Düsseldorf. Ratten tauchen auch da auf, wo man sie niemals vermuten würde. Schädlingsbekämpfer Dirk Kemmerling spürt sie auf und findet die geeigenten Mittel, um die ungeliebten Tiere wieder loszuwerden. Wer ihn begleitet, erhält einen tiefen Einblick in den Wirkungskreis der Ratten.
Ratten lauern meist in der Kanalisation, doch sie schaffen es auch bis in die obersten Stockwerke eines Hauses. Genau zählen kann sie niemand. Die Tiere aufzuspüren, ist oft mühsam.
Ein Reihenhaus in Düsseldorf: Der Rasen im Garten ist akkurat geschnitten, an der Dachrinne hängt ein Meisenknödel, die Gartenmöbel stehen geordnet unter der Veranda. Sauber und gepflegt sieht es hier aus. Deshalb würde ein Laie sie hier wohl nie vermuten: Ratten.
Die Taschenlampe, das wichtigste Werkzeug
Doch Schädlingsbekämpfer Dirk Kemmerling weiß es besser. Der 41-Jährige ist seit 21 Jahren in seinem Beruf tätig. "Meine Vermutung: Tiere mit grauem Fell und einem glatten Schwanz", sagt er dem Hausbesitzer. Denn in den Wänden raschelt es und angeknabberte Kabel einer Deckenlampe weisen auf die ungeliebten Tiere hin. In der Hand hat Kemmerling eine kleine Taschenlampe, sein wichtigstes Werkzeug auf der Spurensuche. Kein weißer Schutzanzug oder große Fallen. Der Mann mit der kompakten Statur trägt eine Jeans und dunkle Jacke.
Mit einer kleinen Kamera - ähnlich wie bei einer Darmspiegelung - fährt er durch die Deckenwand. Auf einem Bildschirm erscheinen die düsteren Bilder. Fehlanzeige: Es gibt keine Kotspuren. Die Suche muss weitergehen. Also wird zunächst ein giftfreier Köder ausgelegt. An den Nagespuren der flinken Tierchen kann Kemmerling dann erkennen, ob es sich wirklich um Ratten handelt.
Das Revier der Ratten ist nicht nur der Keller eines Hauses. Sie können auch bis in die obersten Stockwerke eines Hauses klettern. "Wir haben es sehr häufig, dass die Tiere in den Zwischendecken sitzen oder die gesamte Isolierung kaputt machen - ähnlich wie ein Marder", berichtet Kemmerling. Sie kommen von außen, meist durch Kanalisationsrohre in die Entlüftungsschächte, die nicht richtig abgedichtet sind.
Keine Daten zu Ratten in Größstädten
Wie viele Ratten in unseren Städten hausen, können auch Experten nicht sagen. Mehr als 500 Einsätze gegen Ratten verzeichnete die Stadt Köln bislang in diesem Jahr. 460 allgemeine Schädlingsbekämpfungen gab es in Düsseldorf und mehr als 630 im Jahr 2012. Zwei Drittel von ihnen galten Ratten.
"Es gibt aktuell keine Daten zu Ratten in deutschen Großstädten. Viele Studien sind veraltet", sagt Sebastian Günther, Mikrobiologe am Institut für Mikrobiologie und Tierseuchen der FU Berlin. Er hat jüngst Ratten aus der Hauptstadt auf multiresistente Keime untersucht, gegen die kaum ein Antibiotikum hilft. Eine Rückübertragung auf den Menschen sei möglich, aber noch nicht wissenschaftlich bewiesen. Das Forscherteam habe lediglich 60 Ratten untersucht um zu zeigen, dass weitere Studien nötig sind.
Ratten sind nachtaktiv. Zunehmend gewöhnen sie sich auch an Großstadtlärm und Licht, ist der Eindruck von Bärbel Holl, Vorsitzende des Vereins zur Förderung ökologischer Schädlingsbekämpfer. "Trotzdem wird die Gefahr, die von Ratten ausgeht, oft hochstilisiert."
Ratten können Toilettendeckel öffnen
Wenn es die Ratten von der Kanalisation in das Haus schaffen, müssen Hausbesitzer sie bekämpfen. "Es kann passieren, dass sie durch die Toilette in die Wohnung kommen. Den Deckel könnten sie ohne Probleme öffnen", sagt Kemmerling dem Bewohner des Reihenhauses.
Für Selbsthilfe gegen die Ratten gibt es nur wenige Möglichkeiten. Mittel mit Blutgerinnungshemmern, die zur Rattenbekämpfung eingesetzt werden, sind ab Anfang nächsten Jahres nicht mehr frei im Handel zu erwerben. Dann muss der Experte wie Kemmerling zurate gezogen werden.
Im gesamten Haus forscht Kemmerling dann nach den Schädlingen. "Rattologie sag ich immer dazu. Das ist eine Wissenschaft für sich." Es gebe viele Mythen. Eine Ratte, die einen anspringe und beiße sei sehr unrealistisch. Lediglich wenn Jungtiere bedroht seien, könnten die Mütter aggressiv werden.
Schmerzloser Tod durch Rattengift
Schließlich untersucht Kemmerling auch das Kanalrohr im Garten des Hauses. Er öffnet den Deckel zum Schacht. Da sind sie deutlich zu erkennen: schwarze, längliche Rattenköttel an einem Rohrbruch. Ein eindeutiges Zeichen und der Beweis. "Jetzt darf ich auch Giftköder auslegen", erklärt Kemmerling.
Eine schwarze Box mit Warnhinweisen befestigt er in dem Schacht. Drei bis vier Tage nachdem sie von dem Gift genascht haben, tritt der schmerzlose Tod ein. So können sie die anderen Tiere nicht warnen. Doch die Mission von Kemmerling ist noch nicht vorbei. Erst wenn die Ursache behoben ist und alle Tiere getötet sind, kann der Hausbesitzer wieder aufatmen. Dazu bedarf es noch einiger Nachkontrollen. (dpa)