgescheitelten Künstlermähne der selbsternannte Ästhet, der in den Vibrationen der Monochromie bei Mittagslicht die Erfüllung zu finden vorgibt. Jan Pröhls aufbrausender Marc, erklärter Feind der Moderne, leidet unter dem drohenden Verlust seiner Führungsrolle nicht nur in Fragen des Geschmacks: „Was sind Menschen außer die Hoffnung, die ich auf sie setze?“ Gregor Henze als Yvan hat seine eigenen privaten Probleme. Er ist tolerant, weil ihm alles andere Wurst ist. Indem er sich zwischen die Stühle setzt, landet er auf dem Boden der Tatsachen. Am Ende wollen die drei in einer Sondierungsphase ihrer alten Freundschaft eine neue Chance geben.
Auf drehbarer Zen-Bühne mit reinweißen, streng geometrischen Bauelementen ordnen die Darsteller, die von Anna Spaeter nie auf die platten Pfade des Boulevard geschickt werden, ihr großes komödiantisches und solistisches Talent konsequent dem Ensemblespiel unter. 90 kurze Minuten lang. Der Jubel des Premierenpublikums hallte lange nach.