Berlin. Eine Alternative zum Kauf oder Mieten einer Wohnung bieten die Wohnungsgenossenschaften. Der große Vorteil liegt in den gemeinsamen Interessen der Mitglieder, die keine profitorientierten Eigentümer sind. Je nach Stadt und Wohungslage kann es jedoch dauern, bis eine solche Wohnung frei wird.
Zu wenig Wohnungen, zu teure Immobilien, steigende Mieten - im Thema Wohnen steckt viel Konfliktpotenzial. Mieter sorgen sich um hohe Mieten. Besitzer machen sich Gedanken um Kredite, Zinsen und Erhalt der Immobilie. Doch es gibt eine andere Möglichkeit, eine gute Wohnung zu finden: Wohnungsgenossenschaften.
"Das genossenschaftliche Wohnen ist eine Mischform zwischen Miete und Eigentum", erklärt Eric Christian Meyer vom Institut für Genossenschaftswesen der Universität Münster. Die Genossenschaft gehört ihren Mitgliedern, die damit auch eine entsprechende Eigentümerverantwortung haben. Die Wohnungsgenossenschaft wiederum besitzt die Wohnungen, die sie an ihre Mitglieder vermietet. Der Kreis schließt sich. Das Ziel der Genossenschaft ist sicherer, preisgünstiger, lebenslanger Wohnraum für ihre Mitglieder.
Interessen der Mitglieder im Mittelpunkt
Daneben spielen aber auch soziale Aspekte eine Rolle. "Eine Genossenschaft basiert auf den Prinzipien Selbsthilfe, Selbstbestimmung und Selbstverwaltung", sagt Bundesbauminister Peter Ramsauer. "In ihr manifestiert sich bürgerschaftliches Engagement." So gibt es teilweise Betreuung für die Älteren, Kinderspielplätze oder Gemeinschaftsräume.
Doch nicht nur das: "Die Genossenschaftsmitglieder haben zudem ein weitgehendes Mitwirkungsrecht und können sicher sein, dass sich die Genossenschaft nicht an den Interessen fremder Kapitalgeber orientiert, sondern ausschließlich an denen der Mitglieder", sagt Monika Kegel vom Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW).
Wohnung nur bei Mitgliedschaft
"Die Mitglieder sind Miteigentümer der Genossenschaft und haben deshalb eine größere Sicherheit als Mieter", sagt Kegel. "Andererseits sind sie flexibler als Wohnungseigentümer, da sie den Mietvertrag - bei Genossenschaften heißt er Nutzungsvertrag - ganz normal kündigen können." Dem Mieter hingegen kann der Nutzungsvertrag nur gekündigt werden, wenn er gegen seinen Vertrag verstößt, also zum Beispiel die Miete nicht bezahlt. Kündigung wegen Eigenbedarf gibt es bei Wohnungsgenossenschaften nicht.
Ganz umsonst ist das aber nicht. Wer an einer Wohnungsgenossenschaft interessiert ist, muss zunächst Mitglied werden und Pflichtanteile an der Genossenschaft zeichnen. Die Mitgliedschaft heißt nicht, dass man sofort eine Wohnung bekommt. In München etwa, wo der Immobilienmarkt angespannt ist, muss man sich mit einem Platz auf der Warteliste begnügen.
Finanzieller Beitrag bei Wohnungsgenossenschaften variiert stark
Jörg Sahr von der Stiftung Warentest sagt: "Je attraktiver die Wohnung der Genossenschaft ist, desto länger ist die Wartezeit." Er rät, die Wohnungssuche über einen längeren Zeitraum anzugehen und sich im Vorfeld über Wohnungsbestand, Vergabekriterien und eventuelle Wartezeiten der einzelnen Genossenschaften zu informieren.
Das ist auch deshalb sinnvoll, weil jede Genossenschaft anders arbeitet. So beläuft sich der Pflichtanteil manchmal auf einige hundert Euro, es können aber auch zehntausend Euro sein. Entscheidend ist, welche Vorhaben die Wohnungsgenossenschaft geplant hat und wie alt sie ist. Bei einer relativ jungen Wohnungsgenossenschaft, bei der die Immobilien erst angeschafft werden müssen, liegt er meist höher, als bei einer alteingesessenen Genossenschaft.
Geldbeiträge sind in guten Händen
"Wenn dann eine Wohnung gefunden ist, muss man in der Regel erneut einen oder mehrere Pflichtanteile zeichnen", erklärt Sahr. In den Exposés der angebotenen Wohnungen steht, in welcher Höhe noch Genossenschaftsanteile gezeichnet werden müssen. Meistens muss man dafür etwa soviel aufwenden, wie für die Kaution fällig geworden wäre.
Das Geld ist bei den Wohnungsgenossenschaften in der Regel gut aufgehoben. Zum einen wird es teilweise mit 4 Prozent verzinst, zum anderen wirtschaften die meisten Genossenschaften gut. Die Insolvenzquote bei ihnen ist unter allen privatrechtlichen Wirtschaftsformen am geringsten.
Kaum Risiko auf eine Bruchbude
Das liegt auch an den Prüfungen durch die zuständigen Verbände. "Bei der Gründungsprüfung sieht sich der Verband an, was die Wohngenossenschaft plant", erklärt Eric Christian Meyer. Dabei werde das Projekt in rechtlicher, wirtschaftlicher und personeller Hinsicht begutachtet. Am Ende jedes Jahres gibt es zusätzlich die Jahresabschlussprüfung.
Das genossenschaftliche Wohnen kommt an. Laut Angaben des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung leben rund fünf Millionen Deutsche in einer der 2,2 Millionen Genossenschaftswohnungen. Die meisten der rund 2000 Wohnungs-genossenschaften gibt es schon lange. Einige sind rund 140 Jahre alt. Auch der Wohnungsbestand ist teilweise in die Jahre gekommen. Dennoch sind 90 Prozent der Wohnungen saniert. In einer alten Bude landen die Mitglieder daher eher selten.